Product Field: So funktioniert die Validierung
Nach den ersten beiden Schritten mit dem Product Field (Frame und Map) gibt es heute das zweite Tutorial zur Nutzung des Product Fields: Verbesserung durch Validierung ist das Thema der heutigen Folge. Ihr lernt, wie ihr eure Produktinnovation auf konzeptionelle Mängel, Lücken oder Unstimmigkeiten überprüft. So spürt ihr Potenzial auf, euer Produkt, eure Ziele und Ressourcen sowie die angepeilte Nutzung und Verbreitung optimal aufeinander abzustimmen.
Was bringt mir der Check?
Indem ihr euer Vorhaben früh validiert, vermeidet ihr, später im Entwicklungsprozess Zeit damit zu verschwenden, auf Basis fehlerhafter Annahmen zu arbeiten oder gar eine fehlerhafte Idee zu launchen.
Außerdem könnt ihr sicherstellen, dass es tatsächlich ein Produkt ist, an dem ihr arbeitet, und nicht zwei oder drei, die ihr im Konzept vermengt habt. Der Check-Schritt hilft euch dabei, mehrere eventuell vermengte Ideen sauber voneinander zu trennen.
Für den Check bietet euch das Product Field vier Muster-Sätze, die ihr mit Attributen aus eurem Produkt-Mapping vervollständigt und die euch dann zeigen, ob diese Attribute auch wirklich zusammen passen, d.h. ob euer Produktdenken konsistent und kohärent ist – ob z. B. eure Ziele (Goals) und eure Treiber (Driver) zusammenpassen, ob ihr die benötigten Ressourcen habt, um die geplante Lösung auch bauen zu können, oder ob eure angepeilte Zielgruppe auch wirklich das Problem hat, das ihr lösen möchtet.
So überprüft ihr, ob eure Produktinnovation Core/Context Fit hat: Ob euer Produktkern (also eure Value Proposition) zum Realisierungs- und Nutzungskontext passt, in dem und für den ihr euer Produkt entwickelt. In anderen Worten:
Ihr könnt erkennen, ob ihr wirklich in der Lage seid, etwas zu entwickeln, das dann auch gekauft und genutzt werden wird.
Die resultierenden Sätze drücken präzise die vier Aspekte des Charakters eurer Produktinnovation aus: Welche Idee euer Produkt verkörpert, welchen Wert es schafft, welchen Markt es bedient und welche Ressourcen es benutzt.
Ihr könnt die Sätze benutzen, um daraus Produktbeschreibungen oder Marketing Pitches zu bauen, verständlich mit euren Stakeholdern zu kommunizieren und generell besser auf den Punkt zu bringen, was ihr eigentlich warum baut.
Zum besseren Verständnis sei die Anwendung dieses Teils des Product Fields am Beispiel vorausgeschickt:
Product-Check am Beispiel, dem Safety Bike
Wenn ihr den ersten Beitrag über das Productfield gelesen habt, kennt ihr schon das Safety Bike und seine Geschichte. An seinem Beispiel illustrieren wir auch die vier Aspekte des Charakters einer Produktinnovation:
Die Idee des Safety Bike:
Im späten 19. Jahrhundert hat sich ein gewisser, von Erfindungs- und Unternehmergeist getriebener John Kemp Starley (Driver) zum Ziel gesetzt, das Zweirad neu zu erfinden und damit die Fortbewegung entscheidend zu verbessern (Goal), indem sie sicherer, schneller und günstiger wird (Uniqueness).
Die Ressourcen, die für das Safety Bike zur Verfügung standen:
Dafür nutzte er eine neuartige Technologie, den Kettenantrieb. Er hatte erkannt, dass durch diese Erfindung eine wirklich gute Lösung erst möglich würde (Enabler). Dank dieser Technologie sowie moderner Techniken der Massenfertigung (Production) konnte er ein Zweirad mit gleich großen Rädern (Solution) entwickeln und in Serie herstellen lassen.
Der Wert, den das Safety Bike schuf:
Fortan konnte die arbeitende Mittelschicht (Users) sich ein Fortbewegungsmittel leisten, das weder gefährlich und umständlich noch teuer und langsam (Problem) war. Echte Mobilität und Bewegungsfreiheit (Motivations) war jetzt also nicht mehr der gesellschaftlichen Elite vorbehalten.
Die Marktsituation, in der das Safety Bike sich bewähren musste:
Um sich gegen das Hochrad und andere Transportmittel wie Pferde und Kutschen durchzusetzen (Competition), musste Starley in die Trickkiste greifen. Erst als er begann, Fahrrad-Clubs zu gründen und Radrennen zu veranstalten, lief der Vertrieb über Eisenwarenläden so richtig an (Distribution) und erreichte man künftige Radfahrer und kleine Betriebe, die ihre Mitarbeiter ausstatteten (Customers).
Die Muster-Sätze für die Validierung
Das Product Field gibt euch vier Muster-Sätze an die Hand, die jeweils einen Aspekt des Charakters eurer Produktinnovation erfassen. Diese Muster-Sätze enthalten jeweils drei Platzhalter für Beschreibungen aus dem Product Field; diese ersetzt ihr durch Beschreibungen aus den drei Bereichen, die zum jeweiligen Aspekt gehören.
Nur wenn die einzelnen Bestandteile der resultierenden Sätze zusammenpassen, ist der entsprechende Aspekt konsistent durchdacht. Und nur dann passen Core und Context in diesem Aspekt zusammen, d. h. habt ihr (zumindest partiellen) Core/Context Fit.
Idea
Der Muster-Satz für den Aspekt der Idee lautet wie folgt:
Die Idee [eures Produkts]: [Uniqueness], geprägt von [driver] , der damit [goal] will.
Die Ausdrücke in Klammern werden nun mit konkreten Beschreibungen aus den Bereichen
- Feld 1: uniqueness (= Einzigartigkeit),
- Feld 2: drivers (= Treiber) und
- Feld 3: goals (= Ziel) im Product Field für das Safety Bike ersetzt.
Der so gebildete vollständige Satz, der Core/Context Fit für die Idee belegt, lautet für unser Beispiel:
Die Idee des Safety Bike: Sicherheit, Schnelligkeit und Erschwinglichkeit, geprägt vom Unternehmer und Ingenieur John Starley Kemp, der damit persönliche Mobilität ermöglichen und bessere Fahrräder in die Welt bringen wollte.
Value
Der Muster-Satz für den Aspekt des Werts lautet wie folgt:
Der Wert [eures Produkts]: [Problem] gelöst für [users], die [motivations ] wollen.
Die Klammer-Ausdrücke werden nun mit konkreten Beschreibungen aus den Bereichen
- Feld 1: problem (= Problem),
- Feld 2: users (= Nutzer) und
- Feld 3: motivations (= Motivationen) im Product Field für das Safety Bike ersetzt.
Der so gebildete vollständige Satz, der Core/Context Fit für den Wert belegt, lautet für unser Beispiel:
Der Wert des Safety Bike: Das Problem gefährlicher, teurer und umständlicher Fortbewegung gelöst für die arbeitende Mittelschicht, die echte Mobilität und Bewegungsfreiheit will.
Market
Der Muster-Satz für den Aspekt des Markts lautet wie folgt:
Die Marktsituation [eures Produkts]: [Distribution] greift [competition] an, den/die/das [customers] bislang verwenden.
Die Klammer-Ausdrücke werden nun mit konkreten Beschreibungen aus den Bereichen
- Feld 1: distribution (= Verbreitung),
- Feld 2: competition (= Wettbewerber) und
- Feld3: customers (= Kunden) im Product Field für das Safety Bike ersetzt.
Der so gebildete vollständige Satz, der Core/Context Fit für den Markt belegt, lautet:
Die Marktsituation des Safety Bike: Der Verkauf über Eisenwarenläden greift die Wettbewerber Hochrad sowie Pferde und Kutschen an, die arbeitende Mittelschicht und kleine Betriebe bislang verwenden.
Resources
Der Muster-Satz für den Aspekt der Ressourcen lautet wie folgt:
Die Ressourcen, die [euer Produkt] verwendet: [Production] greift auf [enablers] zurück, um [solution] zu bauen.
Die Klammer-Ausdrücke werden nun mit konkreten Beschreibungen aus den Bereichen
- Feld 1: production (= Produktion),
- Feld 2: enablers (= Ermöglicher) und
- Feld 3: solution (= Lösung) im Product Field für das Safety Bike ersetzt.
Der so gebildete vollständige Satz, der Core/Context Fit für die Ressourcen belegt, lautet:
Die Ressourcen, die das Safety Bike benötigt: Moderne Massenfertigung greift auf den Kettenantrieb zurück, um ein Zweirad mit gleich großen Rädern zu bauen.
Voilà – das Safety Bike in vier Sätzen auf den Punkt gebracht! Und das gleiche könnt ihr jetzt mit eurem Produkt probieren.
Praxis-Tipps
Beim Zusammenbauen der Sätze könnt ihr die Beschreibungen, durch die ihr die Klammer-Ausrücke ersetzt, nacheinander durchspielen und unterschiedliche kombinieren. Ihr solltet mindestens einen sinnvollen Satz je Attribut, das ihr checkt, erhalten und die Sätze sollten zusammengesetzt Sinn ergeben.
Falls nicht, ist eines der folgenden Dinge passiert:
Wenn ihr jeweils sinnvolle, aber untereinander komplett unzusammenhängende Sätze erhaltet, habt ihr möglichweise eine Produktvermischung entdeckt. Wenn ihr z. B. drei sinnvolle, aber voneinander unabhängige Kombinationen Nutzer/ Motivation/ Problem findet, dann sind die Problemlösungen vielleicht besser in drei einzelnen Produkten aufgehoben.
Wenn keiner der resultierenden Sätze Sinn ergibt, dann habt ihr eine Inkonsistenz bzw. einen Mismatch oder ein wichtiges fehlendes Attribut identifiziert. Ein Beispiel für ersteres wäre, dass eure Ziele nicht mit den Treibern eures Projekts zusammenpassen; ein Beispiel für letzteres, dass ein wesentlicher Treiber fehlt, um die strategischen Ziele zu verwirklichen.
Wenn ihr verwaiste Attribute findet, denen jeweils ein oder zwei Gegenstücke zur sinnvollen Vervollständigung des Satzes fehlen, dann habt ihr entweder ein Attribut identifiziert, das eigentlich nicht zu eurem Produkt gehört, oder ihr habt ein bis zwei fehlende weitere Attribute identifiziert.
Im ersten Fall könnte etwa ein möglicher Nutzer in euer Mapping gerutscht sein, für den ihr gar kein Problem löst, und der daher gar nicht in eure Nutzerschaft passt. Im zweiten Fall könnte etwa eine bestimmte Ressource fehlen, die ihr eigentlich zur Produktion eurer Lösung benötigt.
Wenn euch eines dieser Dinge passiert: Toll! Denn jetzt habt ihr die Möglichkeit, euer Produkt sehr früh in der Entwicklung zu ‘fixen’: Ihr könnt so lange Attribute ergänzen oder überarbeiten, bis ihr Core/Context Fit habt, lange bevor ihr anfangt, das Produkt zu bauen und zu launchen.
Wenn ein Attribut nicht nur in eurer Darstellung fehlt, sondern auch in eurer tatsächlichen Arbeit am Produkt, wenn ihr also ein echtes Defizit eurer Produktentwicklung ausgemacht habt: Markiert es euch!
Denn das wird ein wichtiger Input für die Bewertung eurer Situation in der Produktentwicklung sein, die wir uns im nächsten Teil der Serie vornehmen.
So geht’s weiter:
Wie ihr mit dem Product Field evaluiert, wo eure Stärken und Schwächen in der Produktentwicklung liegen, wie ihr eure Situation visualisiert und wie ihr die passenden Methoden wählt, um diese Situation zu verbessern, erfahrt ihr in der nächsten Folge.
Zu den Personen:
Entwickelt haben das Product Field Wolfgang Wopperer Beholz, Co-Founder mindmatters und betahaus Hamburg, Klaus-Peter Frahm, Leiter Business Development news aktuell und Michael Schieben, Geschäftsführer precious design studio .
Die drei haben mit dem Product Field erfolgreich in so unterschiedlichen Kontexten wie dem dpa next lab, dem Hamburger next media lab und der comdirect Startup Garage gearbeitet. Das Tool ist also gründlich praxiserprobt und hilft Startups, Acceleratoren und etablierten Unternehmen dabei, ihr Product Thinking zu schärfen.
Bisher erschienen in der Serie Startup Challenges:
Ohne die richtige Motivation ist alles nichts
Kreativität: So kommt man auf richtig gute Ideen
Product Thinking mit dem Product Field – so geht es!
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Bilder alle © Product Field