15 Fragen an Kerstin Schilling
“Von Schambach habe ich gelernt, Unternehmer zu sein”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Sehr viel. Ich bin sehr neugierig, was neue Erfahrungen angeht und treffe gerne Entscheidungen und will dafür auch die Verantwortung tragen.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Mein Zwillingsbruder Karsten Schneider und sein damals 18-jähriger Geschäftspartner Stephan Schambach lockten mich 1997 von der Leipziger Messe in ihr damaliges Start-up Intershop. Da habe ich von den beiden gelernt, was es heißt, Unternehmer zu sein. Von dem Moment an war ich für ein Angestelltendasein im Grunde verloren. Nach der großen Umstrukturierung bei Intershop bin ich 2003 dann selbst zur Gründerin geworden.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Die Finanzierung konnte ich mit meinen Partnern aus privatem Kapital stemmen.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Ich bin seit dem Jahr 2003 in die Gründung von vier Unternehmen involviert und habe dabei gelernt, wie wichtig es ist, die wirklich richtigen Partner mit ins Boot zu nehmen. Da habe ich Lehrgeld gezahlt und auch menschliche Enttäuschungen erleben müssen.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Bei Investitionen mehr auf Partner setzen. Aber eigentlich habe ich nicht den Wunsch, rückwirkend etwas zu ändern. Ich bin genau dort angekommen, wo ich hin wollte. Und aus Fehlern konnte ich immer am besten lernen.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Gute PR und mein persönliches Netzwerk.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Mit meinem Zwillingsbruder Karsten Schneider bin ich operativ schon immer eng verbunden. Stephan Schambachs strategische Ratschläge waren und sind für mich stets sehr wertvoll. Und der dritte Mann in diesem Zusammenhang ist Reinhard Hoffmann, der Gründervater der E-Commerce Genossenschaft, ehemaliger Geschäftspartner und immer noch Freund.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Der Traum vom Gründen geht ja meist so: Ich habe eine gute Idee, sammle das Geld zur Verwirklichung ein und schaffe schnell den Exit. Aber funktioniert das? Die wichtigste Voraussetzung ist, dass man von seiner Idee absolut überzeugt ist. Man muss sie zu seinem Baby machen, es, wenn sie so wollen, großziehen. Und gleichzeitig bereit sein, im richtigen Moment loszulassen. Das ist als Mutter genauso schwierig, wie als Unternehmerin und erfordert in beiden Fällen viel Selbstreflexion.
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Bis heute konnte mir kein Wirtschaftspolitiker erklären, warum es in Deutschland nicht möglich ist, steuerliche Rückstellungen für Personalausgaben vorzunehmen. Darüber würde ich gerne mit Herrn Gabriel sprechen. In unserer Gesellschaft zählt die Investition in die Köpfe. Investitionen in Menschen und ihre Kreativität sind mindestens so wichtig wie in Maschinen und den beliebten Dienstwagen.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Ich bin 1960 in der DDR geboren. Ich war demzufolge beruflich schon in vielen Bereichen unterwegs. Ich habe bei der Post, im Theater, einer politischen Stiftung und bei der Leipziger Messe gearbeitet. Aber irgendwie läuft bei mir alles auf die Berufsbezeichnung Unternehmerin zu. Ich glaube, das ist für mich alternativlos.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Die deutsche Start-up Szene kenne ich natürlich über die letzten 25 Jahre. Ich würde gerne mal bei einem erfolgreichen Start-up in unserem Nachbarland Polen hinter die Kulissen schauen.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In die Barockzeit. Ich habe den Verdacht, dass die Menschen damals ihrer Kreativität auch keine Grenzen gesetzt haben.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
In Unternehmensgründungen investieren. Speziell in solche von jungen Frauen. Denn die sind nach wie vor unterrepräsentiert. Ich möchte gerne herausfinden, woran das liegt und auch Abhilfe schaffen.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Ich besuche einen Gottesdienst in einer der kleinen Dorfkirchen im nördlichen Umland von Leipzig. Und danach gibt es in unserem über 500jährigen Bauernhaus einen Brunch mit meiner vier Generationen Familie, zu dem meine Töchter, Nichten und Neffen auch ihre Freunde mitgebracht haben.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit Angela Merkel, gerne bei einem Bier. Sie hat ein paar Jahre vor mir ebenfalls in Leipzig Physik studiert. Ich nutze Systematik und Logik, um meine eigenen Entscheidungen zu finden und umzusetzen. Sie dagegen ist auf Mehrheiten angewiesen. Wie man da taktisch vorgeht, das interessiert mich.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person
Kerstin Schilling studierte Mathematik und Physik in Leipzig und arbeitete dort zunächst als Lehrkraft an der Fachschule für Energietechnik. Bis 2003 war Schilling Leiterin der Marketingabteilung der Intershop Communications AG. Mit ihrem Zwillingsbruder, dem Intershop-Gründer Karsten Schneider, gründete und betrieb sie den Online Fotoservice Pixaco der später an HP (Snapfish) verkauft wurde. Im Oktober 2013 gründete sie Kontaktlinsenlounge.de, einen Shoppingclub für Kontaktlinsenträger.
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