Die Employour-Macher im Interview

“Bochum ist eine der wohl meist unterschätzten Städte”

"Im Ruhrgebiet ist es einfacher, positiv aus der Masse hervorzustechen, weil es nicht so viel Konkurrenz gibt. Wir müssen hier nicht so hart um gute Bewerber kämpfen, die in einem kleinen Team arbeiten wollen, wie die Berliner Kollegen", sagt Stefan Peukert von Employour.
“Bochum ist eine der wohl meist unterschätzten Städte”
Donnerstag, 26. November 2015VonAlexander

Mit dem Employour-Exit an Gruner + Jahr kann auch der Kohlenpott nun eine millionenschwere Übernahme vorweisen. Auch nah der Übernahme bleiben Stefan Peukert (Foto: links) und Daniel Schütt bei ihrem Unternehmen, zu dem meinpraktikum.de, Ausbildung.de, Karista.de, Trainee.de und meineuni.de gehören an Bord. Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen Peukert und Schütt über talentierte Bewerber, Gleichgesinnte und Currywürste.

Wenn es um Start-ups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Start-up-Standort?
Peukert: Es leben rund zwei Millionen mehr Menschen im Ruhrgebiet als in Berlin – eigentlich also gar nicht verwunderlich, dass hier viel kreatives Potenzial schlummert. Eine gute Infrastruktur und ein großes Netzwerk an Hochschulen tun ihr übriges. Es gibt also jede Menge gut ausgebildete junge Menschen mit spannenden Ideen und das ist die Grundvoraussetzung für einen guten Start-up-Standort. Hinzu kommt, dass hier die Konkurrenz unter den Start-ups geringer ist als beispielsweise in Berlin und es leichter ist, talentierte Bewerber aus der Region für das eigene Unternehmen zu gewinnen.

Was macht speziell den besonderen Reiz der Startup-Szene in Bochum aus?
Schütt: Die Bochumer Startup-Szene ist klein, aber dafür sehr gut vernetzt. Wir von Employour sitzen mitten im Bermuda3eck, dem Kneipen- und Szeneviertel der Stadt, gleich nebenan beispielsweise die Codeschmiede 9elements. Und wir sind nicht alleine – es gibt zahlreiche andere interessante Gründungen hier, die miteinander im regen Austausch stehen.

Für viele ist es aber halt nur Bochum.
Schütt: Bochum ist eine der wohl meist unterschätzten Städte Deutschlands. Es gibt hier mehr als Industriekultur und Currywurst – auch wenn beides allein sich schon lohnt. Wir haben in Bochum neun Hochschulen mit fast 60.000 Studenten, die Stadt ist also alles andere als grau. Zudem liegen wir schön zentral im Ruhrgebiet und sind auch gut mit den Gründern aus Essen und Dortmund vernetzt.

Was ist im Ruhrgebiet einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Peukert: Im Ruhrgebiet ist es einfacher, positiv aus der Masse hervorzustechen, weil es nicht so viel Konkurrenz gibt. Wir müssen hier also nicht so hart um gute Bewerber und Tech-Talente kämpfen, die in einem kleinen Team arbeiten wollen, wie die Berliner Kollegen. Zudem werden wir weniger „abgelenkt“ – es gibt hier einfach nicht so viele Events und Treffs für Startups, sodass man sich mehr auf sein Produkt fokussieren muss. Große Vorteile von Berlin sind wiederum das Image der Stadt und der gute Ruf der Szene, der viele talentierte Leute anzieht. Es gibt mehr Angebote für Gründer und es ist viel leichter, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Auch die ganze Startup-Presse, wie ihr, sitzt in der Hauptstadt. Darüber hinaus findet man leichter Zugang zu Investoren, einfach weil sie vor Ort und so eher ansprechbar sind.

Was fehlt im Ruhrgebiet noch?
Peukert: Mehr mutige Gründer, die das Potential, das hier im Ruhrgebiet zweifelsohne vorhanden ist, ausnutzen.

Vielleicht hilft der Employour-Exit an Gruner + Jahr, dieses Potenzial zu heben. Warum eigentlich der Verkauf?
Schütt: Seit der Gründung von Employour haben wir jedes Jahr ein neues Portal ins Netz gestellt und haben so die Welt des digitalen Personalmarketings aktiv mitgestaltet. Daniel und ich haben lange diskutiert, ob wir diesen Weg weiter alleine bestreiten können und wollen oder mit einem starken Partner an der Seite besser aufgestellt sind. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir mit dem Zusammenschluss schneller unsere Ziele erreichen können, um auch in Zukunft ganz vorne im Nachwuchskräfterecuting und Employer Branding mitzuspielen.

Ist Gruner + Jahr an Sie heran getreten – wie muss man sich so einen Verkaufsprozess vorstellen?
Peukert: Wir kennen Gero und Christian von embrace schon länger und hatten, trotz der Konkurrenzsituation von blicksta und Ausbildung.de, immer ein gutes Verhältnis zueinander. Beim HR Excellence Award letztes Jahr haben wir nach der Preisverleihung eher scherzhaft darüber geredet, dass wir uns eigentlich zusammentun müssten. Als wir dann dieses Jahr entscheiden haben, uns einen starken Partner zu suchen, war Bertelsmann dann natürlich einer der logischen Optionen. Wir haben dann erste Vorgespräche geführt und schnell gemerkt “Das macht Sinn” und sind von dort aus in Verhandlungen getreten.

Warum haben Sie sich für Gruner + Jahr entschieden?
Peukert: Eine Voraussetzung für den Zusammenschluss war, dass unser Team sowie unser Standort sicher sind. Das war mit embrace überhaupt kein Thema – im Gegenteil, unsere Kompetenzen greifen so gut ineinander, dass wir voneinander nur profitieren können. Unsere Kunden haben uns beispielsweise schon oft gefragt, ob wir Agenturleistungen anbieten. Anstatt selber etwas aufzubauen, können wir nun auf die Expertise von embrace zurückgreifen. Andersherum haben wir viel Wissen im Bereich SEO, Vertrieb und Contentstrategie, was wiederum den Portalen von embrace zugutekommt.

Wo steht Employour in einem Jahr?
Schütt: Immer noch in Bochum, aber mit mehr Mitarbeitern und einem größeren Portfolio. Unser Zusammenschluss wird in den kommenden Monaten bereits erste Früchte tragen: Wir haben für Anfang 2016 ein spannendes Projekt geplant und wie immer viele Ideen für unsere Portale in der Schublade.

Passend zum Thema: “Ist das Ruhrgebiet die nächste Start-up-Hochburg?” und “10 % aller deutschen Start-ups sind in Rhein-Ruhr Zuhause“.

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.