Gastbeitrag von Kathrin Treutinger
Innsbruck – wo Start-ups noch etwas besonderes sind
“Wien, Wien, nur du allein” heißt eines der bekanntesten Lieder auf die schöne Donaustadt. Was einst der österreichische Komponist Rudolf Rudolf Sieczynski schrieb, mag stellenweise richtig sein, für die Start-up Szene hingegen ist diese Beschreibung nicht ganz zutreffend. Denn: neben Wien bilden sich in ganz Österreich neue Standorte für junge Unternehmen aus. Eines davon ist Innsbruck, eine Stadt, die dank Universität und aktiven Gründern versucht, auf sich aufmersam zu machen. Über dieses und vieles andere berichtetn wir regelmäßig in unserem Themenschwerpunkt Österreich.
Innsbruck, die Hauptstadt der Alpen, ist ein äußerst beliebter Ort bei Bergsportlern und asiatischen Touristen. In der Start-up Szene ist die Stadt allerdings noch kaum bekannt. Warum eigentlich? Als „Zuagroasta“ (Zugereister) ist es vielleicht nicht immer einfach, den Urtiroler zu verstehen, aber Innsbruck ist durch seine 27.000 Studenten, welche gut 20 Prozent der Bewohner ausmachen, doch eine sehr junge und dynamische Stadt und im Tourismusbereich definitiv ein Vorreiter.
Und ja, es tut sich auch etwas in der Start-up Szene! Während vor einigen Jahren Start-up Events aufgrund von Teilnehmermangel noch abgesagt werden mussten, erlebt Innsbruck im Moment ein rapides Wachstum und es herrscht Aufbruchsstimmung. Kleine und große Veranstaltungen für Unternehmer und unternehmerisch Interessierte entstehen, Start-ups erhalten mehr Sichtbarkeit und Fördergelder fließen.
Verbindung von Theorie und Praxis – die Entrepreneurial University
Auch die Universität Innsbruck hat sich in den letzten Jahren verstärkt auf das Thema Entrepreneurship konzentriert und erwähnt die Förderung von diesem sogar explizit in der aktuellen Leistungsvereinbarung mit dem Staat. Neben „transidee“, einer Wissens- und Technologietransfereinrichtung sowie dem projekt.service.büro welches die Sicherung und Verwertung von geistigem Eigentum zur Aufgabe hat, setzt die Universität verstärkt auf die Vermittlung von unternehmerischen Kompetenzen. 2012 entstand die Stiftungsprofessur Innovation & Entrepreneurship und im Zuge dessen wurde kontinuierlich das Angebot an akademischen Entrepreneurship Kursen ausgebaut.
Auch wenn die Vision „jeder Student sollte während seines Studiums mindestens einen Entrepreneurship Kurs belegt haben“ von Johann Füller, Professor für Innovation und Entrepreneurship an der Universität Innsbruck, noch nicht erreicht wurde, gibt es inzwischen auch für Nicht-BWL Studenten Entrepreneurship als Wahlfach. Die Stiftungsprofessur (in Deutschland gleichzusetzen mit einem Lehrstuhl) ist derzeit noch relativ klein aber ambitioniert und realisiert neben Lehre und Forschung verschiedene Projekte zur Förderung von Unternehmertum in Innsbruck und Tirol.
Förderung – Fördergeld
Des Weiteren kooperiert die Universität eng mit den drei anderen in Innsbruck vertretenen, öffentlichen Playern welche sich im Bereich Entrepreneurship engagieren: der Wirtschaftskammer Tirol (kurz: WKT), der Standortagentur Tirol und dem Center for Academic Spin-offs Tyrol (kurz: CAST). Auch wenn es teilweise zu Überschneidungen kommt, hat jede der drei Institutionen einen eigenen Fokus.
Die WKT sieht sich als Sprachrohr der Unternehmer in der Politik und unterstützt KMUs durch Beratung. Für Start-ups ist hierbei besonders das Fachwissen bei rechtlichen und steuerlichen Fragen interessant sowie Fragen zu der Unternehmensform.
Wie der Name schon verrät, beschäftigt sich die Standortagentur mit dem Standort Tirol und fördert Unternehmensansiedlungen sowie die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Start-ups und Jungunternehmer werden mit Events wie dem „120 Sekunden Ideencasting“ oder „AdventureX“ angesprochen. Hier gibt es neben Beratung auch immer wieder die Chance kleinere Geldpreise zu gewinnen welche Startups in der frühen Phase als erste Finanzierung nutzen können.
Last, aber sicherlich nicht least, ist das CAST zu erwähnen. Diese Organisation unterstützt Startups aus dem akademischen Bereich bei der Umsetzung ihrer Idee. Akademische Jungunternehmer erhalten z.B. Beratung sowie Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Geschäftsplans und der Suche nach Finanzierung. Kleinere Beträge bis circa 50.000 Euro können unter bestimmten Bedingungen auch selbst vom CAST investiert werden, ansonsten unterstützten sie beim Beantragen anderer öffentlicher Fördergelder wie z.B. von der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft) oder der AWS (Austria Wirtschaftsservice).
Und auch wenn es um die Organisation von Start-up Events geht, ist das CAST sehr engagiert. Neben mehreren eigenen, gut besuchten Events wie z.B. dem Startup Day, haben sie vor kurzen die FuckUp Night endlich auch nach Innsbruck geholt und beteiligen sich finanziell an verschiedenen anderen Events wie z.B. StartUp Live Innsbruck, dem ersten Tiroler Stupid Hackathon oder Skinnovation.
Start-ups in Innsbruck – so selten wie der Yeti!?
Events ist ein gutes Stichwort wenn es darum geht, das Startup Öko-System der Stadt in Schwung zu bringen. Auch wenn sich der Kern der Szene und ins Besonderes die öffentlichen Player gut untereinander kennen und vernetzt sind, gilt dies nicht immer für die Start-ups. Vielleicht kann man sie mit Alpentieren vergleichen. Sie sind definitiv da, aber nicht immer sichtbar. Neue bzw. unbekannte Start-ups und Jungunternehmer trifft man bei fast jedem Event. Neben einigen wenigen Start-ups welche eine gute öffentliche Präsenz haben, scheinen viele Start-ups aus dem Geheimen zu operieren, was bei oft wirklichen coolen Produkten nicht immer verständlich ist. Daher nehmen Start-up Events eine wichtige Rolle bei dem Aufbau der Start-up Szene in Innsbruck ein. Außerdem sprechen viele niederschwellige Events auch sogenannte Pre-Entrepreneure an, Personen mit potentiellem Interesse am Unternehmertum, aber bisher ohne eigene Idee. Dies gilt besonders für Studenten, welche es reichlich in Innsbruck gibt. Vielen von ihnen haben eine Karriere als Unternehmer nicht auf dem Radar, attraktive Angebote und eine Stärkung der Szene führen aber oft zu einem Umdenken.
Ein sicherlich einmaliges Startup Event für Innsbruck ist Skinnovation, ein Entrepreneurship Festival auf Ski. Nach einem erfolgreichen Piloten im Februar 2014 aus dem unter anderem der Start-up Blog Startalps.co entstanden ist, wird Skinnovation im März 2016 zum zweiten Mal stattfinden. Es werden über 200 Teilnehmer aus ganz Europa erwartet, welche drei Tage lang gemeinsam Ski fahren, Workshops auf Skihütten besuchen und ihre Ideen nicht im Aufzug sondern im Skilift vor Investoren pitchen. Fokus des Festivals sind Ideen und Startups aus dem Alpin- und Sportbereich, also typisch für Innsbruck. Ein Innsbrucker Start-up aus diesem Bereich ist zum Beispiel Spurart, welches maßgefertigte Qualitätsski in Handarbeit baut. Allgemein hat die Innsbrucker Start-up Szene aber nicht nur Start-ups aus diesem Bereich zu bieten, sondern es lassen sich auch Cluster im Bereich IKT und Dienstleistungen identifizieren. Zwar nicht in dieses Cluster fallend, aber sicherlich erwähnenswert, ist auch Zirb. Die drei Jungs, Studenten im letzten Atemzug ihres Studiums, bauen Zirbenholzlüfter. Dies klingt erstmal nicht so innovativ, überzeugt aber durch ein überaus kreatives Verpackungs- und Vermarktungskonzept.
Innsbruck – Inn Valley?
Natürlich kann man Innsbruck nicht mit Wien oder Berlin vergleichen. Die Szene ist noch relativ regional und die wenigen Internationalen, wenn es keine Touristen sind, kommen oft über die Universität nach Innsbruck. Es gibt keine ungezählten Accelerators und Co-Working Spaces. Die Szene kennt sich und auch die öffentlichen Institutionen arbeiten eng zusammen. Ab und zu gibt es kleinere Rivalitäten, aber am Ende des Tages findet man sich doch an einem gemeinsamen Tisch wieder. Und vielleicht macht gerade diese Beschaulichkeit Innsbruck eine attraktive Start-up Location. Eingebettet zwischen Nordkette und Patscherkofel, liegt Innsbruck nicht nur sehr idyllisch, sondern bietet aus fast jedem Büro ab dem 2. Stock einen atemberaubenden Ausblick auf die Berge. Innsbruck ist ein absolutes Paradies für jeden Bergsportler und ein sicherlich nicht unerheblicher Anteil an Studenten hat Innsbruck aus diesem Grund als Studienstadt gewählt. Kann dies auch für Start-ups gelten? – Die Lebensqualität ist ausgezeichnet, nach Feierabend kann man nochmal schnell „hoch auf den Berg“ und durch die Universität, Fachhochschule und verschiedenen Berufsschulen gibt es viele gut ausgebildete, potentielle Mitarbeiter welche auch gern in Innsbruck bleiben.
Innsbruck hat das Potential, um sich in der Start-up Szene zu positionieren, und neben der Alpenhauptstadt vielleicht auch noch Start-up-Capital für Sport- und Alpinstart-ups zu werden. – Es bleib spannend und für bergsportbegeisterte Start-upler lohnt es sich definitiv, mal vorbeizuschauen.
Über die Autorin:
Kathrin Treutinger promoviert an der RWTH Aachen im Bereich Entrepreneurship und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Innsbruck. Nach erster Startup Erfahrung bei Ampion, einer NGO welche Tech-Entrepreneurship in Afrika fördert, hat Kathrin kurz nach ihrem Umzug in Innsbruck Skinnovation gegründet, das erste Start-up Event auf Ski.