Von Team
Donnerstag, 15. Oktober 2015

Warum Anwendertests erste Startup-Pflicht sind

Die Durchführung von Anwendertests ist eine gute Methode, um frühzeitig Fehlentwicklungen bzw. Überflüssiges zu identifizieren. Anwendertests ermöglichen frühzeitig die Optimierung von Funktionen und Prozessen und helfen dadurch unnötige Aufwendungen zu vermeiden.

“Wir wissen, was wir bauen müssen” ist eine kostspielige Einstellung und dennoch unter Start-ups weit verbreitet. Unternehmer neigen oftmals dazu, ihre Lösung mehr zu lieben als das Problem –nicht nur Steve Jobs emittierte ein Reality Distortion Field. Dabei hat das frühe Testen für Start-ups einen großen Vorteil: Was kein Anwender braucht bzw. bezahlen möchte, muss nicht gebaut und unterhalten werden. Ressourcen können anderweitig besser zum Einsatz gebracht werden, was dazu beitragen könnte, dass die Runway ggf. bis zum übernächsten Meilenstein reicht – eine bessere Bewertung in der Folgefinanzierung eingeschlossen.

Über Sinn und Zweck von Anwendertests

Beim Testen von Software – von Websites, mobilen Apps oder Desktop-Software – unterscheidet man prinzipiell zwischen zwei Arten von Tests: quantitative und qualitative Tests.

Quantitative Tests werden in der Regel genutzt, um die Wirksamkeit einer Maßnahme im realen Umfeld mit quasi wissenschaftlichen Methoden zu ermitteln. Ein Beispiel hierfür wäre ein A/B-Test zur Optimierung einer Conversion-Rate mit zwei unterschiedlichen Versionen eines Call-to-Action-Elements (z. B. ein Button). Google ist bekannt dafür, exzessiv alles Mögliche im Rahmen von quantitativen Tests zu untersuchen. Man scheint dabei von Zeit zu Zeit ein wenig über das Ziel hinauszuschießen, wenn man Douglas Bowman Glauben schenken darf: “Goodbye, Google“.

Auf diese quantitative Art und Weise lassen sich bestimmte Prozesse gut optimieren, z.B. die Registrierung neuer User oder der Sales-Funnel. Das Verfahren basiert auf der Auswertung von Besucherdaten und bedarf daher einer gewissen Teilnehmeranzahl, bevor das Resultat als statistisch relevant gelten kann.

Qualitative Tests werden hingegen genutzt um zu verstehen, wie es um die Nutzbarkeit bzw. die Usability einer Applikation bestellt ist. Im Gegensatz zu quantitativen Tests geht es bei dieser Art von Tests um die Frage, warum sich Anwender auf eine bestimmten Art und Weise verhalten. Diese Informationen sind über quantitative Tests nicht zu ermitteln.

Qualitative Usertests funktionieren in der Praxis gut, da die wichtigsten Probleme einer Website oder Applikation in der Regel einfach aufzuspüren sind. Wenn zum Beispiel vier von fünf Testteilnehmern ein Feature nicht oder anders verwenden als ursprünglich gedacht, dann sollte dies Anlass zu einer Änderung sein. Man muss für diese Erkenntnis nicht erst einen weiteren Test mit einer größeren Stichprobe an Teilnehmern durchführen – der Grenznutzen eines jeden weiteren Tests nimmt dabei kontinuierlich ab..

Die beschriebenen Vorteile machen Anwendertests zu einem wichtigen Bestandteil aller agilen Methoden der Produktentwicklung. Im Rahmen der Lean-Startup-Methode verkörpern Anwendertests einen Teil des Product-Discovery-Prozesses, und den Product Owner des Scrum-Prozesses unterstützen sie bei der Entwicklung der Product Roadmap – egal in welchem Dialekt agiler Methoden letztlich gearbeitet wird.

Wann soll man mit dem Testen beginnen?

Die Antwort ist meiner Erfahrung nach einfach: Sehr früh im Lebenszyklus einer Idee. Aus der Sicht des Produktmanagements ist die frühzeitige Validierung von Hypothesen der wichtigste Arbeitsschritt der Product Discovery.

Es ist ein Irrglaube, dass Anwenderinterviews nur dann sinnvoll sind, wenn die Teilnehmer im Laufe des Interviews bereits mit einer voll funktionsfähigen Beta-Version des Neuen arbeiten können. Das Gegenteil ist der Fall – nicht nur Klick-Dummies, sondern selbst Servietten mit Skizzen oder Papierprototypen sind dankbare Testobjekte und werden von den Testteilnehmern auch gut angenommen.

Zusammenfassung

Die Durchführung von Do-it-yourself-Anwendertests ist eine gute und kostengünstige Methode, um frühzeitig Fehlentwicklungen bzw. Überflüssiges zu identifizieren. Anwendertests ermöglichen frühzeitig die Optimierung von Funktionen und Prozessen und helfen dadurch unnötige Aufwendungen zu vermeiden.

Sie sind damit elementarer Bestandteil des Product-Discovery-Prozesses, da sie schnell und kostengünstig das Testen von Hypothesen erlauben. Sie tragen wesentlich dazu bei, die Investitionsentscheidung für eine wertvolle, nutzbare und technisch machbare Funktion auf den wirtschaftlich letztmöglichen Zeitpunkt verschieben zu können.

Je früher mit dem Testen daher begonnen wird, desto besser wird das Resultat sein, selbst wenn dieses darin besteht, dass eine Idee eingestampft wird.

(Auszug aus dem E-Book “Lean User Testing“, welches bis zum 20. Oktober 2015 kostenlos bei Amazon verfügbar ist).

Passend zum Thema: “7 Tipps für gute Ergebnisse beim A/B-Testing” und “A/B-Testing-Fehler, die Start-ups immer wieder machen“.

Zum Autor
Stefan Wolpers arbeitet als Agile Coach und Produktmanager in Berlin. Er bloggt unter Age Of Product und twittert unter @StefanW.

Foto: Abstract style illustration depicting printed circuit board components from Shutterstock