“Wir haben verschiedenste Fragen und Szenarien geprobt”
Seit einigen Wochen flimmert bereits in der zweiten Staffel die Unternehmer-Castingshow “Die Höhle der Löwen” über den Bildschirm und beschert dem Sender Vox wieder einmal Traumquoten. Die jungen Unternehmer pitchen zunächst vor der Jury, die bestenfalls an das Businessmodell glauben und entscheiden, ob und wie viel Geld sie in die jeweilige Teams investieren wollen. Geld, dass junge Unternehmer dafür brauchen, die eigene Geschäftsidee voranzubringen
Mit ihren Aftershave-Balms aus Minze, Rosmarin und Hamamelis-Extrakt hat das Frankfurter Unternehmen Dr.Severin um Gründer Peter Hart die Löwen überzeugt. Judith Williams, Shopping-Kanal Queen, und Frank Thelen investieren ein brauchbares Sümmchen für den weiteren Unternehmensaufbau. Wie hilfreich eine Teilnahme an “Die Höhle der Löwen” für ein Unternehmen sein kann, über die richtige Vorbereitung zur Sendung und über die weiteren Schritte nach der Investitionen nun folgen werden, hat deutsche-startups mit Peter Hart gesprochen.
Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum Investment in Höhe von 200.000 Euro bei “Die Höhle der Löwen”. Welches Businessmodell hast du den Löwen vorgestellt?
Ein skalierbares, online und international aufgestelltes Unternehmen. Wir nutzen drei große Trends: Die Haarenfernung am Körper, Online-Shopping und Bio-Produkte. Unser Markt, Revenue Model:
Fokus auf Online-Direktvertrieb. Hier realisieren wir den Hauptteil der Umsätze (90%) und die größte Marge, mit durchschnittlich 50%. Offline haben wir Apotheken als Vertriebskanal aus Gründen des Image-, Preis- und Wirkungskonzeptes gewählt. Production Strategy: Aktuell führen wir Original- und Bio-Linie. Anfang 2016 wollen wir eine Propolis-Version als High-End Produkt auf den Markt bringen. 2016 soll dann ein innovatives Meersalz Peeling folgen. Für Drogerien ist ein Low-End Produkt geplant. Marketing Strategy: Dr. Severin ist die Marke, die Probleme löst. Angesiedelt im oberen Preisbereich und mit klassischer Apotheken-Optik gehen wir mit dem Megatrend der Wirkungsprodukte im Kosmetikbereich.
Die erste Einschätzung der Löwen war zunächst kritisch. Womit hast du sie nach schlussendlich doch überzeugen können?
Besonders beeindruckt war die Jury von den Verkaufszahlen (#1 der am meisten verkauften Aftershave-Balms bei Amazon) und dem Customer Aquisition Apporoach. Wir haben bei der Vermarktung festgestellt, dass wir uns online in einem sich schnell verändernden Markt befinden. Es entstehen laufend neue Trends für Social Media Plattformen, die von Nutzern rapide adaptiert werden, während die werbenden Unternehmen erst mit Verzögerung nachziehen. Dadurch ergeben sich gewissermaßen Arbitragen bei den Klickpreisen (CPC), die man bei schneller Umsetzung nutzen kann. Da wir mit begrenztem Kapital beim Bieten um Reichweite antreten, müssen wir diesen Vorteil gegenüber größeren oder fremdfinanzierten Unternehmen nutzen.
In welcher Unternehmensphase hast du an der HdL teilgenommen?
Unser Fokus liegt im Moment auf der Internationalisierung unseres Unternehmens: wir verkaufen unsere Produkte in 26 europäische Länder und Nordamerika. Wir sind also gerade auf dem Sprung aus der “Early Stage”.
Welche Schritte hattest du bis dahin bereits zur Investorenansprache unternommen? Was waren hierbei deine Erfahrungen?
Wir haben uns bereits vorher mit Investoren unterhalten und verschiedene Szenarien durchgespielt. Die Erkenntnis daraus war, dass wir einen stategischen Partner mit starken Kontakten brauchen und nicht nur Kapital.
Die Erfahrungen mit Investoren waren durchweg positiv, viele wollten aber erst zwei fertige Jahresabschlüsse sehen – somit waren wir ihnen als Unternehmen noch zu jung.
Wie hast du dich auf die Teilnahme an der Sendung vorbereitet?
Um der massiven Nachfrage durch die Ausstrahlung gerecht zu werden, haben wir vorher die Produktion massiv hochgefahren. Außerdem haben wir die maximalen Kapazitäten unserer Homepage erhöht.
Wir haben verschiedenste Fragen und Szenarien geprobt, um alles möglichst eloquent und fundiert beantworten zu können. Das hat besonders Jochen Schweizer und Frank Thelen gefallen.
Hattest du das Gefühl, dass die Sendung ein Ort ist, an welchem junge Unternehmer stattfinden müssen?
Ja, die Sendung ist sicherlich ein hocheffektiver Weg, um Reichweite zu gewinnen. Ich könnte keinem, der seine Idee gut durchdacht hat, davon abraten. Sicherlich gibt es Unternehmen, die in der Show weniger gut weggekommen sind, aber auch die haben massive Umsatzsteigerungen erfahren – und Vertriebspartner- und Investorenaufmerksamkeit erhalten.
Wie waren die Reaktionen nach Ausstrahlung deines Auftritts?
Die Sendung haben wir sofort gespürt. Wir hatten fast den gesamten Umsatz von 2014 innhalb von 24 Stunden. Wir arbeiten jetzt, 3 Wochen später noch 7 Tage die Woche und über 12 Stunden pro Tag. Im August 2015 hatten wir somit über 180.000 Euro Umsatz, etwa 15 mal soviel wie im selben Monat des Vorjahres.
Bei diesem Wachstum die Unternehmensstruktur und Infrastruktur parallel mitwachsen zu lassen, um nicht an Grenzen zu stoßen, war eine der größten Herausforderungen für uns bisher. Hier mussten wir selbst mitwachsen und insb. für weiteres Wachstum möglichst viel skalierbar aufstellen.
Wir wurden begeistert von anderen Investoren bezüglich der hohen Preisspanne zwischen reinen Produktionskosten und Verkaufspreis angesprochen. Hier mussten wir allerdings erkären, dass es sich um ein Produkt handelt, das wir ohne Tierversuche gemeinsam mit Medizinern und Pharmazeuten entwickelt haben. Im Preis spiegeln sich somit einerseits Forschung- und Entwicklungskosten für die sorgfältig entwickelte Rezeptur wider, andererseits Faktoren wie Mehrwertsteuer, Versandkosten, Personalkosten, Miete, Marketing, Verkäuferprovision und mehr.
Wie sehr profitiert ihr von der PR, die ihr durch die Sendung erfahren habt?
Die Senden haben ca. zwei Mio. Zuschauer verfolgt. Den entstandene Wert durch die Ausstrahlung schätzen wir auf mindestens 500.000 Euro. Nach der Sendung ist das öffentliche Interesse an unserem Unternehmen enorm gestiegen. Wir haben zahlreiche Interviews gegeben, z.B. für die Frankfurter Rundschau, Wirtschaftswoche, Journal Frankfurt, Bild und Handelsblatt.
Was hat sich seither im Unternehmen geändert?
Innerhalb von 24 Stunden, nachdem die Investoren-Sendung „Die Höhle der Löwen“ auf Vox ausgestrahlt wurde, verzeichneten wir einen Umsatzanstieg um 100 000 Euro. Zum Vergleich: 2014 lag der Gesamtumsatz bei 130.000 Euro. Der Umsatz im Moment August war 15 mal so hoch wie im selben Monat des Vorjahres.
Mit unserer Produktpalette an veganen After-Shaves für Frauen und Männer rechnen wir zweieinhalb Jahre nach der Gründung von Dr. Severin mit einem Jahresumsatz von einer halben Million Euro. Um die massive Nachfrage zu bewältigen, haben wir zurzeit zwei neue Teammitglieder an Bord.
Was werdet ihr mit der Investition machen? Wie sehen die Pläne für das kommende Jahr bei Dr. Severin aus?
Zurzeit planen wir die Entwicklung einer dritten Produktlinie mit dem Wirkstoff Propolis. Das Produkt soll Anfang 2016 am Markt erscheinen. Außerdem wollen wir unsere Präsenz in Nordamerika stärken.
Welche Hilfestellung erfahrt ihr nun durch die beiden Investoren, Frank Thelen und Judith Williams?
Wir befinden uns zurzeit in Gesprächen zur Planung der weiteren Vorgehensweise.
Worin liegen deiner Meinung nach die Vor- bzw. die Nachteile an einer Teilnahme in der Sendung?
Die Sendung kann jungen Unternehmen als Sprungbrett dienen. Man erfährt Unterstützung in Sachen PR, Finanzmittel und Expertise. Die Hauptgründe gegen die Teilnahme sind, dass man noch unter dem Radar bleiben möchte oder nicht schlecht dargestellt werden will. Ich bin Verfechter der Theorie, dass jegliche Form von Aufmerksamkeit besser ist als keine.
Fotogalerie: “Die Höhle der Löwen” (2. Staffel)
Wir werfen ein Blick hinter die Kulissen von “Die Höhle der Löwen” und stellen die Jury vor. Einige Eindrücke der etwas anderen Gründer-Show gibt es in unserer kleinen, aber feinen Fotogalerie.