Georg Untersalmberger von Auctionata

“Wir haben relativ lange im Untergrund getüftelt”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Georg Untersalmberger von Auctionata.
“Wir haben relativ lange im Untergrund getüftelt”
Freitag, 4. September 2015VonChristina Cassala

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Es bedeutet, 100 Prozent meiner Energie darauf einzusetzen, gestalten zu können. Und vor allem auch allen meinen Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass sie ebenfalls gestalten sollen. Strukturen und Organisationen, die darauf abgestimmt sind, hierarchisch nur die Dinge umzusetzen, die „ganz oben“ definiert werden, nutzen nie das volle kreative und innovative Potential ihrer Mitarbeiter. Viele gute Leute sind im Regelfall viel schlauer als ein Einzelner.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Mein Mitgründer, Alexander Zacke, war mit dem Problem konfrontiert, dass sich hochwertige Kunstobjekte, Antiquitäten und Sammlerstücke – gemeinhin Luxusobjekte im Sekundärmarkt – über den Online-Kanal nicht mehr zu einem fairen Preis verkaufen ließen, da rund um die großen Marktplätze des frühen 21. Jahrhunderts ein Vertrauensproblem entstanden ist. Mit diesem Problem ist er zu mir gekommen und dann haben wir gemeinsam Auctionata gegründet.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Zunächst von Friends & Family, dann kamen Angel-Investoren dazu und schließlich institutionelle Investoren. Ganz klassisch könnte man sagen.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Bürokratie und die in Europa verbreitete Meinung, dass wenn etwas noch nie gemacht wurde, es auch nicht funktionieren kann.

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Relativ wenig, aber vor allem das Feedback vom Markt noch früher einzuholen. Wir haben relativ lange im Untergrund getüftelt, um mit einem sehr kompletten Produkt online gehen zu können, dabei haben wir aber die Chance auf manch frühes Learning aus dem Markt nicht nutzen können.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
In unserem Markt zählt zuerst das Vertrauen, dann das Vertrauen und am Ende das Vertrauen. Die Marke muss dieses Vertrauen transportieren, daher mussten wir diese zunächst mit vertrauensstiftenden Elementen über PR aufbauen. PR und Brand-Marketing sind die zwei wesentlichsten Marketingbausteine für uns, daneben tragen aber Search und Dialog-Marketing vor allem im Akquisitionskanal wesentlich zu unserem Erfolg bei.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Ich denke es war vor allem das gesamte Gründungsteam, das sich gegenseitig unterstützt hat. Wir waren bzw. sind ja nicht mehr die Jüngsten und Unerfahrensten und konnten so durch das Teilen von Erfahrungen aus früheren Fehlern, die wir alle schon irgendwann einmal gemacht haben, am meisten profitieren.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Findet den bzw. die richtigen Partner und das richtige Team. Die beste Idee ist nichts wert, wenn man nicht die richtigen Leute hat, die an diese Idee und letztlich an die Vision glauben. Und geht nicht zu viele Kompromisse ein. Wenn an euer Geschäftsmodell nicht geglaubt wird, dann muss das nicht heißen, dass das Modell nicht richtig ist, sondern dass ihr noch nicht die richtigen Partner gefunden habt.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Die Versuche, Start-ups direkt zu fördern, bleiben zu lassen. Das dauert alles viel zu lange und löst nicht das Grundsatzproblem. Dieses besteht nicht darin, dass Start-ups eine staatlich unterlegte Finanzierung benötigen, um effektiv sein zu können, sondern dass häufig die Umgebung und Infrastruktur noch nicht besteht, die die Umsetzung des Geschäftsmodells erlaubt.

Wir können die digitale Transformation in einem globalen Kontext nicht anführen, wenn wir keine digitale Infrastruktur und nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben, die Menschen dazu bringen, digitale Dienste mit Freude zu nutzen. Wenn ich z.B. mit meinem Smartphone jedes zweite Mal, wenn ich damit bezahlen möchte, keine ausreichende Netzverbindung habe, verliere ich die Lust daran. Damit killen wir aber digitale Produkte, die zunächst einmal hier in Deutschland Fuß fassen sollten, bzw. müssen.

Deutschlands Autoindustrie ist nicht zuletzt so erfolgreich gewesen, weil das Autobahnnetz und die gesetzlichen Rahmenbedingungen es den Deutschen Freude bereiten, Teil der automobilen Entwicklung und Innovation zu sein. Jetzt gilt es aber, den Zug Richtung digitalisierter Mobilität nicht zu verschlafen.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Wieder das nächste gründen.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei einem der Rocket-Unternehmen, die im afrikanischen Markt tätig sind. Mich verbinden berufliche und persönliche Erfahrungen mit diesem Kontinent und ich würde da gerne mehr Einblick gewinnen. Gerade wenn es um Motivation und Nachhaltigkeit geht, habe ich bei meiner Tätigkeit in Schwarzafrika viel über soziokulturelle Unterschiede und Parallelen erfahren und will noch mehr lernen.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In den Vormärz Deutschlands des 19. Jahrhunderts bzw. das Regency Englands zu gleicher Zeit. Ich kann mich zwar noch erinnern, wie manche Dinge vor der digitalen Revolution abgelaufen sind, aber eine Reise in diese Epoche gäbe mir den authentischen Einblick, wie die Welt zur Hochblüte der industriellen Revolution funktioniert hat. Diese Epoche erscheint mir persönlich von der Gesellschaftsstimmung als die spannendste, vieles war im Aufbruch.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Das hängt stark davon ab, wo dieses Geld herkommt. Wenn es vom Himmel fällt würde ich mindestens 30 Prozent für die Flüchtlingshilfe spenden. Ansonsten würde ich wohl die erste Phase meines nächsten Start-ups damit finanzieren. Meine Leidenschaft gilt dabei immer noch künstlicher Intelligenz auf Basis genetisch prädisponierter neuronaler Netzwerke.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Ich versuche etwas mit meiner achtjährigen Tochter zu unternehmen, bei dem sie am Ende nicht sagt „Das war langweilig“.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Eigentlich wäre das Steve Jobs gewesen. Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, was seine Magie und letztlich seinen Erfolg ausgemacht hat. Und noch länger habe ich gebraucht, um dies auch schätzen zu lernen. Eine gute Alternative wäre aber auch Elon Musk, mit dem ich gerne über Visionen schwätzen würde.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Georg Untersalmberger gründete 2010 das Online-Auktionshaus Auctionata. Er verantwortet im Unternehmen den Bereich Live Auction Experience. Zuvor war der als Projektmanager, Soft- und Hardwareentwickler bei verschiedenen Unternehmen in Deutschland und Österreich tätig. Er stattete zudem in den frühen 1990er Jahren das Moskauer Stadtparlament mit einem automatischen Live-Übertragungssystem aus, ermöglichte den Start des ersten volldigitalen öffentlichen Radiosenders Schwarzafrikas und wirkte maßgeblich beim ersten Piloten für Web-basiertes IP-TV in Österreich mit.

“Hinter den Kulissen deutscher Start-ups: 45 Gründer über den Aufbau ihres Unternehmens”, heißt der erste Titel der neuen Buchreihe von deutsche-startups.de. Unser erstes Buch, ein Best-of der Rubrik 15 Fragen an, steht unter dem Motto: Von Gründern lernen, sich von deutschen Unternehmern inspirieren lassen. 45 Gründer berichten von Ihren eigenen Erfahrungen, geben wertvolle Tipps und teilen ihre Inspirationen mit den Lesern. Weitere Infos über “Hinter den Kulissen”. Unser erstes Buch jetzt bei Amazon bestellen.

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.