Gründungsfinanzierung – zwischen Wunsch und Realität
Sieben von zehn Gründern würden sich beim Start ins Unternehmertum gerne vollständig aus Eigenkapital finanzieren; diese Zahl ist seit Jahren stabil. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass diese Finanzierungsquelle in der Realität nicht immer ergiebig genug ist. Nur bei etwa der Hälfte aller Gründungen gelingt die Finanzierung aus eigener Kraft. Um ausreichend wachsen zu können, sich eine gute und aufwärts zeigende Marktposition zu erarbeiten, werden zusätzliche externe Finanzierungsquellen benötigt. Dies zeigt das „Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), kann aber auch auf einen anderen Trend hinweisen, der Gründern Mut machen sollte: Sie können aus einem zunehmend wachsenden Portfolio an Finanzierungsmöglichkeiten wählen.
Staatliche Zuschüsse und Business Angels
Dabei sollten Start-ups nicht nur auf die Finanzierungsklassiker zurückgreifen. Tatsächlich steigt etwa der Wunsch der Jungunternehmer nach intensiverer Förderung durch die öffentliche Hand – jeder zweite hofft auf die Unterstützung durch Länderfonds, nur zwei von zehn bekommen sie. Die KfW-Gründungsförderung, so zeigt das Trendbarometer, steht mit 37 Prozent als Wunschfinanzierung ebenfalls hoch im Kurs. Hier sind es immerhin 17 Prozent, die diese Finanzierung tatsächlich gewinnen konnten. Ähnlich attraktiv ist für den Unternehmensnachwuchs – gerade aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien – der High-Tech Gründerfonds, mit ähnlichen Erfolgsquoten.
Auf große Nachfrage stößt traditionell die Unterstützung durch Business Angels: knapp die Hälfte aller Gründer würde gerne so ihr Kapital akquirieren – und darüber hinaus in den Netzwerken Fuß fassen. Diesen Trend unterstützt auch das BMWi, das im Mai 2013 gemeinsam mit dem Business Angels Netzwerk Deutschland e. V. das Programm „INVEST – Zuschuss für Wagniskapital“ initiiert hat. INVEST soll Anreize für zusätzliche und größere Investments von Business Angels schaffen. Ein privater Investor bekommt dabei zwanzig Prozent des Ausgabepreises seiner Beteiligung in einer Höhe bis zu 250.000 Euro zurückerstattet, wenn diese Beteiligung für mindestens drei Jahre gehalten wird. Bei Investoren und Start-ups findet das Anklang: Im Rahmen des Kongress „Junge IKT-Wirtschaft“ am 7. Mai 2015 in Berlin wurde die bereits eintausendste Bewilligung offiziell überreicht. Die Suche nach einem privaten Partner kann sich also auszahlen!
Gründer wünschen sich mutige Investoren
In Deutschland klagen Jungunternehmer trotz aller Angebote vor allem über das Fehlen attraktiver Finanzierungsmöglichkeiten während der Gründungs- und Wachstumsphase. Investoren – so glauben sie – setzten auf die Geschäftsmodelle, die auf den ersten Blick das geringste Risiko und trotzdem eine entsprechend hohe Rendite versprächen, häufig Copycats. Und während solche Geschäftsmodelle finanziert werden, bleiben echte Innovationen auf der Strecke. Davon sollten sich Gründer nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern für ihre Ideen werben und ggf. alternative Finanzierungsquellen suchen.
Dasselbe gilt auch für spätere Phasen. Denn obwohl eine Gründungs- oder Anschubfinanzierung realisiert wurde, bedeutet das nicht automatisch auch den Durchbruch. Vielfach fehlen Start-ups die finanziellen Mittel, um ihr Produkt auch über Deutschland hinaus erfolgreich am Markt zu platzieren und damit als Unternehmen gesund zu wachsen. Die Zurückhaltung der in Deutschland aktiven Investoren – so wenig nachvollziehbar sie ist – ist etwas, worauf Gründer vorbereitet sein sollten.
Die Finanzierungs-Hausaufgaben machen
Die Nachwuchsunternehmer dürfen aber auch ihre eigenen Hausaufgaben nicht vergessen. Eine Erhebung der deutschen Industrie- und Handelskammern aus dem Jahr 2013 ergab, dass rund dreißig Prozent der Existenzgründer das Thema Finanzierung vernachlässigen und ihre Startinvestitionen und die laufenden Kosten für den Aufbau des Unternehmens zu niedrig einschätzen. Gründerinnen und Gründer sollten realistisch kalkulieren, welche finanziellen Mittel für ihr Gründungsvorhaben benötigt werden. Hierbei müssen unterschiedlichste Positionen berücksichtigt werden, von Forschungs- und Entwicklungs- sowie Materialkosten, Betriebs- und Büroausstattung, Miete und weiteren Sachkosten, aber auch die Kosten für Mitarbeiter und – das fällt leider zu oft unter den Tisch – die eigene Lebenshaltung.
Insbesondere bei den Investitionskosten gibt es je nach Art des Gründungsvorhabens große Unterschiede. So liegen die eingesetzten Mittel im IKT-Hardware-Bereich mit durchschnittlichen 164.000 Euro sehr viel höher als im IKT-Software- oder IKT-Dienstleistungs-Bereich, wo die eingesetzten Gelder im Gründungsjahr im Durchschnitt bei unter 75.000 Euro liegen. Neben einer vollständigen Betrachtung der entstehenden Kosten sollte auch eine realistische Einschätzung der zu erwartenden Umsatzentwicklung Teil des Planungsprozesses sein. Viele Gründer planen in diesem Punkt zu optimistisch und müssen später Liquiditätsengpässe meistern, weil erste Umsätze erst viel später realisiert werden können. Deshalb lohnt es sich, vorher Zeit in die Kalkulation zu investieren, anstatt später unter Zeit- und Finanzierungsdruck halbgare Lösungen zu finden.
Selber neue Wege der Unterstützung suchen
Start-ups sollten sich deshalb auch nicht auf eine bestimmte Art der Gründungsförderung bzw. –finanzierung versteifen – Peer-to-Peer-Lending, Work Investments oder Contests wie der „Gründerwettbewerb – IKT Innovativ“ des BMWi sind spannende und auf keinen Fall zu vernachlässigende Alternativen. Ein wenig überraschend steht etwa die Crowdfinanzierung bei jungen Unternehmern bisher nicht besonders hoch im Kurs. Nicht in jedem Fall angemessen, bietet diese doch für viele Start-ups eine große Chance, Finanzierungsmittel einzuwerben und das junge Unternehmen breit bekannt zu machen. Nur 16 Prozent der Befragten ziehen diese Art der Finanzierung laut Trendbarometer ernsthaft in Erwägung. Und das, obwohl sich nach einer BITKOM-Erhebung rund 5 Prozent der Bundesbürger vorstellen können, in junge Unternehmen aus dem Internet- oder IT-Umfeld zu investieren. Das macht 3,5 Millionen potenzielle Privatinvestoren für IKT-Start-ups!
Für Gründungsinteressierte und Start-ups gibt es für eine erfolgreiche Finanzierung also zweierlei zu tun: Die Entwicklung des Geschäftsplans muss mit einer soliden und realistischen Kalkulation des finanziellen Bedarfs einhergehen. Zudem brauchen sie ein passendes Konzept für die Finanzierung. Hier sollten die Jungunternehmer die Augen offen halten, alle Optionen gründlich prüfen und sich von Misserfolgen nicht abschrecken lassen.
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Zur Person
Wolfram Groß ist seit über 24 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH in Berlin mit Schwerpunkten im Bereich IKT sowie Gründungs- und Innovationsberatung. Der studierte Elektrotechniker und Diplom-Ingenieur leitet dort den „Gründerwettbewerb – IKT Innovativ“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).