Start-ups und Politik – ein großes Missverständnis
Die Start-up-Szene in Deutschland entwickelte sich ab 1998/1999 rasant – mit harten Rückschlägen im Jahr 2000 (Dotcom-Blase) und 2009 (Weltwirtschaftskrise). Die deutsche Szene entwickelte sich dabei trotz der oftmals schlechten Rahmenbedingungen für Gründer in Deutschland. Viele Start-ups siedelten sich damals in Berlin ein, einer seit Jahrzehnten arg gebeutelten Stadt, ohne Profil, ohne Jobs und ohne wirtschaftliche Perspektive. Dafür aber mit viel Raum für kreative Menschen, junge Leute und viel Platz für neue Ideen und Konzepte. In einem Kreuzberger Hinterhof begann beispielsweise die famose und oft auch umstrittene Geschichte der Samwer-Brüder (damals mit dem eBay-Klon alando unterwegs). Die Übernahme durch eBay war so etwas wie die große Initialzündung für die weitere Entwicklung der späteren Berliner Gründerszene.
Die Politik zeigte damals und auch später kein Interesse an der Start-up-Szene. Die deutsche Gründerszene umgekehrt aber genauso wenig. Viele Gründer fanden sich mit den schlechten Startvoraussetzungen ab und machten einfach ihr Ding. Die Start-up-Szene wurde größer, für Berlin quasi zum Mittelpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Politik wurde auf die hippen Gründer in ihren runtergekommenen Büros aufmerksam. Zu nennen wären hier Klaus Wowereit, Angela Merkel und Philipp Rösler. Der damalige Wirtschaftsminister wurde gar zum Posterboy der jungen Gründergeneration. Die Folge: Politiker schüttelten die Hände von jungen Gründern (und kamen so in die Presse) und die Gründer konnten endlich jemandem erzählen, wie schwer es Machern in Deutschland mitunter gemacht wird (sie wurden somit endlich erhört). Das Interesse der Politik an der Szene war und ist sicherlich ehrlich, immerhin geht es hier mittlerweile um einen handfesten wirtschaftlichen Zweig, vor allem einem mit Zukunft.
Der Höhepunkt dieser Entwicklung: Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung tauchte erstmals das Wort “Start-up” auf. Wow, die Politik hatte erkannt, welche Bedeutung diese Szene für das Land hat und vor allem in Zukunft haben kann. Die Szene war begeistert, obwohl die liberale Grundtendenz der Szene zuvor noch massiv erschüttert wurde, als die FDP aus dem Bundestag und der Regierung flog. Die Politik versprach nun aber viel – etwa bessere Bedingungen für Investitionen und Gründer im Allgemeinen.
Inzwischen ist seitdem viel Regen auf Deutschland herabgegangen und noch mehr Regen auf Deutschlands Gründer – siehe Kleinanlegerschutzgesetz und das unglaubliche Bürokratiemonster Mindestlohn. Die erneute Diskussion um das Anti-Angel-Gesetz (gegen das die Szene schon einmal rebellierte) sorgt nun abermals für Unruhe in der Szene, die seitdem die Politik sich um die jungen Gründer im Lande kümmert, viel mehr damit beschäftigt ist, gegen die Pläne der Bundesregierung zu rebellieren, als nützliche Forderungen zu stellen, um den Stadtort Deutschland voran zu bringen. Noch mehr aber lähmt die rückwärtsgewandte Verschlimmerungspolitik der Bundesregierung die Start-up-Szene in Deutschland. Wo sich doch die Politik immer wünscht, dass das nächste Facebook aus Deutschland kommt. Wie aber soll dies geschehen, wenn die Politik die Szene statt zu unterstützen, torpediert, ihr immer neue Bürden aufzwingt und im schlimmsten Fall Business Angels daran hindert, in junge Unternehmen zu investieren – siehe auch “Was weiß Hessens Finanzminister über Start-up-Finanzierung? Nichts!“.
Die Stimme in der Szene ist dementsprechend schlecht – also in Bezug auf Start-ups und Politik. “Der Finanzminister wird zum Albtraum der Startups” – etwa schreibt Florian Nöll vom Startup Verband. Weiter heißt es in seinem Beitrag zum Anti-Angel-Gesetz beim Manager Magazin: “Die Bundesregierung betont bei jeder Gelegenheit, dass sie die Finanzierungsbedingungen für Startups nicht verschlechtern wird. Mit dem Gesetzesentwurf bricht sie dieses Versprechen und entzieht unseren Gründerinnen und Gründern massiv dringend benötigtes Kapital. Zuvor fand er auch bei uns harte Worte zum Vorhaben der Politik: “Die Bundesregierung betont bei jeder Gelegenheit, dass sie die Finanzierungsbedingungen für Startups nicht verschlechtern wird. Mit dem Gesetzesentwurf bricht sie dieses Versprechen”. Und auch Johannes Reck, Gründer von GetyourGuide, zeigt sich schwer enttäuscht von der Politik, er sieht die Gründerszene in Deutschland gar in den Grundfesten erschüttert: “Was sich vordergründig nach einer Steuer für ältere, reiche Unternehmer anhört, ist in Wahrheit ein Pfeil mitten ins Herz der aufkommenden Internet-Gründerkultur in Deutschland”.
Im Grunde ist es unglaublich, wie sehr die führenden Köpfe der deutschen Start-up-Szene und die Politik – zumindest der Großteil der Politik – gezielt aneinander vorbeireden. Denn gerade das Anti-Angel-Gesetz war ja schon 2012 einmal auf dem Tisch und schon damals gab es massive Wortmeldungen aus der Szene zum geplanten Vorhaben. Es scheint, als hätte die Politik dies kaum wahrgenommen oder einfach ignoriert oder keine Ahnung worum es im Detail eigentlich geht, keine Ahnung davon, was auf dem Spiel steht. Beim Kleinanlegerschutzgesetz und beim Mindestlohn war aber ähnlich, oder? Die Szene wurde zwar angehört aber einfach kaum ernst genommen. Das Zusammenspiel zwischen Start-ups und Politik scheint ein ganz, ganz großes Missverständnis zu sein – und es liegt an Seiten der Politik dieses Missverständnis abzuarbeiten.