Von Team
Donnerstag, 2. Juli 2015

Welche Start-ups finanziert die Bank, welche nicht?

Kennen Sie den? Kommt ein Startup zur Bank. Das Thema Bankkredit ruft bei vielen Startups nur ein Schmunzeln hervor. Unser Gastautor Florian Kirchner hat bei Banken nachgefragt, welche Chancen Startups bei ihnen haben und woran Finanzierungsanfragen scheitern.

Nur 10 % aller Start-ups, die im Rahmen des Startup Gründungsmonitor 2014 befragt wurden, nannten Bankkredite unter ihren Finanzierungsquellen. Unter denjenigen, die jünger als 12 Monate bestanden, waren es sogar nur 5 %. Zum Vergleich: Im klassischen Gründungsmarkt greift mehr als ein Viertel aller Gründer auf ein Bankdarlehen zurück. Alleine das KfW-StartGeld wird jährlich mehr als 5.000 mal in Anspruch genommen. Dies ist kein Wunder, locken doch Förderkredite mit Zinssätzen unter 5 % und gründerfreundlichen Konditionen, wie z.B. tilgungsfreien Anlaufjahren. Warum also tun sich Banken und Start-ups so schwer miteinander?

Ein wichtiger Grund ist auf jeden Fall, dass die meisten Banken schon vor einem ersten Gespräch alle relevanten Unterlagen vorliegen haben möchten. Hierzu gehört ein vollständiger Businessplan mit Drei-Jahres-Finanzplanung. Bei Start-ups ist es natürlich schwierig, dass weder Gründer noch Bankberater auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Um so wichtiger wäre eine anschauliche Darstellung des eigenen Marktes, der Wettbewerber und Geschäftsmodells. Das in der Startup-Szene favorisierte Pitchdeck reicht hier nicht. Ein bankfähiger Businessplan hingegen verursacht viele Stunden Arbeit. Daher stehen Startups immer vor der Entscheidung, ob diese Ressourcen bei niedrigen Erfolgschancen nicht besser in Finanzierungsalternativen und das eigene Geschäft investiert werden sollten.

Meine Frage im vertraulichen Gespräch mit einigen Bankberatern aus dem Gründungsbereich lautete daher: Welche Start-ups haben gute Chancen, welche nur geringe?

Voraussetzungen sind ein moderates Risiko und ausreichende Gewinne

Die befragten Berater verwehrten sich zunächst gegen die Unterstellung, Banken scheuten grundsätzlich das Risiko. Finanziert werde durchaus auch in Branchen, in denen überdurchschnittlich viele Vorhaben scheitern – z.B. in der Gastronomie -, wenn Gründer und Konzept überzeugen. Banken folgen hier aber einer anderen Logik als Startups und Investoren: Im Erfolgsfall besonders hohe Gewinne rechtfertigen für sie keine besonders hohen Risiken. Schließlich erhält die Bank immer die gleichen Zinsen, unabhängig vom Erfolg der Gründung. Eine Bank favorisiert daher solide – andere mögen sagen: langweilige – Geschäftsmodelle, die durch genaue Marktanalysen und erste Interessenten belegt sind. Es reicht, wenn die erwarteten Gewinne genügen, sowohl die Kreditraten (Kapitaldienstfähigkeit) als auch die Kosten für Lebenshaltung und Sozialversicherungen zu decken. Diese defensive Haltung erklärt sich u.a. daraus, dass Banken, die in der Vergangenheit aufgeschlossen gegenüber neuen Internetkonzepten waren, sich oft gemeinsam mit den Gründern die Finger verbrannt haben. Daher ist man heute noch vorsichtiger.

Fehlende Sicherheiten sind kein K.O.-Kriterium

Fehlende Sicherheiten hingegen waren für die befragten Bankberater kein K.O.-Kriterium. Hier verwiesen die meisten darauf, dass die Kreditportfolios ihrer Häuser viele Gründungen aus Arbeitslosigkeit und aus normalen Angestelltenverhältnissen enthalten, bei denen weder größere Geldmittel noch Vermögen vorhanden waren. Der Bank stehen eben in solchen Fällen Instrumente zur Verfügung, die ihr Risiko mindern. Hierzu zählt neben den Förderkrediten mit Haftungsfreistellung auch die Absicherung durch eine Bürgschaftsbank. Um hier aber gleich Missverständnissen vorzubeugen: In der Praxis erfolgt eine Kreditvergabe auch in diesen Fällen nur dann, wenn der Gründer als letztes Glied in der Kette in die persönliche Haftung geht. Davor schützt auch keine Gründung in einer haftungsbeschränkten Gesellschaftsform und selbst eine Bürgschaftsbank wird im Insolvenzfall versuchen, ihre an die Bank ausgezahlte Bürgschaft beim Gründer wieder einzutreiben.

Schlechte Chancen für Start-ups mit längerer Anlaufphase

Beantragt ein Gründer einen Bankkredit, um z.B. eine Maschine zu kaufen, ist das aus Sicht der Bank unproblematisch. Solche Investitionsausgaben führen zu Vermögenswerten, die sich in den Büchern des Unternehmens als Gegengewicht zu den neuen Schulden niederschlagen. Die finanzielle Waage (nichts Anderes bedeutet „Bilanz“) des Unternehmens bleibt so im Gleichgewicht. Problematisch wird es immer dann, wenn Kredite überwiegend zur Finanzierung der laufenden Ausgaben verwendet werden. Hiervon sind aber gerade in der Seedphase die Geschäftsmodelle vieler Startups geprägt. Über einen längeren Zeitraum enstehen z.B. Kosten für Forschung und Entwicklung, die noch nicht durch Umsätze ausgeglichen werden. Gleichzeitig lässt sich Selbersterstelltes, wie eine halbfertige Software, in den Büchern nicht oder nur teilweise als Vermögen abbilden. Steht hier kein entsprechendes Eigenkapital als Verlustpuffer zur Verfügung, entsteht schnell eine Situation, in der die Schulden des Unternehmens das Vermögen übersteigen. Spätestens dann leuchten bei Banken alle Rating-Ampeln rot auf. Handelt es sich bei diesen Startups um juristische Personen (z.B. eine GmbH), wird es auch für die Gründer gefährlich. Sie haben dann die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, falls sie nicht glaubhaft nachweisen können, dass das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren zahlungsfähig bleibt („positive Forführungsprognose“).

Start-ups sollten daher folgende Faustregeln beherzigen: Gute Chancen auf einen Bankkredit bestehen nur, wenn die Gewinnschwelle innerhalb der ersten 6 bis 12 (in Ausnahmefällen auch 18) Monate erreicht wird. Alles darüber hinaus kollidiert mit der auf ein bis zwei Jahre begrenzten tilgungsfreien Zeit. Weiterhin muss ausreichend Eigenkapital mitgebracht werden. 10 bis 20 % sind das Minimum.

Klare Aussage aller befragten Berater war es daher, dass für Startups mit hohem Forschungs- und Entwicklungsaufwand oder langen Anlaufphasen ein klassischer Bankkredit nicht in Frage kommt. Diese Gründungen benötigen Eigenkapital und haben frühestens mit Eintritt in die Markteinführungsphase eine realistische Chance bei den Banken.

Fazit

Die Chancen, ein Gründungsdarlehen gleich am Anfang des Startup-Lebens zu erhalten, stehen nur dann gut, wenn das Vorhaben einer klassischen Gründung ähnelt (z.B. E-Commerce-Gründungen ohne große Entwicklungs- und Anlaufphase). Gute Chancen haben auch Spin-Offs und Ausgründungen, die mit marktreifen Produkten und Dienstleistungen starten können.

Kommen hohe Entwicklungskosten, fehlende Umsätze und Unsicherheiten hinsichtlich der Marktakzeptanz zusammen, läßt sich dies u.U. ausgleichen mit einem Lean-Startup-Ansatz. Das bedeutet: mit geringen Kosten und einem „Minimal viable product“ an den Markt gehen, ausprobieren, Marktfeedback einholen und erst dann einen Bankkredit beantragen, wenn belastbare Zahlen sichtbar werden. Dass auch Banken Neuem gegenüber nicht gänzlich verschlossen sind, zeigte kürzlich die Berliner Sparkasse: Sie akzeptierte die erfolgreich ausgeführte Crowdfunding-Kampagne eines veganen Supermarkts als Markttest.

Passend zum Thema: “Wie die Finanzierung eines Start-ups wirklich funktioniert

Zur Person
Florian Kirchner hat bei evers & jung („Wir fördern kluge Investitionsentscheidungen“) die Webapplikation „SmartBusinessPlan“ mitentwickelt, mit der Gründer stressfrei zum bankfertigen Businessplan gelangen – inklusive aller Kalkulationen. Reale Businesspläne, auch solche von erfolgreich bankfinanzierten Startups, stehen als Beispiele zur Verfügung. Die resultierenden Businesspläne entsprechen den Standards von Banken und Förderern, zu denen auch über 120 Sparkassen gehören, die SmartBusinessPlan ausdrücklich empfehlen.

Foto: Open Bank Vault Door from Shutterstock