Drei Frauen, ein Tech-Start-up: Webdata Solutions
Carina Röllig (Foto: links) bezeichnet sich selbst als “technisch versiert”. Das war nicht immer so: Als sie 2009 in ein Forschungsprojekt des Webdata Integration Lab an der Uni Leipzig mit einsteigt, ist sie die BWL-Frau zwischen neun Informatikern. “Ich war die, die dumme Fragen stellt wie ‘Wozu braucht man das?'” Der Auftrag an die Forschungsgruppe lautet: ein Projekt auswählen, seine Marktfähigkeit evaluieren und die Ergebnisse verwerten.
Zweite Finanzierungsrunde: 4,1 Millionen Euro
Das zehnköpfige Team stürzt sich auf das Thema Produktdaten-Analyse. Röllig hat zuvor in einer Marktanalyse ermittelt, dass dieser Bereich noch ungelöste Probleme birgt. Weil Produktdaten schwieriger zu erfassen und zu ordnen sind als Kunden- und Social Media-Daten, gibt es 2009 noch kaum praktische Marktlösungen. Das Team sieht es als Herausforderung und bastelt eine selbst-lernende Anwendung, mit der Händler eigenständig Preis- und Marktanalysen durchführen können. So können sie die Konkurrenz im Blick behalten und fundierte Entscheidungen in Bezug auf Preise, Sortimente oder Produkteigenschaften treffen.
Das Forschungsteam funktioniert gut zusammen, schnell entsteht ein Prototyp, der marktreif ist. Bald steht die Frage im Raum, ob aus dem Produkt nicht ein eigenes Start-up werden kann. Am Ende sind es drei Frauen, die sich für eine Ausgründung entscheiden: Neben Röllig noch die beiden Informatikerinnen Hanna Köpcke und Sabine Maßmann. 2012 gründen sie Webdata Solutions und gehen mit der automatisierten Preisanalyse-Anwendung blackbee an den Markt.
Das Dreiergespann überzeugt und findet schnell Geldgeber: Im ersten Jahr hilft noch ein Stipendium von der Sächsischen Bank über die ersten Hürden hinweg. Dann steigt 2013 der Technologiefonds Sachsen mit 500.000 Euro mit ein. Ende 2014 bekommt das Team in einer zweiten Finanzierungsrunde von verschiedenen Investoren satte 4,1 Millionen Euro – damit lässt sich einiges anstellen. Seitdem hat sich das Geschäftsführer-Team nochmal durchgemischt, mittlerweile gehören auch Männer dazu.
Silicon Valley oder New York?
Drei Jahre nach der Gründung von Webdata Solutions stellt die Aufbereitung von Produktdaten noch immer eine Herausforderung dar. Auch andere Mitbewerber versuchen sich daran, wirklich relevant hält Röllig weltweit davon höchstens sieben. Am Ende, glaubt sie, entscheidet sich alles an der Qualität der Daten: „Ein Dashboard kann jeder bauen, aber nicht jeder kann automatisiert Daten gut aufbereiten. Unser Alleinstellungsmerkmal ist der Matching-Algorithmus.“ Der Algorithmus erfasst riesige Mengen an unstrukturierten Produktdaten aus Webshops, Preisvergleichsportalen und Marktplätzen, bereitet sie automatisiert auf und stellt sie strukturiert zur Verfügung.
Innerhalb des Bereichs Produktdaten hat sich Webdata Solutions auf Mode spezialisiert. Damit macht sich das ehemalige Start-up, das mittlerweile fast 40 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt, an einen der schwierigsten Bereiche. Die Analyse von Modeartikel-Daten ist laut Röllig wesentlich komplizierter als beispielsweise Elektronikdaten, denn es fehlen oftmals standardisierte Artikelnummern. Weil sich das Unternehmen dieser Herausforderung stellt, gehören zu den Kunden vor allem Modehändler und Markenhersteller.
Die Spezialisierung auf den Bereich Mode wirkt sich gerade auch auf die Expansionsstrategie von Webdata Solutions aus. Seit Anfang des Jahres strebt das Unternehmen in den britischen Markt. Doch das Team hat auch die USA im Blick. Nun stellt sich die Frage: Soll der technische Aspekt der Anwendung im Vordergrund stehen? Dann wäre das Silicon Valley die erste Adresse für einen weiteren Firmenstandort. Oder fokussiert man sich auf die Marktforschung in der Modebranche? Dann hieße es: Ab nach New York!
„Gründer müssen Entscheidungen treffen und dazu stehen“
Am Ende wird sicherlich eine gute Entscheidung stehen. „Es bleibt immer ein Fragezeichen übrig, ob das, was man gerade tut, die beste Lösung ist. Aber das ist mit das Wichtigste: Gründer müssen Entscheidungen treffen, dazu stehen, aus ihren Fehlern lernen und sich weiter entwickeln. Bloß niemals stehen bleiben.“ Was sollte bei dieser Herangehensweise schon schief gehen?
Und wie geht das Gründerteam mit der Tatsache um, dass sie als reines Frauen-Gespann in der Szene eine echte Rarität darstellen? Ziemlich entspannt. “Eigentlich ist das kein Thema für uns”, sagt Röllig. “Wir wollten von Anfang an durch Leistung überzeugen und spielen unser Frausein nicht aus. Das hat immer geklappt.” Klar, Investoren hätten diese Besonderheit schon zum Thema gemacht. “Und wie man sieht, haben wir uns als Frauen durchgesetzt und die Runden geschlossen.”