Gastbeitrag von Gerd Mittmann
Fail Forward: Großer Erfolg durch kleine Fehler
Die Methode per “Trial and Error” zum Ziel zu gelangen ist nicht neu. Neu ist aber die zunehmende Popularität dieser Testkultur in Unternehmen auf der ganzen Welt, in denen Fehler machen nun erlaubt ist oder sogar erwünscht, auf dem Weg zum Erfolg. Fail Forward heißt das Schlagwort. Grob übersetzt bedeutet dies “vorwärts scheitern” oder besser gesagt: aus Fehlern lernen.
Internationaler Siegeszug
Um ein Umdenken anzustoßen, startete bereits 2012 in Mexiko eine Reihe von Gründertreffen. Hier wird offen über Fehlschläge berichtet, damit andere daraus lernen können. Längst hat die Eventreihe internationalen Erfolg erlangt, fand im November noch in Berlin statt und kommt Ende März nach Polen, Spanien und Chile. Spätestens mit der Wutrede von FDP-Parteichef Lindner im Landtag NRW aber hat die Diskussion um eine Kultur des Scheiterns bzw. dessen Fehlen Anfang Februar auch die Politik und damit die breite Öffentlichkeit in Deutschland erreicht. Lindner bemängelte vor allem, dass sich Unternehmer vielerorts noch immer Spott und Häme sicher sein können, wenn sich ihre Ideen und Projekte als Pleite herausstellen. Fail Forward beschreibt hier einen ganz anderen Ansatz.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Dieses alte Sprichwort trifft genau den Kern: Wer nie etwas riskiert, dem bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit der Erfolg verwehrt. Unternehmer sollten im Gegenteil ausprobieren und das Scheitern dabei nicht nur für möglich halten, sondern ganz sicher davon ausgehen. Wichtig sind hierbei aber vor allem die grundsätzliche Einstellung und die Schlüsse, die aus Fehlern gezogen werden. Wenn Misserfolge als Chance begriffen, analysiert und daraus gelernt wird, tut es schon ein bisschen weniger weh und neue Möglichkeiten treten auf die Bildfläche.
Testkultur leben und lernen
Fehler als Chance zu begreifen, das klingt einfacher, als es ist. Im Unternehmen muss gerade die Führungsriege diese Kultur des Fail Forwards vorleben. Besonders Unternehmen der digitalen Branche, die hauptsächlich mit Daten arbeiten, ist die Testkultur bereits Routine. Sie testen fast alles in so genannten A-B-Tests, bevor es veröffentlicht wird. Im Test werden jeweils zwei leicht unterschiedliche Varianten ausprobiert. So erhält man schnell Feedback, welches die bessere Version ist und kann das Gelernte auch bei zukünftigen Projekten anwenden. Um brauchbare Schlüsse ziehen zu können, dürfen sich die beiden Varianten aber tatsächlich nur minimal unterscheiden. Nur so wird klar, welches der bestimmende Erfolgsfaktor war. Und nach einem A-B-Test darf noch lange nicht Schluss sein: nur durch kontinuierliches Testen und Anpassen gelangt man zu einem erfolgreichen Produkt oder Projekt.
Kleine Schritte, weniger Risiko
Wichtig dabei ist auch ein gutes Risikomanagement. Wird ein großes Projekt in kleine Schritte mit Tests und Anpassungen aufgeteilt, wird auch das Gesamtrisiko kleiner. Zwar werden immer wieder kleine Fehler gemacht, die Auswirkung jedes einzelnen ist aber eher gering und das Gelernte dafür extrem wertvoll – auch für Folgeprojekte. Natürlich nehmen A-B-Tests und deren Auswertung Zeit in Anspruch. Der Zeitaufwand für Anpassungen kleiner Teilaspekte ist aber deutlich geringer und zielgerichteter, als die Anpassung eines kompletten Großprojektes. Unternehmer bleiben so agil und nah am Bedarf ihrer Kunden.
Konstruktive Feedbackkultur
Und noch ein Aspekt ist im Fail Forward unabdinglich: eine gute, konstruktive Feedbackkultur, um Anpassungen anzustoßen, aber auch bereits an anderer Stelle im Unternehmen gemachte Erfahrungen weiterzugeben. Bei Shutterstock arbeiten wir beispielsweise mit Zwei-Wochen-Sprints, in denen die Projektteams an Ideen arbeiten und sie dann dem gesamten Unternehmen – vom Praktikanten bis hin zum CEO und CFO – vorstellen. In dieser Runde können Erfahrene und Neulinge ihr Wissen auf Augenhöhe austauschen und zu einer Lösung beitragen. Und manchmal wird das Projekt eines Einzelnen so gleich zur Herzensangelegenheit vieler.
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Zur Person
Gerd Mittmann, VP International bei Shutterstock.