Kelsen beantwortet Rechtsfragen automatisch in Echtzeit
Ratsuchende geben ihre juristische Frage in natürlicher Sprache (!) in die Suchmaske von Kelsen ein und der ‘Legal Bot’ spuckt gratis in Echtzeit Antworten – in Form dreier (hoffentlich) passender Rechtsfälle – aus, aus denen er jeweils die passende Antwort auf die individuelle Frage ableitet und diese ebenfalls ausliefert.
Die Bewertungen der User: Die jeweilige Antwort war hilfreich oder eben nicht – fließen in den Lern-Algorithmus von Kelsen ein, um die Suchergebnisse nach und nach zu optimieren.
Noch ist die Suche nicht besonders schlau, so dass zum Beispiel nicht zwischen ‘laut’ im Sinne von “Meine Nachbarn sind zu laut” und “laut §33 ist … verboten” unterschieden wird.
Nach Angaben der Gründer liegt die Genauigkeit des Systems derzeit bei etwa 30 %, aber laut einem Interview bei den Kollegen der Gründerszene ist man zuversichtlich, innerhalb von zwei Jahren eine Exaktheit von etwa 85 % zu erreichen.
Natürlich kann Kelsen selbst dann keine verbindliche Rechtsberatung ersetzen, das Unternehmen übernimmt auch keine Haftung für die Richtigkeit der Antworten.
Dennoch dürften die Antworten von Kelsen vielen Fragern auch schon jetzt eine erste Orientierung bezüglich ihrer Frage bieten, und sei es nur die Antwort auf die Frage, zu welchem Rechtsgebiet sie gehört, was zum Beispiel bei der Suche nach einem spezialisierten Fachanwalt hilfreich sein kann.
Simpelst zu nutzende Anwendung, enorm komplexes System dahinter
So einfach Kelsen zu bedienen ist, so komplex ist das System dahinter.
Es ist ein extrem spannender und zukunftsweisender Ansatz, der da mit Kelsen verfolgt wird: Big Data werden ausgelesen und die Relevanz der ausgelieferten Daten mittels eines lernenden Algorithmus’ stetig optimiert.
Und noch schwimmt Kelsen ganz allein im blauen Ozean, denn direkten Mitbewerb gibt es bisher nicht. Zwar gibt es einige große Unternehmen, die im Bereich Machine Learning bereits relevante Meilensteine gesetzt haben, wie z.B. IBM Watson oder WolframAlpha , aber niemand tummelt sich bisher in der juristischen Branche.
Nomen est Omen
Kelsen wurde nach Hans Kelsen benannt, einem der bedeutendsten und einflussreichsten Rechtswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. So wie Hans Kelsen will auch das Start-up Kelsen die Rechtsbranche maßgeblich beeinflussen: Der Wissenschaftler versuchte bereits im 20. Jahrhundert, die Grundlagen des Rechts zu strukturieren und zu analysieren.
Genau wie er damals auf analogem Weg will Kelsen im digitalen Zeitalter die Mengen an rechtlichen Daten im Internet strukturieren, analysieren und allen zugänglich machen.
Inhaltlich arbeitet Kelsen – ähnlich wie ein Anwalt, der mittels eines vierstufigen Prozesses Antworten auf rechtliche Fragen findet:
- Verstehen – Mithilfe von NLP (Natural Language Processing)-Technologien versteht Kelsen die in natürlicher Sprache eingegebenen Fragen und klassifiziert sie je nach Rechtsgebiet.
- Interpretieren – Kelsen strukturiert und nutzt öffentlich zugängliche rechtliche Datenbanken wie z.B. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Fachartikel, um die Fragen zu analysieren und zu interpretieren.
- Evaluieren – Durch die Anwendung von semantischen Strukturen und der Gewichtung von Informationen findet Kelsen ähnliche Fälle und bewertet diese bezüglich der Anwendbarkeit.
- Entscheiden – Kelsen filtert alle relevanten Informationen heraus und stellt eine passende Antwort bereit.
Ausnahmsweise heißt die Zielgruppe wohl tatsächlich mal ‘Alle’
Jedenfalls fast alle – denn irgendwann braucht nahezu wohl Jeder und Jede juristischen Rat: Flugstornierung, familiäre rechtliche Probleme, Arbeitsrechtliche Fragen, Lieferprobleme und Stornierungen, Verkehrsunfälle, Erbstreitigkeiten…
Aber nicht nur Ratsuchende und Rechtsanwälte können von der besseren Strukturierung und Bereitstellung der Big Data profitieren, sondern auch Gesetzgeber, Gerichtshöfe und Forschungseinrichtungen.
Das Gründerteam bündelt die für Kelsen wichtigen Kompetenzen
Sergio Aragón, Founder & CEO, war über 5 Jahre lang Firmenanwalt und Sales Manager bei Yahoo und XING. Veronica Pratzka, Co-Founder & CMO, bringt mehr als 5-jährige Erfahrung als Marketing-Manager in Europa und Nordamerika mit ein und Filip Lukyanchuk, Co-Founder & CTO, war mehr als 6 Jahre lang Lead Developer für Big Data Unternehmen.
Microsoft Ventures und IBM Global Entrepreneurs werden als wichtigste Partner genannt.
Noch ist die Nutzung von Kelsen komplett kostenlos – die Userbewertungen sollen genutzt werden, um die Maschine lernen zu lassen und das Produkt weiter zu verbessern.
Zu hoffen bleibt, dass sich ausreichend Nutzer finden, die Kelsen durch ihre Bewertungen helfen, eine größere Treffsicherheit bei den Antworten zu erzielen. Vorstellbar ist auch, dass sich User schnell – und ohne Bewertungen – wieder abwenden, wenn sie zu viele Antworten bekommen, die so gar nicht zu dem passen, was sie gefragt haben.
Später soll es dann aber auch eine Premium-Version geben, mittels der monetarisiert werden soll. Diese soll zusätzliche Features bekommen: Stärkere Personalisierung, in natürlicher Sprache aufbereitete und präzise Antworten, wertvolle Statistiken sowie eine Auswahl an automatisierten Lösungen zur finalen Bearbeitung des Rechtsproblems. Das klingt alles noch ziemlich vage, über Preise der Premium-Versionen wird noch gar nicht gesprochen und es ist fraglich, ob die genannten Zusatznutzen genügend User zum Bezahlen bewegen.
Aber zu wünschen wäre es Kelsen, denn das Konzept von Big Data + Machine Learning ist der Hammer.- Warum nur werde ich das Gefühl nicht los, dass Kelsen ein Testballon für etwas anderes ist?