Die Fyber-Macher im Interview
“Die Intensität schnellen Wachstums hat uns gereizt”
Champagnerlaune beim Werbevermarkter Fyber (ehemals Sponsorpay). Nach nur fünf Jahren wurde das Berliner Unternehmen für vermeintliche 150 Millionen Euro an RNTS Media verkauft. Grund genug, nachzufragen, welche Entscheidungen ausschlaggebend für den unternehmerischen Erfolg waren. Wir treffen das Gründer- und Management-Team Andreas Bodczek, Janis Zech und Jan Beckers zum Interview.
Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zu Eurem Exit. War es denn überhaupt ein Exit?
Andreas: Die Presse spricht von einem Exit. Für uns handelt es sich um ein Investment in die Firma, durch das wir in der Lage sind, uns mit den großen Spielern am Markt zu messen. Rein technisch gesehen kann man es aber auch als Exit bezeichnen.
Drehen wir die Zeit ein paar Jahre zurück. Wieso habt ihr euch genau für diese Unternehmensidee entschieden?
Jan: Wir hatten einen sehr strukturierten Prozess, bei dem wir nichts anderes gemacht haben, als systematisch Geschäftsmodelle zu analysieren. Unser Ziel war es, die bestmögliche Idee zu finden. Dieser Prozess dauerte insgesamt etwa zwei bis drei Monate. Auf unserer Longlist hatten wir etwa 100 Geschäftsmodelle, von denen es dann etwa zehn bis fünfzehn auf die Shortlist geschafft haben. Der entscheidende Hinweis kam allerdings irgendwann von einer Freundin aus dem Silicon Valley, woraufhin wir uns das Konzept angeschaut haben und dann noch am gleichen Tag entschieden: ‘let´s do it’.
Janis: Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein sehr offener Prozess, nicht mal die Grobrichtung stand fest. Wobei wir natürlich auf Technologie mit starker Internetkomponente fixiert waren. Als dann klar war, was wir machen, haben wir die Scheuklappen aufgesetzt und Vollgas gegeben.
Jan: Damals waren alleine in den USA mehr zehn Mitbewerber am Markt. Aber auch in Deutschland waren u.a. die Samwers aktiv. Uns war also klar, dass, wenn wir zu langsam sind, wir keinen Erfolg haben können. Das war eine sehr spannende Zeit. Andreas haben wir relativ schnell über mein Netzwerk gefunden. Er hatte ja bereits ein Unternehmen mit vielen Leuten geleitet.
Andreas: Ja, ich bin erst dazu gestoßen, als die Idee schon gesetzt war. Aber ich war von Anfang an Feuer und Flamme. Allerdings war der Schritt, wieder etwas Eigenes zu machen, eine gewisse Umstellung.
Kann man daraus ablesen, dass für einen guten Gründer das Produkt und der Markt eigentlich nebensächlich sind?
Jan: Das ist unterschiedlich. Der eine wird Unternehmer, um ein ganz konkretes Problem zu lösen. Und der andere wird Unternehmer, weil generell Spaß daran hat, Probleme zu lösen, Firmen aufzubauen, Strukturen zu schaffen und insgesamt einen positiven Einfluss haben. Janis und ich wollten einfach etwas Cooles aufbauen, das einen gewissen Impact hat und am Ende nachhaltig und skalierbar ist. Die Intensität schnellen Wachstums hat uns gereizt.
Und Du (Jan) warst operativ voll Involviert?
Jan: Absolut. Tag und Nacht. Ich war 15 Monate voll dabei. Ursprünglich war geplant, dass ich die Aufbauphase von 6-12 Monaten begleite. Am Ende sind es dann 15 geworden, da wir es richtig fanden, auch noch die USA zu erschließen. Das war eine gute Zeit.
War es für Dich (Andreas) speziell in der Gründungsphase hilfreich, die Strukturen eines Großunternehmens schon zu kennen?
Andreas: Ich glaube schon, dass es hilfreich ist, wenn man die meisten zukünftigen Herausforderungen eines Unternehmens antizipieren kann. Dabei hilft es, schon mal Strukturen eines größeren Unternehmens gesehen zu haben. Das sorgt für Weitblick und der sorgt für Geschwindigkeit. Nehmen wir mal das Beispiel Buchhaltung: Auch wenn man noch kein Umsatz hat, ist es gut, die Buchhaltung schon zu etablieren, damit man darauf vorbereiten ist, wenn der Umsatz kommt. Zeitgleich ist aber auch klar, dass die Firma niemals über die ersten zwölf Monate hinausgekommen wäre, wenn ich der einzige Gründer gewesen wäre. Dafür war ich einfach zu wenig „hands on“. Aber diese Kombination von Personen ist wahrscheinlich einer unserer Erfolgsfaktoren.
Wahrscheinlich kommt auch den ersten Mitarbeiter eine Schlüsselfunktion zu, oder?
Jan: Man baut eine Firma ja in mehreren Blöcken auf. Die ersten zehn Mitarbeiter prägen die nächsten fünfzig. Und diese fünfzig prägen wiederum alle Folgenden. Daher ist die DNA, die man ganz am Anfang in der Firma etabliert, extrem wichtig. Denn sie verlagert sich anschließend komplett nach hinten.
Janis: Aus diesem Grund haben wir auch etwa vor einem Jahr unsere Firmenwerte schriftlich fixiert. Gelebt haben wir sie eigentlich schon lange, allerdings ohne sie aufgeschrieben zu haben. Doch ab einer bestimmten Firmengröße geht es nicht mehr ohne. Und dann musst Du sie wie ein Mantra permanent wiederholen. Und wiederholen. Und noch mal wiederholen…. Und Du musst sie ins „Onboarding“ einbauen, damit auch die neuen Mitarbeiter von Tag eins an mitbekommen.
Jan: Und es hilft natürlich, wenn Du nur Leute aussuchst, die zur Firmenkultur passen.
Woran erkennt man diese Leute? Wie stellt man sicher, dass man nicht die Falschen einstellt?
Janis: Es kommt natürlich darauf an, was du suchst. Startups sind ja generell sehr unterschiedlich. Grundsätzlich ist eine intrinsische Motivation wichtig, also wenn Menschen bestimmte Werte vertreten und eine Idee haben, wohin sie wollen. Wenn beides vorhanden ist, sind die Voraussetzungen schon mal sehr gut, dass man diesen Weg gemeinsam gehen kann. Wir haben aber generell sehr viel Wert auf eine gute Firmen DNA gelegt.
Wie vermittelt man denn die Werte einer Firma an seine Mitarbeiter?
Andreas: Fyber ist zu 100% „People Business”. Wir haben mittlerweile 80 Leute in der Produktentwicklung und Technologie. Um diese Leute gibt es am Markt natürlich einen großen Wettbewerb. Daher muss man diesen Leuten etwas bieten, wobei es nicht nur um Wachstumsmöglichkeiten geht. Auch eine attraktive Büroumgebung ist wichtig. Wir haben unsere gesamte Organisation darauf abgerichtet, die besten Talente anzuziehen. Die drei Dinge, die diese Firma ausmachen, sind „People, Produkt, und Partner“, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Letztendlich wird alles, was wir schaffen, von unseren Mitarbeitern erreicht: alle Sales-Umsätze, die Technologie usw.
Jan: Fyber basiert auf der „Smartness“ der Leute. Und daher lag die Hauptaufmerksamkeit man Anfang darauf, die besten Talente zu suchen. In den ersten sechs Monaten oder so haben wir ca. 50 % unserer Zeit mit Recruiting verbracht.
Janis: Es gibt nun mal Qualitäten, die einen sehr guten Mitarbeiter ausmachen. Und als Gründer musst Du sehr gute Leute zusammenzubringen und in entsprechende Positionen setzen. Wir haben am Anfang vor allem Leute ins Team geholt, die zwar sehr gut sind, aber noch nicht so viel Erfahrung haben. Diesen haben hohe Verantwortung gegeben, wodurch sie schnell lernen oder schnell weiterkommen. Und irgendwann kommt der Punkt, wo du ein Middle-Management einführen musst, was natürlich eine andere Diskussion ist. Bei diesem Wachstum kommen einige Mitarbeiter leider nicht mit. Deswegen musst Du Dich immer genau fragen, in welcher Phase das Unternehmen gerade ist und was das Unternehmen benötigt, um in die nächste Stufe zu gelangen. Wir haben vor anderthalb Jahren angefangen, ein sehr starkes Managementteam aufzubauen und dies mit sehr guten und erfahrenen Personen besetzt. Für Startups ist sowas sehr schwierig, weil diese Personen a) sehr teuer sind und Du sie b) nicht mehr nur mit einer Vision beeindrucken kannst. Die Aussage: „wir sind zehn Leute und wir verändern die Welt“, spricht ja nur eine bestimmte Art von Mitarbeiter an.
Spannend ist, dass ihr zwei „Pivots“ gemacht habt. Was war der Grund? Hat der Markt das verlangt hat oder haben sich die Mitbewerber in diese Richtung gedreht?
Janis: Der Erste war ein reaktiver defensiver Schritt. Für uns gab es im Web zwei große Märkte: Facebook- und Non-Facebook-Publisher, sagen wir mal, beide hatten 50 % Marktanteil. Und Facebook hat dieses System internalisiert, wodurch 50 % des Marktes nicht mehr adressierbar waren. Daher haben wir unsere Monetarisierungsplattform von Desktop auf mobile Applikationen ausgeweitet. Das Gute daran: Wir waren sehr früh auf Mobile präsent. Viel früher als alle unserer Wettbewerber. Der zweite Pivot hingegen war aus einem Kundenbedürfnis heraus, denn wir haben erkannt, dass jeder unserer Kunden das gleiche Problem hatte. Sie mussten sich bei fünf bis fünfzehn Ad-Netzwerken anmelden, genauso viele Dashboards verwalten, und sich mit fünf bis fünfzehn verschiedenen KPIs auseinandersetzen, die alle nicht zueinanderpassen. Wir sind uns also von einem Werbenetzwerk zu einer mobilen Supply-Side Plattform (SSP) geschwenkt. Im Prinzip ein cloud-basiertes SaaS-Tool, das es großen App Entwicklern ermöglicht, Werbenetzwerke wie iAd, AdMob, FAN zu integrieren, zu managen und zu optimieren, ohne eigene Entwicklungsressourcen aufzuwenden. Unser Ziel und Herausforderung ist es, dem richtigen Nutzer die höchstzahlende Werbung zur richtigen Zeit anzuzeigen und somit den Nutzer bestmöglich zu monetarisieren, ohne die eigentlichen KPIs (Retention, Engagement, Conversion) der App zu gefährden. Wir helfen Entwicklern, Ihre Ressourcen auf das Wesentliche zu konzentrieren – die Entwicklung großartiger Apps.
Und hat Euch der Standort Berlin geholfen?
Jan Beckers: Berlin war auch damals schon gehyped. Zwar weniger als heute, aber es hat schon sehr geholfen. Wichtig in Berlin war die Kostenstruktur. Unsere damaligen Wettbewerber saßen – abgesehen von Rocket Internet – im Ausland, weitestgehend in San Francisco. Die hatten natürlich eine ganz andere Kostenstruktur. Und so hat sich auch unser „Pitch“ über die Zeit geändert: Am Anfang waren wir sehr auf Europa fokussiert. Seit etwa drei Jahren zählen wir auch global zu den Top-Companies.
Janis: Unser Team ist sehr international und agiert in über 40 Märkten. Dabei machen wir etwa 45 % unserer Umsätze in den USA. Aber die gesamte Technologie wird in Berlin gebaut.
Was waren denn in den letzten fünf Jahren die Momente, an denen ihr gedacht habt: „Wow, das war ein richtig guter Tag?“
Jan: Mir fällt spontan die Übernahme einen von GratisPay, unserem damals wichtigsten Wettbewerber hier in Deutschland. Das war nach etwa zehn Monaten (Juli 2011). Vorher hatten wir mit denen Gratispay ein gutes, sportliches Wettrennen. Doch rückblickend war es für alle ein guter Schachzug, die Unternehmenspower zu bündeln.
Janis: Für mich war es der Launch. Der war legendär (Jan Beckers nickt zustimmend), quasi der perfekte Launch: Freitagnachmittag, der CTO im Urlaub. Ich war bei meiner Schwester auf dem Geburtstag. Jan ruft mich gegen 17:00 Uhr an. Ich hatte gerade mein erstes Bier aufgemacht. Jan nur so: „Wir sind live!“. Ich so „Yeah!“. Darauf Jan: „Es funktioniert nichts!“. Also zurück an den Computer, bis zwei oder drei Uhr nachts versucht, das Problem zu fixen, was uns schließlich auch gelungen ist. Wir waren natürlich total emotional und dachten „das war’s jetzt mit der Firma“. Und trotzdem kann man daran eigentlich ganz gut sehen, dass man lieber zu früh launchen und schnell am Markt sein soll, um dann zu iterieren. Das sagt Dir zwar jeder – ist nichts Neues – aber wir haben es wirklich am eigenen Leib erfahren. Das war vielleicht nicht der Tag, an den man mit einem Grinsen eingeschlafen ist, sondern eher mit Bedenken.
Jan: Trotz der Bedenken war es ein Gefühl von „Hey, wir schaffen das“. Das Gefühl, dass du live bist und Umsatz machst. Ein super Spirit.
Janis: Man darf nicht vergessen, dass der Aufbau einer großen Firma ein Prozess ist. Kein Sprint, sondern ein echter Marathon. Oft ist es ja so, dass man Entscheidungen treffen muss, bei denen Du erst ein oder zwei Jahre später siehst, ob sie richtig war. Und wenn du diese Entscheidung rückblickend richtig getroffen hast. Oder Du anfängst zu verstehen, wie die Zukunft aussieht und wohin die Reise gehen muss, damit du richtig erfolgreich wirst. Nimm den letzten Pivot als Beispiel. Daran haben wir sechs Monate lang mit dem gesamten Managementteam gearbeitet, damit auch jeder versteht, warum wir das machen. Wir hatten 120 Mitarbeiter und sind jährlich um 60 bis 70 Prozent gewachsen. Und dann kommt jemand und sagt: „Hey, wir müssen etwas ändern, ansonsten sind wir ´dead in the water´“. Und dann diese 120 Mitarbeiter zu erreichen und darauf zu fokussieren, dass dieser Schwenk jetzt notwendig ist, war es kritisch und relevant. Aber wenn Du dann siehst, wie sich die Firma auf die nächste Ebene hebt, darüber kann man sich wirklich freuen. Das passiert natürlich nicht an einem Tag, sondern eher auf Jahresbasis. Und jetzt sind wir gerade sind wieder an so einem Punkt, wo wir sagen, was wir die nächsten zwölf Monate erreichen müssen. Wir wissen genau, was kommt und was wir machen müssen. Wenn es gelingt, wird dies hier eine der größte Ad Tech Firmen in Europa. Und hoffentlich weltweit. Und das macht natürlich großen Spaß.
Hausbesuch bei Fyber
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