Touch me, Baby …. und sei gut zu mir!
Suchmaschinen, Gutscheine & Rabatte – die Instrumente des Performance Marketing kaufen Traffic ein und pushen die Conversion Rate über den Preis. Wollen Kunden wirklich “eingekauft” werden? Oder wollen sie Wünsche befriedigen und ein gutes Gefühl haben? Eine Reise durch die Kundenwelt mit Thomas Keup.
Jeden Donnerstag gehe ich durch die gläsernen Eingangstüren des Holmes Place Health Club am Berliner Gendarmenmarkt. Jedes Mal lese ich das Leitmotto der britischen Fitness-Kette: “One Life. Live it well.” Jede Woche unternehme ich mit meinem Aqua Fit-Kurs genau das. Und es hat so gar nichts mit mir als leidenschaftlichem Schnäppchenjäger zu tun.
Heute offenbare ich, was für mich und jeden Kunden bei jeder Kaufentscheidung online und vor Ort tatsächlich entscheidend ist. Dies gilt für Schnäppchenjäger wie für anspruchsvolle Kunden, für Neu- wie für Bestandskunden. Growth Hacking bzw. Performance Marketing spielen dabei weniger eine Rolle. Ich spreche über Kunden und ihre Wünsche.
The Apple Marketing Philosophy
Der langjährige Intel-Manager Mike Markkula ist der dritte Mann von Apple – neben Steve Jobs und Steve Wozniak – und von 1981 bis 1983 CEO der Firma, wie Tech-Journalist Christoph Dernbach auf seinem Blog berichtet. Der Elektrotechniker und Stanford-Absolvent Markkula bürgt 1977 für 250.000 US$ und legt den Grundstein für die Produktion des “Apple II”.
Mike Markkula veröffentlicht am 3. Januar 1977 ein Dokument, dass jedes Apple-Produkt – von iPhone über iPad bis zu MacBook und iMac – bis heute beeinflusst und für den Erfolg des Konzerns hauptverantwortlich ist: In der Apple Marketing Philosophy definiert der Business Angel, Großaktionär und Top-Manager die drei Grundsätze des Apple Marketing Erfolgs:
Empathy – Focus – Impute
- Mit Empathy macht Markkula klar, dass keine andere Firma die Bedürfnisse der Kunden so genau versteht, wie Apple.
- Mit Focus stellt Markkula fest, dass Apple deshalb bei seinen Produkten bewusst auf alle überflüssigen Feature verzichtet.
- Mit Impute fokussiert Markkula darauf, Produkte in einer kreativen und professionellen Art zu präsentieren, um die Qualität zu vermitteln.
Mehr als 70 Mio. iPhones wurden zu Weihnachten 2014 verkauft. Jeder kann nachlesen, dass in iOS-Geräten z. T. die gleichen Bausteine zu finden sind, wie in günstigeren Android-Smartphones. Warum habt Ihr ein iPhone und kein Samsung Galaxy? Warum sitzt Ihr vor einem MacBook und nicht vor einem PC? Die Antwort steht in der Marketing Philosophy!
Neben dem fachlichen Aspekt, als führender Anbieter echte Probleme zu lösen (Empathy), zielt Markkula mit “Focus” und “Impute” auf 2 nicht-technische, emotionale Faktoren:
Einfach & Schön.
Focus: Weil einfach einfach einfach ist …
Ein Produkt, dass sich auf wenige Funktionen beschränkt, ist für die meisten Menschen wertvoll. Jeder Kunde will sein Risiko minimieren und gewiss sein, mit dem Produkt zurecht zu kommen. “Löse mein Problem – und mach’ mir kein neues”, fleht uns der Kunde an. Im Zweifel lässt er das Angebot links liegen, bevor er sich gegenüber Familie, Freunden oder Kollegen blamiert.
Impute: It’s not a PC. It’s a (beautiful) Mac.
Kunden können die Qualität eines Produktes nicht beurteilen. Sie müssen sich darauf verlassen, was sie sehen. Produktdesign ist daher wichtiger denn je. Mit Design fühlt sich jeder gut – und sicher. Das öffnet Herzen – und Brieftaschen. Es geht um Wünsche und Glücksmomente. Das Gehirn kauft ein Happy End. Erwartungsgewissheit ist der größte Werttreiber im Geschäftsleben.
Zwischen Begeisterung und Strafe!
Der japanische Professor und Qualitätsmanager Noriako Kano entwickelt 1978 das nach ihm benannte Kano-Modell, um Kundenwünsche und Produktmerkmale abzugleichen. Das Modell basiert auf drei Faktoren:
Unzufriedenheit – Zufriedenheit – Begeisterung
Die meisten Unternehmen zielen auf “Kundenzufriedenheit” ab. Das ist die Schulnote 3, eine mittelmäßige Leistung, eine Lieferung mit akzeptabler Verpackung. Ist die Glasflasche im Paket gesprungen, rappelts im Karton: Die Retourenrate steigt, die Negativbewertung folgt. Der Kunde straft unzureichende Leistungen ab, wickelt Stacheldraht um die Brieftasche. Kein Happy End!
Amazon: Promiss less – deliver over.
Spannender als die Abteilung “Pleiten, Pech & Pannen” sind die “Servicemeister”, wie z. B. Amazon. Sie liefern schneller, sie reagieren kulanter, sie wissen, wie man mit kleinen Geschenken die Freundschaft erhält. Das Geheimnis liegt in der systematischen Überfüllung. Beispiel: Eine Tageskarte Wellness als Entschuldigung, als bei Holmes Place was schief ging.
“Sag mir, dass Du mich wertschätzt!”
In der Kommunikation – persönlich wie professionell – ist Anerkennung und Bestätigung der entscheidende Punkt für eine Empfehlung. Wenn Unternehmen Kundenwünsche überfüllen, bieten sie einen ganz persönlichen Vorteil. Und genau dieser Vorteil ist der Schlüssel zur Begeisterung – die Grundlage jeder Empfehlung.
Die langjährige Marketing-Expertin Anne Schüller empfiehlt in einem Beitrag zum Emotionsmanagement, Kunden nicht nur zu beobachten, sondern zu fragen. So erfahren Produkt- und Marketing-Manager, was Kunden begeistert. Umfragen sind Kommunikation und machen Wünsche sichtbar, wecken Verständnis und fördern die Beziehung. Gute Informationen und offener Dialog sind die Voraussetzungen, in Kontakt zu kommen.
Top Five Trends für 2020 in Europa
Für welche Produkte und Services lohnt es sich, Kommunikation zu organisieren, Content zu produzieren, Servicelevel zu definieren und Empfehlungsmanagement zu betreiben? Die Antwort liefert u. a. die aktuelle Zukunftsstudie von Frost & Sullivan für Hitachi Europe: Die 5 Megatrends für das Jahr 2020 sind
- Urbanisation: Mega Cities
- Digitalisation: Internet of Things
- Efficiency: Future of Energy
- Connectivity: Future of Mobility
- Wellbeeing: Health & Wellness
Während Mega Cities, Industrie 4.0 und Smart Grids eher Politik und Verwaltung, Industrie und Energieanbieter betreffen, bieten sich bei den Cosumerthemen Mobilität und Wohlbefinden große Chancen auch für Startups mit pfiffigen Geschäftsideen.
Growup: Von Mobilität bis Wellbeeing
Bei Mobilität fällt mir moovel von Daimler ein – eine Vermittlungsplattform für Fahrräder, Mitfahrgelegenheiten, Taxen, Mietwagen sowie Busse und Bahnen. Beim Wohlbefinden ist nu3 ein gutes Beispiel. Der Online-Shop ist eine Kombination aus Drogeriemarkt, Reformhaus und Fitnessshop. Beide Beispiele bieten Kunden diversifizierte Angebote – und werden mit ein wenig Glück Kompetenzpartner in ihren Themen.
Anbieter, die es Kunden einfach und sicher machen, Bedürfnisse – z. B. nach Mobilität oder Lebensqualität – zu erfüllen, Anbieter, die mit Kunden direkt kommunizieren und Wünsche übererfüllen, können mit rationalen und emotionalen Vorteilen den Preis überstrahlen und auf Rabatte perspektivisch verzichten, bestätigt auch Marketing-Kollegin Anne Schüller.
In jedem Augenblick des Kaufprozesses geht um “Customer Touchpoints”. Das sind die Momente der Wahrheit, zwischen Anbieter und Kunde – emotional im Kopf. Denn wir wollen uns gut fühlen und glücklich sein. Genau dazu lädt mich der Health Club an der Friedrichstraße ein: “One Live. Life it well.” Mach’ ich! Und Eure Kunden?
Zur Person
Thomas Keup ist ein führender Costumer Relations Spezialist für Digital Startups im Wachstum. Mit dem von ihm aufgebauten Startup Service SPREEFACTORY gewinnen Online Marketer, Produkt Manager und PR-Kollegen den Wettbewerb um Customer Attraction, Conversion- und Rentention Rate sowie Recommendations. Der Berliner Kommunikationsexperte berät zur Ausrichtung, begleitet die Konzeption und betreut die Umsetzung der Kommunikation mit Kunden, Partnern und Medien von Tech-Companies. Zu den Schwerpunkten des Co-Founders des Berliner FinTech-Stammtisches und der pitchfreunde gehören CRM-Strategien, Content-Marketing sowie Social Business Konzepte.