Term-Sheet-Verhandlung 1

Unternehmensbewertung und Meilensteine

Wie laufen Verhandlungen zwischen Start-ups und Investoren ab und was sind ihre Inhalte? Extrem praxisnah vermittelt diese Serie Know-How dazu – basierend auf der Verhandlung eines fiktiven Term-Sheets, die ein 'Start-up' mit einem 'Investor' führt, begleitet jeweils durch ihre Anwälte.
Unternehmensbewertung und Meilensteine
Dienstag, 24. Februar 2015VonElke Fleing

Zu Term-Sheet-Verhandlungen gibt es leider nur wenige praxisrelevante Informationen im Internet oder in der Start-up-Fachliteratur. Man findet unzählige Infos und Tipps, wie man ein Start-up gründet, es aufbaut, wie man Investoren findet, sie begeistert und wie man mit ihnen zusammenarbeitet, wenn man denn zusammengekommen ist.

Aber die Phase dazwischen, die Verhandlung zwischen Start-up und Investor selbst, wird meistens ausgespart. Dabei ist sie so wichtig, denn man muss sich ja handelseinig werden. Und zwar möglichst zu Konditionen, die für beide Parteien fair sind.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass Investoren bei diesen Verhandlungen gegenüber den Start-ups reichlich Informations- und Erfahrungs-Vorsprung haben. Insofern der Rat an Start-ups: Für solche Verhandlungen unbedingt (!) Fachanwälte hinzuziehen. –

Und diese Serie inhalieren, denn trotz anwaltlicher Beratung ist es extrem hilfreich, so viel wie möglich selbst darüber zu wissen, worauf es Investoren ankommt. Denn nur dann kann man

  • bis-hierhin-und nicht-weiter-Verhandlungspunkte definieren,
  • vor den Verhandlungen mit seinen Beratern zusammen Argumente sammeln,
  • wichtige Gegenargumente im Vorfeld ausräumen (zum Beispiel Software-Rechte abklären) oder
  • sogar gegebenenfalls sein Geschäftsmodell modifizieren, um für Investoren interessanter zu werden.

Diese Serie wird helfen, wichtige Informationslücken zu schließen, und zwar sehr praxisnah:

Im November 2014 veranstalteten die internationale Anwaltskanzlei Bird & Bird LLP gemeinsam mit Hamburg Startups eine Live-Verhandlung eines Term-Sheets.

An einem konkreten, imaginären Sachverhalt und Term-Sheet werden Gründer auf den Ernstfall – die Verhandlung mit einem Investor über die Beteiligung an ihrem Start-Up – vorbereitet.

termsheet-verhandlung-basismaterialien-thSachverhalt, Term-Sheet und die Definitionen wichtiger Begriffe haben wir in dem PDF Term-Sheet-Verhandlung bereitgestellt.

Mark Miller, CatCap GmbH und Gunnar Froh, WunderCar Mobility Solutions GmbH nahmen dabei die Rolle des Investors beziehungsweise des Gründers ein.

Ihnen zur Seite standen Dr. Ole Brühl als ‘Anwalt des Gründers’ und Dr. Daniel Weiß als ‘Anwalt des Investors’.

Die damalige Verhandlung kann hier komplett verfolgt werden.

In dieser Serie werden wichtige Passagen der fiktiven Term-Sheet-Verhandlung sinngemäß zitiert und durch zusätzliche Informationen von Rechtsanwältin Caroline Frömmling, Bird & Bird LLP ergänzt.

In der ersten Folge – im Video etwa ab Minute 24:00 – geht es um

Unternehmensbewertung und Meilensteine

Zu Beginn einer jeden Verhandlung über ein Term-Sheet diskutieren Investor und Gründer regelmäßig das Investitionsvolumen und die Beteiligungsquote. Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung dieser wichtigen Parameter ist die Unternehmensbewertung des Start-Ups.

Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen verfügen Start-Ups nicht über belastbare, historische (Finanz-) Daten. Daher kann auf bewährte Bewertungsmechanismen, wie die Ertragswert – oder die Multiplikatormethode und das Discounted Cashflow-Verfahren, nur in begrenztem Umfang zurückgegriffen werden. Mehr Infos zu allen Verfahren bei der IHK Frankfurt .

Dies eröffnet Gründern und Investoren gleichermaßen die Möglichkeit, über die Bewertung, über die Werttreiber des Start-Ups, zu verhandeln. Qualitative Bewertungsfaktoren, wie die persönliche und fachliche Qualifikation der Gründer, die Wettbewerbssituation, die potentielle Marktplatzierung und der Businessplan sind entscheidende Kriterien. Daneben können Gründer den Unternehmenswert mit KPIs („Key Performance Indicators“) hochtreiben, wie etwa mit dem (potentiellen) Umsatzwachstum und bestimmten Leistungskennzahlen, die stark von dem Produkt oder der Dienstleistung des Start-Ups abhängen.

Dies wird auch in dem folgenden Verhandlungsverlauf deutlich. Während der Gründer betont, dass das Produkt, die App, funktioniert, andere Investoren sich dafür interessieren und ein zweistelliger Millionenbetrag an Werbeeinnahmen generiert werden kann, verweist der Investor wiederholt auf sein Risiko, überhaupt eine Rendite durch das Investment zu erlangen. Dabei stellt er nicht nur die Fähigkeiten der Gründer, sondern auch den Erfolg der App in Frage. Schließlich einigen sich die Parteien darauf, dass die Bewertung von dem Erreichen eines Meilensteines abhängt.

Investor (I): Wie günstig werden die Nutzer eingekauft? Und wie real ist das Produkt? Wie hoch soll das Gesamtinvestment sein?

Start-up (SU): Wir planen im Augenblich mit € 500.000, die uns durch das nächste Jahr bringen würden und die genügen, um über 100.000 Nutzer zu bekommen.

I: Okay. Bei aller Begeisterung für das Produkt sind € 500.000 viel Geld für den Status der Firma. Wir haben ein Problem hinsichtlich des Risiko-Rendite-Profils. Eine Beteiligungsquote von 30% genügt hier nicht. Ich würde mich nur wohl fühlen, wenn es 40% sind. Da würde ich sagen „Ok: € 500.000!“

Hinweis: Der Investor argumentiert hier mit seinem Risiko, das er bei einer Beteiligung hat: Je jünger das Start-Up, desto mehr Risiko besteht für den Investor. Er weiß noch nicht, ob das Produkt wirklich funktioniert, wie es bei den Verbrauchern ankommt, wie die Gründer arbeiten etc. Alle diese Risikofaktoren möchte er sich von den Gründern bezahlen lassen, indem er mehr Geschäftsanteile für die Investitionssumme fordert.

SU: Das verstehe ich. Wir kennen uns noch nicht lange – Du weißt noch nicht, was wir können. Außerdem sind wir ein relativ junges Team. Aber wir arbeiten schon lange an der Idee, an dem Algorithmus. Jetzt wissen wir, dass sich unsere Idee umsetzen lässt und tatsächlich funktioniert. Vielleicht können wir irgendeinen Weg finden, das Rendite-Risiko ein wenig zu senken? Ungern würde ich unsere Bewertung schmälern. Ich weiß, was meine Freunde Berlin derzeit so bekommen. Also € 500.000 als Gesamtinvestment ist eine ordentliche, aber auch realistische Größenordnung. Dafür möchte ich aber nicht von vornherein mehr als ein Drittel an unserem Start-Up abgeben. Ich würde lieber bestimmte Punkte definieren, die eingreifen, wenn die Entwicklung hinter unserer Erwartung zurückbleibt.

Hinweis: Diese Argumentation des Gründers ist sehr gut. Er verweist den Investor darauf, dass das Produkt gut und sein Geld wert ist. Es ist in Verhandlungen über den Preis und die Beteiligungshöhe sehr wichtig, dass die Gründer selbst von ihrem Produkt überzeugt sind. Wenn nicht sie, wer sonst?

Mit seinem letzten Satz verweist der Gründer auf sogenannte Meilensteine, die in ein Term-Sheet aufgenommen werden können – etwa für den Fall, dass die Abnahme des Produktes nicht die Ziele erfüllt. Durch diese Konstruktion schützt sich der Gründer davor, zu viele Geschäftsanteile abgeben zu müssen – schlau gemacht!

I: Wir müssen aber eben Geld verdienen, mindestens den Faktor 10 herausbekommen, mit unserem Investment und es bestehen schon einige Risiken: Ihr habt einen großen Wettbewerber, der schon mit großer Finanzierung voranschreitet, wollen wir nun alle über die App Low-Carb essen, macht die APP nachhaltig Spaß, bist Du der richtige Jockey auf den wir setzen, wie groß wird der Exit? Man muss sich auch mal vergleichbare Start-Ups anschauen. Da wachsen die Bäume in Europa leider auch nicht in den Himmel.

SU: Wenn ihr für € 500.000 mit 30% an unserem Start-Up beteiligt werdet, liegt die Bewertung bei circa 1,7 Millionen Euro. Ich kann verstehen, dass ihr euch mit dieser Bewertung schwertut. Ihr kennt nun aber unser Produkt und wisst, dass es gut ist. Wir wissen, dass wir Werbeeinnahmen im zweistelligen Millionen Bereich generieren können. Und es ist auch nicht so, dass sich kein anderer Investor für uns interessieren würde.

I: Das mag so sein, ändert aber an unserem Risiko nichts. Lass uns mal über die Meilensteine reden, die Du eben angesprochen hast. Darüber lässt sich unser Risiko ja auch minimieren – zumindest teilweise.

Hinweis: Der Investor hat angebissen und lässt sich auf die Verhandlung von Meilensteinen ein! Insbesondere die Verweise des Gründers darauf, dass „Werbeeinnahmen im zweistelligen Millionen Bereich“ generiert werden könnten und, dass sich auch andere Investoren für das Start-Up interessieren, dürften hier zu einem Nachgeben des Investors geführt haben.

SU: Gern. Was hältst Du davon: Wenn wir die Erwartung erfüllen, ist eine Beteiligung von 30% ausreichend.

I: Damit könnte ich leben, wenn der Meilenstein ambitioniert ist. Er könnte zum Beispiel an Downloads und an die Aktivität in der App für die nächsten sechs Monate geknüpft werden. Das sind für mich typische Werttreiber.

SU: Ja, sehe ich auch so. Es geht zunächst darum, eine breite User-Basis zu erhalten. Wir können ja keine Werbekunden ansprechen, wenn wir nur einige 10.000 Nutzer haben. In dem Term-Sheet habt ihr den Vorschlag gemacht, dass die Auszahlung in zwei Raten stattfindet. Wäre das dann 50/50?

Hinweis: Meilensteine, also bestimmte Umstände, an deren Eintreten oder Nichteintreten bestimmte Folgen geknüpft sind, können von den Parteien frei verhandelt werden. Für Gründer ist dabei wichtig, sich nicht vorschnell auf bestimmte Meilensteine einzulassen, ohne überprüft zu haben, ob sie auch tatsächlich eingehalten werden können. Sind Meilensteine einmal vereinbart, werden sich die Parteien daran festhalten lassen müssen.

I: Ja.

SU: Das heißt, wir müssten überlegen, wie weit wir mit den ersten € 250.000 kommen?

I: So ist es. Meine Erfahrung ist, dass es für Gründer gut ist, wenn das Geld erstmal knapp ist. Ihr müsst dann findig werden.

SU: Interessanter Ansatz. Das sehen wir ein bisschen anders. Wir müssen die Zukunft planen, das ist mit knappem Geld schwer. Ich will nicht pausenlos an eine mögliche Insolvenz denken. Das wollt ihr ja auch nicht!

Hinweis: Guter Punkt! So unangenehm dieses Thema ist – es sollten stets ein erfahrener Steuerberater und/oder Rechtsanwalt einen Blick auf die insolvenzrechtliche Situation des Start-Ups haben. Ein entsprechendes Vergehen kann nicht nur zivil-, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben.

I: Nein, natürlich nicht. Was ist denn Dein Vorschlag für den Meilenstein? Wir haben ja das Thema „Downloads“ angesprochen.

SU: Finde ich gut. Wir haben ein Budget aufgestellt. Ungefähr 40% der Kosten gehen ins Marketing. Mit dem Geld kaufen wir quasi direkt Downloads.

I: Was kostet denn ein Nutzer?

SU: Ein Nutzer kostet im Augenblick ungefähr € 1,5. Bei einem ersten Investmentbetrag von € 250.000 können wir 40%, € 100.000, für die Nutzer verwenden. Wir könnten also ca. 67.000 Nutzer erreichen.

Hinweis: Hier punktet der Gründer erneut! Durch diese Rechnung zeigt er nicht nur, dass er über den aktuellen Stand des Produktes informiert ist. Er kann dem Investor auch sofort vorrechnen, wie sich das Investment unmittelbar auf das Start-Up auswirkt.

I: Dann versucht doch mal auf € 1 pro Nutzer zu kommen. Ihr habt doch eine gute Marketingfrau. Wenn ihr 100.000 Downloads erzielt, ist die Firma auf einem guten Weg.

SU: Genau, das ist der Planwert. Müssen wir dann 100.000 Nutzer erreichen, um den Meilenstein zu erfüllen? Genügen nicht auch 80.000? Was passiert denn überhaupt, wenn der Meilenstein gerissen wird? Bekommen wir dann kein weiteres Geld mehr?

I: Doch. Wir könnten es so gestalten: Wenn ihr den Meilenstein nicht erfüllt, erhaltet ihr zunächst € 125.000 von der zweiten Rate als Darlehen mit einem bestimmten Zinssatz. Wenn ihr den Meilenstein 2 Monate nach der eigentlichen Frist erreicht, erhaltet ihr die Schlussrate, also die restlichen € 125.000. Das Darlehen, also die ersten € 125.000 könnten wir dann wandeln in Eigenkapital.

Hinweis: Ein sogenanntes Wandeldarlehen ist ein Darlehen, dass bei Eintritt vereinbarter Voraussetzungen in Geschäftsanteile des Start-Ups „gewandelt“ werden können. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt werden – es also nicht in Geschäftsanteile des Start-Ups gewandelt wird, ist der Darlehensbetrag zu den vereinbarten Konditionen bei Fälligkeit an den Investor zurückzuzahlen.

SU: Wenn wir den Meilenstein nicht erfüllen, hättet ihr ja 30% Beteiligung erhalten für € 250.000?! Dann läge die Bewertung ja nur bei € 800.000?!

I: Wir lassen uns ja auf eine Bewertung von € 1,7 Millionen ein, aber eben unter der Bedingung, dass der Meilenstein erreicht wird. Wenn er bis zum Ablauf der Frist nicht erreicht wird, geht die Bewertung erst einmal auf € 1,3 Millionen runter, und wenn der Meilenstein endgültig nicht erreicht wird, sind wir bei der Hälfte.

SU: Okay.

I: Dann war das Start-Up eben anfänglich nicht mehr Wert. Aber um es klar zu sagen: wir freuen uns keinesfalls, wenn der Meilenstein nicht erreicht wird. Als Venture-Capitalist lebt man vom Wachstum und nicht davon, Geld zu sparen.

SU: Du sagtest eben noch etwas von einer Verzinsung…

I: Also, derzeit können wir wohl mit 10% leben.

SU: Gut, aber Sicherheiten gibt’s nicht. Und eine Laufzeit des Darlehens von vier Jahren.

I: In Ordnung.

Hinweis: Dieses Beispiel veranschaulicht die Bildung des Unternehmenswertes sehr schön. Durch die Vereinbarung des Meilensteins mit dem Wandeldarlehen werden das Interesse des Gründers (eine hohe Bewertung) und jenes des Investors (Verlustrisiko) abgebildet. In diesem Beispiel wird versucht durch den Meilenstein zu substituieren, dass über das Start-Up keine historischen (Finanz-)Daten existieren, indem die Bewertung des Start-Ups nach einer gewissen „Probezeit“ angepasst wird.

Im nächsten Beitrag dieser Serie wird die so genannte Due Diligence Thema sein, eine Risikoprüfung, bei der der Investor die technischen, finanziellen, recht- und steuerlichen Aspekte des Start-Ups prüft.

Zur Person
caroline-froemmling-two-birds

Caroline Schimpeler ist Rechtsanwältin bei der global tätigen Anwaltskanzlei Norton Rose Fulbright für die Bereiche Corporate, M&A und Venture Capital. Sie berät unter anderem Start-ups in allen Lebenslagen – von der Gründung über die Beteiligung von Investoren bis zum vollständigen Verkauf. Zur Zeit der Term-Sheet-Verhandlung war sie noch als Rechtsanwältin in demselben Bereich bei der Anwaltskanzlei Bird & Bird LLP tätig.

Foto oben: Mit freundlicher Genehmigung von Hamburg Startups

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.