Sharing Economy
Das Pendel kommt zurück: Vom Teilen zur Individualität
Black Friday, Kälte-Bonus, Sonntags-Shopping, Christmas-Sale: Online-Portale und Shopping-Malls übertrumpfen sich, wie nie zuvor. Der Großangriff auf unsere Brieftaschen läuft auf vollen Touren. Mit Rabatten, Gutscheinen und Cashback wecken Marketer via Fernsehwerbung und Onlinekampagnen unsere Gier. Besitz ist Synonym für persönlichen Erfolg. Anerkennung von Freunden und Familie ist die Belohnung.
Neue Generation, neue Leitwerte, neue Wirtschaftskultur.
Die Generation Y: Geboren nach 1980 sind sie mit dem Netz groß geworden. Ihr Einstieg ins Berufsleben ist geprägt von Wirtschaftskrisen, Rentenkürzungen und Unsicherheit. Und etwas treibt sie an: Nach 40 Arbeitsjahren wollen Sie nicht enden wie ihre Eltern – in Berufsunfähigkeit und Grundsicherung. Ihre Lösung: Verzicht. Alles, was man nicht 1x im Monat braucht, kann weg.
Neue Menschen und Kulturen kennenlernen hilft Digitalen Nomaden, ihren Platz in der globalen Welt zu finden. Mit Billig-Ticket im Rucksack teilen sie sich Sofa oder Gästezimmer. Mit wenigen Klicks wälzen Airbnb & Co. eine ganze Industrie um – geben den Startschluss für die Sharing Economy. Von Bohmaschine bis Campingausrüstung, vom Abendkleid bis Abendessen wird geteilt, was geteilt werden kann – mit weitreichenden Folgen.
Nachhaltigkeit ist kein Faktor für die Kultur des Teilens.
Besitz schafft Privatsphäre – einem unserer Leitwerte. Doch Eigentum verpflichtet und schafft auch Abhängigkeit – denn Besitz erzeugt laufende Kosten. In Zeiten befristeter Arbeitsplätze, steigender Großstadtmieten und unsicherer Rentenkassen muss – nicht nur – die Generation Freelancer vorsorgen. Der kleine Zuverdienst wird zum Treiber in der Sharing Economy. Eine Notwendigkeit vor allem in Großstädten und für jüngere Leute.
Teilen ist eine der ältesten Interaktionen der Menschheit. Sharing Economy eine moderne Form des Tauschhandels. Teilen bekommt zudem einen neuen Wert: die Freiheit. Teilen bedeutet weniger Verpflichtungen und zugleich höhere Flexibilität. Geteiltes Eigentum sichert die eigene Unabhängigkeit – z. B. mit Car Sharing. Ein Geschäft für Anbieter von Shared Services – in Tourismus, Autoindustrie oder in den Medien.
iPad oder Outback? Besitz vs. Freiheit? Technik vs. Erlebnis?
Die Sharing Economy ermöglicht Zugriff auf Standardangebote, wie Bohrmaschine, Auto oder Gästezimmer. Eingespartes Geld ermöglicht finanzielle Spielräume, individuelle Wünsche zu erfüllen: Klasse statt Masse und Qualität vor Quantität werden finanzierbar. Outback kommt vor iPad. Individualität bekommt eine Chance: Weg von der Stange, hin zu persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen.
Das Ende des Massenkonsums ist eingeläutet. Standardgüter werden entwertet, ebenso wie Massenmedien. Persönliche Wünsche werden gelebt, z. B. durch Reisen. Nischen werden zum Nischenmarkt – Nischenmärkte zum Wirtschaftsfaktor in der westlichen Welt. Die Technik unterstützt den Trend: Weg von der Einheitsproduktion – hin zu individuellen Gütern.
Die 3. Dimension – aus dem Drucker unterm Schreibtisch
Die Zukunft steht schon in den Startlöchern, der erste 3D-Drucker bei Tchibo im Regal. Was bisher ein Thema bei der Tech Open Air war, wird Megatrend und Massengeschäft. Nach Copyshops kommen 3D-Printing-Shops, nach Tintenstrahler der 3D-Drucker ins eigene Büro. Schon bald machen wir Geschenke, Haushaltsartikel und Lieblingssneakers selber. Der Anfang des individualisierten Zeitalters – basierend auf Smart Data und vernetzter Industrie 4.0.
Vor 100 Jahren war Privatsphäre ein Luxus: Großgrundbesitzer besaßen ihn, Großfamilien träumten davon. “Hab & Gut” war die Basis für ein Stück Privatheit. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Eigenheim, eigenes Auto und Urlaubsreisen zum großen Luxus der Kleinfamilie. Unabhängigkeit und ein besseres Leben waren die treibenden Faktoren für die Generation Häuslebauer. Mit der individuellen Produktion kommen wir in eine neue Zeit der Privatheit.
Das Pendel kommt zurück: Von Besitz zu Individualität.
Nach sozialer Marktwirtschaft, nach Globalisierung und Sharing Economy gehen wir in ein Zeitalter der Individualität: Individuelle Produktion ermöglicht individuelle Produkte, individuelle Produkte befriedigen individuelle Bedürfnisse. Individuelle Bedürfnisse bedeuten individuelle Privatsphäre. Nach dem geteilten “Wir” kommt das individuelle “Ich”. Konsumenten werden jetzt zu Prosumenten. Das Pendel kommt zurück.
Über die Autoren
Ortwin Wohlrab ist Vorstandsmitglied der NETFOX AG, einem renommierten IT-Dienstleister in der Hauptstadtregion. Mit “connected.business” kümmert sich NETFOX um sichere IT-Infrastrukturen u. a. in mittelständischen Unternehmen und namhaften Berliner Startups. Als langjähriger Vorsitzender des IT-Branchenverbandes SIBB e. V. entwickelte der Bundesverdienstkreuzträger die regionale IT-Industrie mit fast 4.000 Unternehmen und 50.000 Beschäftigten zu einer Leitindustrie in Berlin-Brandenburg.
Thomas Keup ist langjähriger Journalist und PR-Partner der NETFOX AG. Der Spezialist betreut fortschrittliche IT-Unternehmen und zukunftsweisende Startups in ihrer Kommunikation. Als Pressesprecher verantwortete der gelernte Hörfunk-, Fernseh- und Online-Redakteur die Kommunikation für den Neubau des Berliner Hauptbahnhofs. Als Leiter Kommunikation und Marketing begleitete er die SOLON AG an die Börse. Als Pressesprecher des IT-Branchenverbandes SIBB e. V. vertrat er die regionale IT-Industrie gegenüber Medien und Öffentlichkeit.