Gastbeitrag von Lukas-C. Fischer
So funktioniert erfolgreiches Storytelling – auch für Start-ups
“Erzähle mir eine Geschichte, die ich nicht vergessen und nicht für mich behalten kann” – dieser Satz eines Kollegen ist eine der besten Definitionen von erfolgreicher Kommunikation, die ich kenne. Denn im Kern geht es doch immer um eine gute Geschichte, die ihre Zuhörer begeistert und aus ihnen bestenfalls selbst Erzähler macht – in klassischen Medien, sozialen Netzwerken oder in der Mittagspause. Die Kunst dabei ist es, dass alle die gleiche Geschichte erzählen. Denn heute prasseln eine Menge Geschichten von vielen verschiedenen Absendern auf uns ein – und wir hören kaum noch zu. Aber wenn zum Beispiel ein Mensch von einer Raumkapsel aus über 38.000 Meter Höhe einen Sprung zurück zur Erde wagt oder wenn ein Filmemacher Menschen dazu bringt, sich vor der Kamera zum allerersten Mal in ihrem Leben zu küssen: Dann schauen wir zu, lassen uns mitreißen und erzählen genau diese eine Geschichte weiter.
Aber wie funktioniert erfolgreiches Storytelling?
An dieser Stelle muss man sich vielleicht fragen, warum es überhaupt Geschichten gibt. Denn eine gute Geschichte ist mehr als gute Unterhaltung. Sie ist so etwas wie die Simulation der Wirklichkeit. Hier tut jemand etwas, was wir uns selbst nicht trauen würden oder was wir einfach noch nie gemacht haben – weil es uns gar nicht eingefallen ist. So eine Geschichte baut auf Archetypen auf – wie beispielsweise die Heldenreise. Und das erklärt auch, warum so manche jahrtausendalte Geschichte – Herkules, Odysseus, David gegen Goliath – auch heute noch gut funktioniert: Anders als der Stereotyp ist ein Archetyp völlig zeitlos, entspricht er doch dem Urbild menschlicher Vorstellungsmuster. Sowohl der Handlungsverlauf als auch die Charaktere können als Archetyp dienen. So sind die sieben archetypischen Handlungen nach Christopher Booker, Autor des Buches The Seven Basic Plots: Why We Tell Stories, folgende: das Besiegen des Monsters, vom Tellerwäscher zum Millionär, die Heldenreise, die Reise und Rückkehr, die Komödie, die Tragödie und die Wiedergeburt. Dabei werden die Charaktere in unterschiedliche Muster unterteilt, wie z.B. der Zauberer, der Krieger, der Entdecker, die Verführerin, der Liebhaber, der Hofnarr oder das Mädchen.
Das klingt ein bisschen nach Tarot, hat aber tatsächlich dramaturgischen Wert. Vor allem wenn es darum geht, eine Entsprechung für die Rolle bzw. die Attribute der Marke zu finden, eignen sich die archetypischen Charaktere natürlich sehr gut. Denn ganz egal, ob die Geschichte ein eher männliches Muster erzählt – wie die des Entdeckers bei Red Bull – oder einen verführerischen Kern hat und eine Sehnsucht in uns zum Klingen bringt, wie bei den Küssenden („Die Verführerin“) des Modelabels WREN: Beide bieten eine große, zeitlose Fläche zur persönlichen und emotionalen Identifizierung mit den Protagonisten. Und das ist es doch, was wir wollen: Relevanz!
Um als Marke eine solche Geschichte zu erzählen, muss also ein den Markenwerten entsprechender Archetyp gefunden und konsequent in die Markenerzählung eingebaut werden. Dass eine Geschichte mit einem Archetyp sehr witzig sein kann, sieht man an der Kampagne von Old Spice, einer amerikanischen Firma für Männerpflegeprodukte, wo die Rolle des Kriegers mit der des Liebhabers und Hofnarren vermischt wird und der perfekte Held so auch gleichzeitig einen – ganz klassisch nach Aristoteles – Anti-Helden darstellt.
Storytelling für den Erfolg von Start-ups wichtig
Wer sich Gedanken zu gutem Storytelling macht, sollte auch über Markenwerte und Markenpositionierung nachdenken. Letztlich ist es gerade im Consumerbereich wichtig, von Anfang an ein klares Markenbild zu haben und sich nicht nur gegenüber dem Wettbewerb abzugrenzen, sondern auch beim Publikum zu verankern. Gerade bei Start-ups kommen solche Überlegungen oft zu kurz. Während an der Präsentation des Business Modells für potentielle Investoren oft stundenlang gefeilt wird – Elevator Pitch hier, Business Wettbewerb da – greifen die Gedanken zur Story jenseits von USP und KPIs meist zu kurz. Dabei sind Markenwerte und Markengeschichte für den Erfolg eines Unternehmens sehr wichtig, denn sie schaffen nicht nur Unterscheidbarkeit, sondern vor allem auch Loyalität. Eine gute Brand hat Unterstützer, die diese im Krisenfall auch verteidigen. Und sie hat Potential für organisches Wachstum, wo wir wieder bei der guten Geschichte wären, die ich nicht vergessen kann und unbedingt weiter erzählen muss.
Wer bei Marke an ein paar nette Gestaltungselemente denkt und an ein cooles Logo, der ist wahrscheinlich bei Tailorbrands aus San Francisco gut aufgehoben. Für 50 Dollar gibt es hier mit wenigen Mausklicks Logo, Visitenkarten und Briefpapier. Wer aber – so wie ich – daran glaubt, dass eine starke Marke aus Werten und einer sehr guten Geschichte besteht, der sollte sich intensiv und früh mit Brandpositioning und Storytelling auseinandersetzen. Es lohnt sich.
Passend zum Thema: “A Tale of two Cows als Paradebeispiel visuellen Storytellings” und “Storytelling für Start-ups: Gute Unternehmens-Storys: Arten und Zutaten“.
Foto: once upon a time a cloud massage in the sky from Shutterstock
Zur Person
@loucanova, aka Lukas-C. Fischer ist Account Director bei der PR-Agentur Edelman. In seiner Rolle als Start-up Evangelist vernetzt er von Berlin aus Edelman mit Gründern und jungen Unternehmen.