Gründungsstandort Berlin vs. Frankfurt.

Für welche Gründer Frankfurt der bessere Standort ist

Gründungsinteressierten in Frankfurt kann man Mut machen sich für diesen Standort zu entscheiden. Wer gut vernetzt ist, und bei der Finanzierung als keine Unterstützung von einem Company-Builder benötigt, der wird auch Chancen auf Augenhöhe mit seinen Hauptstadtwettbewerbern haben.
Für welche Gründer Frankfurt der bessere Standort ist
Mittwoch, 10. Dezember 2014VonTeam

Als Manuel Müller und Dennis Schmoltzi vor einem Jahr Dormando gründeten, war die Frage des Standorts ein heißes Thema für beide Gründer. Müller hat die letzten fünf Jahre während seines MBA Studiums an der WHU bereits in Frankfurt am Main gelebt und Schmoltzi hatte während seiner Zeit bei McKinsey ebenfalls seine Homebase in Frankfurt. Aufgrund des Start-up-Booms in Berlin – insbesondere im Bereich E-Commerce – waren die beiden Gründer anfangs unschlüssig ob Frankfurt überhaupt als Gründungsstandort in Frage kommen kann. Wettbewerber haben sich bei der Standortwahl häufig proaktiv für Berlin entschieden. Um nicht ungeprüft der Herde hinterherzurennen, haben die beiden erstmal eine Abwägung vorgenommen, welche sie in den folgenden Zeilen darlegen.

Personalsituation und Lohnniveau

Ein häufig verbrachtes Argument für Berlin ist die Personalsituation, bzw. das vermeintlich niedrigere Lohnniveau. Wenn man hier nach belastbaren Zahlen schaut, so ist das durchschnittliche Lohnniveau in Frankfurt sicherlich deutlich höher als das in Berlin. Heruntergebrochen auf die wirklich relevanten Stellen für ein E-Commerce Unternehmen, sieht die Realität am Ende anders aus. So sind die Gehälter welche man insbesondere für Entwickler und das Mittel- sowie Topmanagement bezahlt in Frankfurt vergleichbar mit Berlin. Dies ist insbesondere damit begründbar, als dass diese Fachkräfte hochmobil sind und national wettbewerbsfähige Tarife verlangen. Im Bereich von administrativen Stellen, liegt der Gehaltsschnitt in Frankfurt sicherlich über dem Berliner Niveau, dies ist unter anderem auf Nachfrage bei Großunternehmen wie Banken und Versicherungen zurückzuführen. Ganz anders verhält es sich dann wieder bei Geisteswissenschaftlern für den Content Bereich, sowie Kreativen wie Webdesignern, Fotografen und verwandten Berufen. Die Nachfrage nach diesen Fachkräften ist in der Finanzmetropole deutlich niedriger als im hippen Berlin, weshalb Frankfurt für diese Berufe eine gute Rekrutierungssituation vorweisen kann.

Aus Diskussionen mit etablierten Berliner Gründern haben die Frankfurter zudem erfahren, dass in Berlin spezialisierte Mitarbeiter wie im Bereich SEM, SEO und IT-Entwicklung häufig abgeworben werden, bzw. einer deutlich stärkeren Fluktuation unterliegen. Die Erfahrung in Frankfurt hingegen zeigt, dass hier mehr Ruhe im Arbeitsmarkt herrscht, weil bedeutend weniger Nachfrage für diese Jobs besteht. Praktikanten können in allen Fachrichtungen gut angeworben werden, weil insbesondere Startup-affine Kandidaten nur wenig Angebot in Rhein-Main finden. Dies gilt insbesondere für Studenten in den ersten Semestern, weil viele der etablierten Großunternehmen lieber auf Bewerber in höheren Fachsemestern zurückgreifen. Aber aufgrund des Mindestlohnes ab Januar 2015 wird sich das Gehaltsniveau zwangsläufig für Praktikanten zwischen Frankfurt und Berlin angleichen.

Anbindung und Erreichbarkeit

Es ist kein Geheimnis, dass Frankfurt verkehrstechnisch die am besten vernetzte Stadt in Deutschland ist. Hier seien insbesondere die zentrale geographische Lage, die gute Fernstreckenanbindung per Bahn, sowie der internationale, stadtnahe Flughafen genannt. Diese Situation ermöglicht es einerseits Mitarbeiter aus nahegelegenen Städten wie Mannheim, Heidelberg, Aschaffenburg oder Fulda einpendeln zu lassen, aber auch starke Beziehungen zu Lieferanten zu unterhalten welche in der gesamten Republik verteilt sind. Der psychologische Faktor eben nicht in Berlin zu sitzen, und somit ein E-Commerce-Unternehmen außerhalb der vermeintlich aggressiveren Berliner Szene zu unterhalten, kann dabei in Hinblick auf solide Lieferantenbeziehungen je nach Industrie gar nicht überschätzt werden.

Finanzierung

Frankfurt ist neben der wunderschönen Skyline natürlich auch für seine Vielzahl an Finanzinstitute und Private Equity Unternehmen bekannt. Wer glaubt, dies hätte einen Vorteil für die Finanzierung eines Start-ups, liegt falsch. In den ersten Finanzierungsrunden sind es eher Business Angels, Inkubatoren und insbesondere auch öffentliche Förderprogramme welchen einem Gründer beim Durchstarten helfen.  Während es Business Angels grundsätzlich häufig egal ist ob Ihr Investment in der Heimatstadt passiert oder anderswo, legen Inkubatoren verständlicherweise großen Wert auf räumliche Nähe. Hier liegt Frankfurt sicherlich weit hinter Berlin, insbesondere was E-Commerce betrifft. Möchte man die öffentliche Förderstruktur für Existenzgründer zwischen Berlin und Frankfurt vergleichen, so muss man schon tiefer ins Detail gehen. Gründungs- und Anschubfinanzierungen wie z.B. das Startgeld der KFW sind an beiden Standorten gleichermaßen gut verfügbar. Wenn es dann jedoch in spätere Investitionsrunden geht, sind es eher die landeseigenen Programme wie die der IBB (Berlin) bzw. der WI-Bank (Hessen) welche zum Zuge kommen. Während die IBB bereits über viel Erfahrung in der (Co)-Finanzierung von schnell wachsenden Gründungen besitzt, sind die Hessen deutlich konservativer veranlagt, unerfahrener und damit auch weniger offen für Startup-Belange.

Räumlichkeiten und Büromieten

In diesem Punkt kann sich Frankfurt gegenüber Berlin und anderen Großstädten profilieren. In Frankfurt herrscht aufgrund der regen Bauaktivitäten derzeit chronischer Leerstand bei Büroflächen. Zentrale und gut ausgestattete Flächen sind daher häufig unterhalb der Berliner Preise zu finden.  Insbesondere das Frankfurter Bahnhofsviertel gilt momentan als attraktiver Standort für Startups als auch für kreative und innovative Unternehmen, weil sich zentrale Flächen zu guten Konditionen direkt zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt anmieten lassen. Fairerweise muss man sagen, dass allerdings Mietwohnungen dagegen teurer sind, da diese im Gegensatz zu Büros Mangelware sind.

Netzwerke und Austausch

Verglichen mit Berlin ist das Netzwerk an Fachleuten und Agenturen, vor allem im Bereich SEO und SEM viel überschaubarer. Allerdings kann dies nicht pauschal als Nachteil gewertet werden: Wer z.B. in Frankfurt als E-Commerce-Startup am Zahn der Zeit beteiligt sein möchte, sollte Kontakte in die Berliner Szene pflegen. Gründer welche z.B. aus Studienzeiten oder im persönlichen Umfeld Kontakte zu Meinungsführern und Experten in Berlin hat, dürfte auch in Frankfurt und anderswo gut über die Runden kommen. Wer als Newcomer ohne Kontakte durchstarten möchte, dürfte das inoffizielle Bierchen mit erfahrenen Gründern zum fruchtbaren Meinungsaustausch eher schwerer finden als in Berlin.

Zusammenfassend kann man Gründungsinteressierten in Frankfurt Mut machen sich für diesen Standort zu entscheiden. Wer bereits von vorneherein gut vernetzt ist, und bei der Finanzierung als auch beim Unternehmens-Setup keine Unterstützung von einem Company-Builder benötigt, der wird auch außerhalb der Berliner Gründerszene Chancen auf Augenhöhe mit seinen Hauptstadtwettbewerbern haben, während gleichzeitig einige Upsides am Personal- und Büroflächenmarkt auf ambitionierte Mainhattan-Gründer warten.

Ein kleines Inside zum Schluss für Zahlenfreunde: Laut Aktueller Erhebung der Wirtschaftswoche liegt Frankfurt am Main mit Abstand auf Platz eins, mit 86 Gründungen pro 10.000 Einwohner, Berlin ist hingegen nicht in den Top 50 zu finden. Diese Zahl lässt vermuten, dass Berlin zwar besser brüllen kann als Frankfurt, aber kann man dort auch wirklich besser gründen?

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Foto: Frankfurt, Germany financial district skyline from Shutterstock