Was Onliner von den Fehlern des Handels lernen können
Bereits in den 90er Jahren wurde die „Servicewüste Deutschland“ heiß diskutiert. Heute – fast 20 Jahre später – können die Kunden noch immer ein Lied davon singen. Kompetente und höfliche Verkäufer scheinen rar beim Bummel durch die Geschäfte, genauso wie eine zufriedenstellende Auswahl an Produkten. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren besonders zur Weihnachtszeit immer mehr Menschen aufs Shopping im Internet umsteigen. Das richtige Geschenk ist via Suchmaschine oder im Lieblings-Webshop schnell gefunden und mittels weniger Klicks versandbereit.
So wird wertvolle Zeit gespart, überfüllte Geschäfte gemieden und unnötiges Ärgern über nicht auffindbare oder häufig unmotivierte Verkäufer vermieden. Den Onlinehandel freut diese Entwicklung. Allerdings sollten auch E-Commerce-Betreiber die Kritik der Käufer am Offlinehandel beherzigen, um nicht die gleichen Fehler zu begehen. Nützliche Dienstleistungen, die das Onlineshopping unkompliziert und angenehm gestalten sowie das Motto „Der Kunde ist König“ zu verinnerlichen, sind der Schlüssel zur Steigerung der Conversion Rate.
Die Auswahl macht den Unterschied – und die Beratung
Ein Stadtbummel oder der Geschenkekauf erfordert für einen Großteil der Bevölkerung die Fahrt in die Stadt, um in einem Warenhaus oder im Einzelhandel das Gesuchte zu finden. Besonders vor Feiertagen geht das einher mit überfüllten, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Staus. Umso frustrierender ist dann der Satz: „Das führen wir leider nicht!“. Insbesondere dann, wenn der Verkäufer sich nicht die Mühe zu machen scheint, Alternativen vorzuschlagen. So sind mehrere Anläufe notwendig, bis man endlich alle Geschenke zusammen hat.
Das Internet wartet hingegen mit einer breiten Auswahl an Produkten auf und es gibt fast nichts, was man nicht mit zwei, drei Klicks erwerben könnte. Gelangt ein Nutzer aber zum Beispiel über die Google-Suche in einen Webshop und findet dort nicht sofort das gesuchte Produkt, ist die Gefahr groß, dass schon in diesem frühen Stadium die Seite wieder verlassen wird. An dieser Stelle gilt es für den Webshop als kompetenter Verkäufer zu agieren: Er sollte dem Nutzer weitere Produkte der Webseite präsentieren, die seiner Suchanfrage entsprechen. Dieser Service ermöglicht dem Kunden, doch noch genau das zu finden, was er sich wünscht und beeinflusst sein Online-Shopping-Erlebnis positiv.
Balanceakt zwischen Unfreundlichkeit und Aufdringlichkeit
Fast jeder kennt die Situation, dass konkrete Fragen zu Produkten oftmals nicht zur Zufriedenheit beantwortet werden und expliziten Kundenwünschen nicht nachgegangen wird. In Onlineshops kann ein digitaler Assistent helfen, der den User beim Einkauf begleitet und ihm bei Fragen in Echtzeit zur Seite steht. Allerdings sollte man bei aller Hilfsbereitschaft für den Kunden nicht in eine andere Falle tappen, die im stationären Geschäft ebenfalls häufig die Kunden verärgert: Aufdringlichkeit.
Allzu anhänglichen Verkäufern im stationären Handel entsprechen online überdimensionale Bannerwerbungen und ständige Popups. Wie so oft, gilt es, das richtige Maß zu finden. Hat ein Kunde den Shop verlassen und surft auf anderen Seiten weiter, begünstigen vereinzelte und gezielte Re-Targeting-Maßnahmen zum passenden Zeitpunkt und an richtiger Stelle die Wiederkehr eines abgesprungenen Käufers. Penetrante Bannerwerbung wird ihn dagegen in die Flucht schlagen.
„Danke, sehr zuvorkommend!“
Nicht alles war früher besser, aber der Einzelhändler kannte seine Kunden meist noch mit Namen. Mehr noch: Auch Konfektionsgrößen, Lieblingsfarben und persönliche Vorlieben waren ihm bekannt. Auf diese Weise konnte er die Kundschaft optimal und zuvorkommend beraten. Bei den heutigen Großkaufhäusern und Handelsketten mit ihren Tausenden Kunden ist es selbstverständlich nicht mehr möglich, ein persönliches Verhältnis zwischen Kunde und Verkäufer aufzubauen. An dieser Stelle können jedoch Webshops groß auftrumpfen.
Mittels moderner Algorithmen und auf Basis vorheriger Bestellungen „weiß“ der Onlinehändler, welche Produkte seine Kunden interessieren. Individualisierte Empfehlungen vermitteln das Gefühl, in diesem Shop als Person ernst genommen zu werden. Sollten dennoch Fragen offen sein oder es Anlass zu Kritik geben, so kann sich der Kunde über den digitalen Echtzeit-Assistenten unkompliziert und direkt an den Online-Händler wenden.
Rabatte – Wer kann da schon „nein“ sagen?
Große Rabattaktionen kennt man aus dem stationären Handel oft nur noch aus dem alljährlichen Sale. Individuelle Discounts für Neukunden sind zum Beispiel offline nicht üblich. Dabei freut sich doch jeder über einen Rabatt. Onlineshops haben den Vorteil, dass sie durch ihre niedrigeren Personalkosten oft mehr Spielraum für Ermäßigungsaktionen haben. Neukundenrabatte können zum Beispiel das Argument sein, das Nutzer zu Käufern macht.
Auch temporär begrenzte Kampagnen oder saisonale Ereignisse – wie Muttertag, Ostern oder Valentinstag – mit gezielten Discounts zu begleiten, ist durchaus empfehlenswert. Rabatte sind jedoch nicht per se sinnvoll: Wenn Ermäßigungen Nutzer erreichen, die ohnehin gekauft hätten, wird die Marge des Webshops vollkommen unnötig geschmälert. Auch hier gilt es, entsprechendes Wissen über Kundenverhalten gezielt und in richtigem Maße umzusetzen.
Onlinehändler können an vielen Stellen aus den Fehlern des stationären Handels lernen und auch aus ihren Kunden Könige machen. Auf diese Weise finden die Nutzer online genau das, was sie offline vermissen. Davon profitieren Webshops dann nicht nur im Weihnachtsgeschäft, sondern das ganze Jahr über.
Zur Person:
Oliver Graf ist Geschäftsführer der Ve Interactive DACH GmbH. Das Unternehmen ist Anbieter einer Plattform für Conversion-Rate-Optimierung bei Kaufabbrüchen. Einzelne Apps für Re-Marketing, Re-Engagement- und Re-Targeting bieten Nutzern kundenorientierte Dienstleistungen und helfen bei der Steigerung der Conversion Rate. Zuvor war Graf unter anderem Geschäftsführer der tvype GmbH, Manager International Business Development bei der Axel Springer AG sowie Manager Business Planning bei der Premiere AG.