Wie man garantiert keinen Investor für sein Start-up findet
“I love your idea. Let’s talk again, here’s my card.” Dies waren die Worte eines bekannten europäischen VCs, dem ich im Mai 2013 LABELit präsentierte. Hört sich gut an? Falsch. Das war eine Absage. Wir bekamen viele Absagen von Investoren während unserer Zeit mit LABELit.
Aber von Anfang an…
Als wir LABELit gründeten, dachten wir, wir seien die Größten. Die Weltherrschaft ist nur eine Frage der Zeit. Und eine Frage des Geldes. Ungefähr 1 Mio. Euro Finanzierung für die erste Runde hatten wir kalkuliert, fast 4 Mio. Gesamtkapitalbedarf errechnet.
Das Milliönchen sollte doch aufzutreiben sein. War es aber nicht. Denn wir haben einige grundlegende Dinge falsch gemacht – und zwar diese fünf:
1. Natürlich bekommen wir Geld vom VC
Es gibt im Grunde drei Standardinvestitionen bei Start-ups. Jeder Gründer sollte wissen, welche Art von Investment er anstrebt:
- Angel-Finanzierung: Privatleute investieren ihr Geld in einer sehr frühen Phase. Größenordnung: bis ca. 100.000 Euro. Das Risiko für Angel-Investoren ist sehr groß, da es zu einem frühen Zeitpunkt sehr wenig Indikatoren für einen möglichen Erfolg gibt.Für dieses Risiko wird der Angel mit relativ üppigen Anteilen im Verhältnis zum Investment belohnt. Eine Variante davon ist die Family & Friends-Runde, in der eben Familie und Freunde eine erste Anschubfinanzierung geben.
- Seed-Runde: Hier kommen oft professionelle Investoren oder öffentliche Institutionen ins Spiel. Der Rahmen für die Investition geht von ca. 100.000 bis ca. 1 Mio Euro. In den USA gibt es immer wieder Seed-Runden, in denen mehrere Millionen US-Dollar investiert werden – aber das ist die Ausnahme.
- Series A: Jetzt spielt man mit den Großen. Venture Capital Firmen (VCs) investieren viel Geld in ein Start-up. Und viel Geld heißt hier 1 Mio. Euro und aufwärts. Es gab schon A-Finanzierungen mit 20 Mio Dollar. VCs investieren viel und wollen noch viel mehr zurück.Außerdem stecken sie nicht ihr eigenes Geld in das Start-up, sondern das von Investoren, die wiederum in den VC-Fond investierten – so genannte Limited Partners oder LPs.
VC-Geld fließt daher vor allem in Unternehmen, die extrem schnell wachsen und sehr groß werden können – denn nur so besteht die Möglichkeit, dass der Fond sein eingesetztes Investment vervielfacht.
Einen schönen Überblick über die einzelnen Investitionsphasen gibt auch die Infografik How Startup Funding works
Jede Finanzierungsart hat ihre Vor- und Nachteile. Unser Fehler war sicherlich, dass wir gleich VC-Geld wollten. Aber niemand investiert einen siebenstelligen Betrag in unbekannte Gründer, deren Unternehmen noch in der Prototyping-Phase steckt.
VCs waren also eigentlich nicht unsere Ansprechpartner, da sie meist erst zu einem späteren Zeitpunkt investieren. Stattdessen hätten wir uns früher auf kleinere Seedrunden mit privaten Investoren fokussieren müssen. Auch öffentliche Förderprogramme sind gerade für die Anfangsphase sehr interessant.
2. Wir brauchen keine Umsätze. Hatte Facebook anfangs auch nicht.
Is’ klar. Das Problem ist: Mein Start-up ist nicht Facebook.
Diese Lektion musste ich mühsam lernen: Verdiene den ersten Euro, bevor du deine Finanzierungsrunde startest! Nur wenn man Geld einnimmt, kann man einige essentielle Fragen beantworten:
- Sind Leute bereit, für das Produkt zu zahlen? Lässt sich also grundsätzlich Geld damit verdienen?
- Wieviel Geld verdient man im Schnitt pro User?
- Wie hoch sind die Akquisitionskosten pro User?
- Wie viele User werden zu zahlenden Kunden?
- Was verdient man pro eingesetztem Marketing-Euro?
Ich glaube nicht daran, dass man in der Frühphase eines Start-ups den Unternehmenswert anhand des Umsatzes berechnen sollte. Aber es ist wichtig, anhand der oben genannten Erkenntnisse Rückschlüsse auf ein mögliches Wachstum nach dem Investment ziehen zu können. Dabei ist es nicht relevant, ob man 10, 1.000 oder 100.000 Euro Umsatz hat. Wichtig ist, dass man überhaupt Geld einnimmt.
3. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen
Ja, ja. Deutschland, das Land der Innovationen. Am Arsch! Fast alle Investoren, die ich getroffen habe, sind extrem risikoscheu. Investiert wird in bekannte Modelle, vielleicht noch mit ein paar Anpassungen und Neuerungen. Große Visionen sind dort fehl am Platz. Als wir uns für einen Start-up-Wettbewerb bewarben, bekamen wir dieses Feedback:
Die Idee und der Auftritt kamen im Kuratorium sehr gut an. Doch die Geschäftsentwicklung war vielen mit EUR 34 Mio. Umsatz zu ambitioniert. Schließlich erreicht einer der Marktführer Skimlinks aus den Staaten als Affiliate-Tool gerade zweistellige Millionen-Jahresumsätze.
Zu Ambitioniert???
Ein Start-up kann gar nicht zu ambitioniert sein. Der wirtschaftliche Sinn eines Start-ups ist es, bestehende, große Player unter Druck zu setzen und langfristig selbst Markführer zu werden.
Wenn wir mit LABELit also den Marktführer im Affiliate-Bereich angreifen, dann ist das meines Erachtens genau richtig – und eben nicht zu ambitioniert.
Gerechterweise muss man sagen, dass dies nicht der einzige Grund für die Absage war. Und fehlende Risikobereitschaft von Investoren war auch nicht der Hauptgrund für unser gescheitertes Fundraising. Am Ende sind wir selbst dafür verantwortlich, dass es nicht geklappt und nicht irgendjemand anderes.
Aber es fällt auf, dass wenige Gründer groß denken und mit echten Visionen an den Start gehen. Man kann über die Berliner Start-up-Szene und ihre gescheiterten Hype-Start-ups wie Amen, Moped oder Gidsy vortrefflich lästern. Aber sie alle eint, dass sie die ausgetretenen Pfade verlassen haben und versuchten, etwas ganz neues zu schaffen, für das es keine Blaupause gibt.
In Hamburg ist sicherlich Protonet eines der Beispiele, die mit einer großen Vision sehr erfolgreich sind. Aber sie sind auch fast die einzigen.
Ich habe den allergrößten Respekt für jede Gründung, ob groß oder ganz klein. Aber etwas mehr Größenwahn täte der hiesigen Start-up-Szene durchaus gut, um Unternehmen zu erschaffen, die die Welt ein klein wenig besser machen.
4. Lass mich. Ich kann das alleine.
Vor LABELit war ich bereits 6 Jahre lang selbstständig. Alle beruflichen Erfolge aus der Zeit sind über persönliche Kontakte entstanden. Alle! Da macht es keinen Unterschied, ob man Tischler, Programmierer oder Start-up-Gründer ist: Was zählt, ist das eigene Netzwerk.
Als wir mit LABELit starteten, keimte in Hamburg gerade so etwas eine lokale Start-up-Szene rund um das betahaus. Viel zu spät haben wir dort die Kontakte gesucht. Viel zu zaghaft waren unsere Bemühungen, persönliche Kontakte aufzubauen.
Das eigene Netzwerk ist wichtig für unterschiedliche Punkte:
- Feedback und Tipps von anderen Gründern
- Kontakte zu potenziellen Mitarbeitern
- Aufbau von Kooperationen mit anderen Unternehmen
- Kontakte zu potenziellen Investoren
- Oder einfach mal für das Gespräch mit Leuten, die in derselben Situation stecken und dieselben Erfahrungen machen.
Der Aufbau dieses Netzwerks braucht Zeit und ist manchmal auch Arbeit. Diese Zeit haben wir zu wenig investiert, stattdessen haben wir uns eingeschlossen und alleine an unserem Produkt gebastelt. So fehlte uns wertvolles Feedback durch andere Gründer und wir vernachlässigten den sukzessiven Aufbau eines potenziellen Investorenkreises.
5. Ein Start-up ohne Investment ist wie Pommes ohne Mayo
Wenn man die deutsche und internationale Start-up-Presse liest, bekommt man das Gefühl, dass ein Investment das Ziel eines jeden Start-ups sei. Dass Geld aber immer nur ein Mittel zum Zweck ist, gerät da gerne in Vergessenheit.
Über Bootstrapping reden also die wenigsten. Bootstrapping bezeichnet die Firmengründung ohne Fremdkapital. In fast allen Branchen ist das normal, nur in der Start-up-Szene ist es fast schon ungewöhnlich.
Bootstrapping ist hart. Meist erwirtschaftet man am Anfang wenig oder keine Gewinne – und die Anfangsinvestitionen sind hoch. Das bedeutet auf Erspartes zurückgreifen, private Ausgaben zurückfahren, haushalten und vor allem durchhalten.
So paradox es klingen mag: Wenn man es schafft, unabhängig von Fremdkapital zu werden, hat man die besten Chancen, welches einzusammeln.
Denn: Wer auf eine Fremdfinanzierung angewiesen ist, macht sich erstens abhängig von Investoren und wendet zweitens viel zu viel Zeit und Energie für das Fundraising auf.
Ein Unternehmen, das sich mit Bootstrapping selbst finanziert, ist in der besten Position: entweder alleine und unabhängig weitermachen oder eine Investment aufnehmen zu Konditionen, die wirklich passen.
LABELit hat in unserem Businessplan nur mit einem Fremdinvestment funktioniert. Daher haben wir unsere Bemühungen auf das Fundraising gelegt. Und als klar war, dass wir das Investment, das wir benötigen, nicht erhalten, war das Unternehmen quasi tot. Das ist bitter. Und vor allem ist es ziemlich dumm. Denn das Konzept war und ist stark. Wir hätten es zwei Nummern kleiner umsetzen sollen, unabhängig von externem Kapital.
Fazit: Fundraising ist viel Arbeit. Man kann eine Menge falsch machen. Wie immer lernt man dabei sehr viel.
Ich glaube, Investments in Start-ups sind eine super Sache. Sie ermöglichen schnelles Wachstum und eine zeitweilige Unabhängigkeit von Gewinnen.
Aber wenn ich noch mal gründe, dann zu Konditionen, mit denen ich mich nicht abhängig mache von Investoren. Und mit denen ich mich unabhängig auf mein Produkt fokussiere und Geld aufnehme, weil ich es will. Nicht, weil ich es muss.
Siehe auch: “Unser Start-up ist tot – und es ist alleine unsere Schuld” & “Wusste ist, was ich tat? Stimmt leider nicht so ganz!”
Zur Person
Nicolas Kittner entwickelt digitale Produkte und Services. Er ist Creative Director bei der Digitalagentur Liquid Campaign und Gründer der Startup Plattform Silicon Pauli. Davor gründete er das Social Commerce Startup LABELit und das Service Design Studio What Happened to the Future?