Pragmatisches Projektmanagement für Start-ups
Nicht selten verheben sich Start-up-Unternehmen ausgerechnet an jenen Aufträgen und Projekten, die ihnen den Durchbruch bringen könnten. Ein Fehlgriff bei der Durchführung eines wichtigen Projektes ist für Konzerne wie BMW oder Siemens ärgerlich. Für ein Start-up kann es das Aus bedeuten – unzureichendes Projektmanagement von wichtigen Aufträgen ist einer der größten Fehler, den ein Start-up machen kann.
Doch wie umschifft man gerade als junges Unternehmen die Klippen der ersten großen Projekte?
Verzicht auf Professionalität ist keine Option
Viele Gründer sind Projektneulinge und suchen allenfalls Rat in Seminaren und Büchern. Die Instrumente, die sie dabei kennenlernen, mögen zwar alle toll sein, aber der Aufwand steht für kleine Unternehmen in keinem praktikablen Verhältnis zum Ergebnis.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die meisten Projektmanagement-Methoden kosten Zeit, die man nicht hat, und bringen zu wenig Ergebnis, das man dringend benötigt. Viele dieser Techniken sind reine Zeitvergeudung, sie sind schlicht zwei Nummern zu groß für die Projekte kleiner Unternehmen.
Das heißt: Für ein bisschen Resultat muss riesiger Aufwand betrieben werden.
Verständlicherweise befassen sich viele Start-ups deshalb erst gar nicht ernsthaft mit Projektmanagement. Doch mit dem Verzicht auf eine solide Methodik gerät man in ein übles Dilemma. Altbewährte Vorgehensweisen reichen für größere Vorhaben und Aufträge oft nicht aus. Ständiger Ärger und Frust wegen Korrekturen, Budgetüberschreitungen und Terminverzug – viele Gründer kennen solche Probleme, mit denen sie tagtäglich zu kämpfen haben.
Ganz auf herausfordernde Aufträge zu verzichten ist aber auch keine Option. Gerade Start-ups müssen den Kunden und damit dem Markt frühzeitig demonstrieren, dass sie in der Lage sind, ihre Projekte professionell durchzuführen.
Erfolgreiches Projektmanagement ist pragmatisch
Dabei ist Projektmanagement viel einfacher als die meisten Gründer glauben. Wichtig ist, dass man das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verliert: Projekte sollen Innovationen erschaffen, Dienstleistungen erbringen, Produkte ausliefern und das Unternehmen so zum Erfolg führen.
Je nach Projekt wählt man die jeweils passenden Methoden. Vieles von dem, was Gründer bereits wissen und intuitiv tun, benötigt nur noch den richtigen Dreh, um durchschlagend wirksam zu sein. Erfolgreiches Projektmanagement ist eben pragmatisch, nicht dogmatisch.
Und es gibt tatsächlich eine Reihe von Projektmanagement-Methoden, mit denen Start-up Unternehmen ihre Projekte hochprofessionell managen können und die dabei einfach, unkompliziert und ohne großen Aufwand anzuwenden sind. Wie schon Goethe sagte: “Das Geniale ist immer einfach”.
Start-ups müssen die einfachen Methoden nur finden und richtig anwenden, was im Überangebot von Seminaren und Büchern, die auf die große Methodenkeule setzen, nicht einfach ist. Bevor junge Unternehmen sich für eine teure Projektschulung oder einen Workshop entscheiden, sollten Sie dem Anbieter auf den Zahn fühlen: Wie flexibel sind die besprochenen Werkzeuge, wie lassen sie sich auf die Bedürfnisse aufstrebender Unternehmen skalieren und wie können sie mit dem Erfolg wachsen?
Die folgenden fünf Herausforderungen im Blick zu haben, ist für Projektprofis zwar Routine, ihnen zu begegnen jedoch ist alles andere als trivial. Unternehmen, die sich zum ersten Mal ins Projektabenteuer stürzen, sind sich der drohenden Gefahren und Fallstricke meist gar nicht bewusst.
Fünf typische Herausforderungen
Projekte in Start-ups zu managen, bringt ganz eigene Probleme mit sich. Doch was sind die richtigen Projektmanagement-Methoden für ein frisch gegründetes Unternehmen?
Gute Werkzeuge gehen nicht von einer toll klingenden Methode aus, sondern sie widmen sich den Problemen, mit denen sich ein Start-up typischerweise bei größeren Aufträgen konfrontiert sieht.
1. Unklare Ziele und schlechte Auftragsklärung
Wenn der Kunde keine klaren Ziele vorgibt, sondern sich hinter vagen Ideen oder pauschalen Wünschen versteckt, ist es die erste Pflicht, diese unklaren Ziele zu konkretisieren. Der Auftragnehmer darf sich erst zufrieden geben, wenn ein klar formulierter Auftrag auf dem Tisch liegt.
Schließlich hat die daraus entstehende Projektvereinbarung rechtlich den Status eines Werksvertrages. Werden wichtige Aspekte im Projekt nicht berücksichtigt, kann dies Vertragsstrafen und Mängelansprüche nach sich ziehen.
Die wichtigsten Aufgaben:
- Zielsetzung klären: Wozu dient das Projektergebnis? Für wen (Bereich, Abteilung etc.) führen wir das Projekt durch? Was soll mit dem Projektergebnis erreicht werden? Woran erkennen wir, dass das Projekt erfolgreich war?
- Eckdaten festlegen: Die Rahmendaten für den Umfang, den Zeitraum sowie den Aufwand ermitteln und fixieren.
- Prioritäten setzen: Klären, wie die Prioritäten zwischen den drei Parametern Inhalt, Termin und Kosten verteilt sind, um die richtigen Stellschrauben für die spätere Projektarbeit zu bestimmen: Liegt der Schwerpunkt auf den Inhalten, kann das zu Lasten der Termine gehen, muss ein Projekt schnell fertig werden, ist das ‘ins Laufen kommen’ manchmal wichtiger als die höchste Perfektion. Sind die Kosten prioritär, kommt es darauf an, was für die geplanten Gelder in welcher Zeit geschafft werden kann.
- Wichtig: Projektkern formulieren, d.h. den Projektauftrag in maximal 2-3 Sätzen zusammenfassen.
2. Mangelndes Anforderungsmanagement
Ständige Veränderungen der Anforderungen – ‘Moving Targets’ – gehören zu den größten Gefahren für weniger erfahrene Unternehmen. Viel zu schnell wird umgesetzt, entwickelt oder programmiert – unendliche Änderungsschleifen sind vorprogrammiert, und nicht selten explodieren dabei die Kosten und lassen die angestrebten Meilensteine in weite Ferne rücken.
Das Start-up ist gefordert, zuerst aus den übergeordneten Projektzielen die Grundzüge einer Lösung abzuleiten. Sie sollte dabei alle wesentlichen Anforderungen berücksichtigen. Neben den funktionalen Anforderungen zählen hierzu auch technische Aspekte und organisatorische Fragestellungen.
Die wichtigsten Aufgaben:
- Geschäftstreiber und Geschäftsziele ermitteln, um stabile Anforderungen zu erhalten: Was treibt den Aufraggeber zu dem Projekt? Welche geschäftlichen Ziele sind damit verbunden? Die Antworten hierauf sind der Handlungskompass, an dem man sich auch in schwierigen Projektphasen orientieren kann.
- Anforderungen aus geschäftlicher Sicht: Mit welchen Maßnahmen erreichen wir die geschäftlichen Ziele?
- Anforderungen aus funktionaler Sicht: Was soll die Lösung leisten? Wie soll sie funktionieren?
- Anforderungen aus technischer Sicht: Wie soll die Lösung arbeiten?
- Anforderungen aus organisatorischer Sicht: Womit soll die Lösung implementiert werden bzw. wie organisieren wir uns?
3. Chaos und Zeitverzug durch schlechte Planung
Die Projektplanung dient dazu, Abhängigkeiten, Risiken und Ressourcen sichtbar zu machen und die Komplexität in den Griff zu bekommen. In vielen Start-ups wird die Planung dagegen sträflich vernachlässigt, oder sie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Sind Dauer und Aufwand der Aktivitäten richtig abgeschätzt, sind ein akkurater Termin- und Kostenplan kein Hexenwerk mehr. Ohne das leider zu häufige “Wir legen schon mal los, der Rest findet sich” lässt sich auch mit wenig Aufwand so planen, dass vor Projektstart alles geregelt ist, was geregelt werden muss.
Die wichtigsten Aufgaben:
- Aktivitäten identifizieren und in Reihe bringen: Zuerst werden die Arbeitspakete definiert und in einen Projektstrukturplan eingebracht. Meilensteine werden definiert.
- Der Netzplan: Er berücksichtigt die logischen Abhängigkeiten einzelner Pakete: Was muss wann fertig sein, damit…
- Der Terminplan: Alle Aktivitäten werden mit Arbeitsaufwand und Dauer fixiert.
- Der Balkenplan: Er dient zur Visualisierung des Projektablaufs und dient zur Steuerung.
- Wichtig: Verantwortungsgefühl aller Beteiligten wecken: Den Plan gemeinsam in Angriff nehmen. Nach Fertigstellung für die Akzeptanz aller sorgen und sich dessen vergewissern.
4. Böse Überraschungen im Projektverlauf
Immer wieder tauchen im Verlauf eines Vorhabens Probleme auf, mit denen keiner gerechnet hat. Das ist zwar normal, aber extrem gefährlich, wenn man drohende Risiken verdrängt oder gänzlich ignoriert.
Die wichtigsten Aufgaben:
- Ermitteln, was schiefgehen kann: Ein kurzer, konzentrierter Risiko-Check zu Beginn vermeidet böse Überraschungen im Verlauf und bereitet auf alle denkbaren Risiken vor.
- Wahrscheinlichkeit der Risiken bestimmen: Wie groß wäre deren Schaden, wenn sie einträten?
- Präventionsmaßnahmen ergreifen: Gefährliche Risiken immer zuerst! Sie können das Projekt kippen. Wahrscheinlichere, aber weniger gravierende Risiken haben geringere Priorität.
- Den Auftraggeber informieren: Wie bei einer OP: Der Patient muss wissen, was alles passieren kann. Bagatellisieren Sie nicht – weder für sich selbst, noch beim Auftraggeber.
- Der Verlockung mutig widerstehen: Ist ein Projekt zu riskant, sollte es abgelehnt werden – nicht immer einfach, aber manchmal überlebenswichtig.
5. Rückstände bleiben unentdeckt
Erfolgversprechende Projekte dürfen nicht durch fehlende Steuerung zum Fiasko werden. Das fordert von dem jungen Unternehmer, dass er seine Projekte auf Kurs halten muss. Denn: Rückschläge, Abweichungen oder zeitlicher Verzug lassen sich mit einer guten Steuerung schnell und ohne großes Aufsehen wieder in den Griff bekommen.
Ziel muss es sein, die Ist-Werte des Projekts ständig mit den Soll-Werten des Projektplans – z.B. Liefertermine, Kosten, Ergebnisse – in Übereinstimmung zu bringen. Dazu braucht es nicht einmal eine teure Software, da reicht oft schon eine einfache Excel-Datei.
Die wichtigsten Aufgaben:
- Meilenstein-Trendanalyse: Wöchentliche Meetings stimmen ab, wer gerade woran arbeitet und wie er im Plan liegt. Absehbare Verzögerungen werden im Projekt berücksichtigt. Ein neuer Termin wird festgelegt.
- Aufgabenliste: Hier schlägt Praxis Theorie. Eine To-do-Liste ist so einfach, dass sogar Fachbücher sie oft vergessen oder für überflüssig halten – aber so effektiv, dass man nicht auf sie verzichten sollte. Sie berücksichtigt alle anfallenden Aufgaben mit einer klaren Ergebnisdefinition und bestimmt, wer bis wann mit was fertig sein muss.
- Change-Request-Verfahren: Jede Änderung im Projektverlauf – kommt öfter vor als man denkt – wird zentral und systematisch überprüft, ob sie umsetzbar ist und welche Folgen sie hat. Sie erfolgt in fünf Schritten: Änderungsantrag, Analyse, Bewertung, Genehmigung, Umsetzung.
- Risiko-Logbuch und Projekttagebuch: Mit dem Logbuch bleiben alle Risiken im Bewusstsein. Das Tagebuch enthält alle relevanten Notizen des Projektleiters. Im Krisenfall ist so eine schnelle Reaktion möglich, ohne vielerorts nochmal Rücksprache nehmen zu müssen.
Manche der zuvor geschilderten Maßnahmen erfordern natürlich ein gewisses Know-how, das ein guter Projektleiter jedoch haben sollte. Muss ein Projektleiter eingestellt werden, sind seine Fähigkeiten entscheidend. Er darf, je nach finanziellen Möglichkeiten, also auch etwas teurer sein, wenn er gut ist. Fachkompetente eigene Mitarbeiter mit hohen sozialen Kompetenzen eignen sich auch für diese Aufgabe. Hier sind allerdings Schulungsinvestitionen nötig.
Fazit: Eigentlich haben Start-up-Unternehmen beste Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Projektmanagement. Ihre überschaubare Größe hilft ihnen, sich flexibel auf neue Situationen einzustellen. Cleveres Projektmanagement ist für ein Start-up-Unternehmen ein echter Wettbewerbsvorteil. Wenige erprobte Methoden genügen schon, um den Zeitaufwand und die Kosten genau zu kalkulieren und das Projekt sicher ins Ziel zu bringen.
Zur Person:
Mario Neumann hat 15 Jahre in einem weltweiten IT-Konzern als Experte für Projektmanagement gearbeitet. Er sammelte schon sehr früh intensive Erfahrungen in der Leitung großer, internationaler Projekte. Seit 10 Jahren verhilft er als Management-Trainer Projektleitern zu der Fähigkeit, alle Phasen ihrer Projekte erfolgreich zu meistern.
Als Autor hat er mit Projekt-Safari: Das Handbuch für souveränes Projektmanagement