Gastbeitrag von Thomas Zeller

So haben Hightech-Start-ups optimale Startchancen

Viele Start-ups sind sehr eng auf ihr Produkt fokussiert. Sie überschätzen häufig die Qualitäten ihrer Errungenschaft und zeigen sich teilweise blind gegenüber den praktischen Bedürfnissen der Kunden. Sie gehen von sich selbst aus und zu wissen, was Kunden tatsächlich brauchen.
So haben Hightech-Start-ups optimale Startchancen
Montag, 27. Oktober 2014VonTeam

Statistisch gesehen scheitern 11 von 12 Hightech-Start-ups. Eine erschreckend hohe Zahl, für die es unterschiedliche Gründe gibt. Gleichwohl sollten sich junge Unternehmerinnen und Unternehmer davon nicht abschrecken lassen. Setzen Sie Ihre Ideen in die Tat um! Mit den folgenden Praxistipps vermeiden Sie häufige Fehler und beschleunigen den Aufbau Ihres Unternehmens.

Viele Start-ups, insbesondere im Hightech-Bereich, sind sehr eng auf ihr Produkt bzw. auf technische Details fokussiert. Sie überschätzen häufig die Qualitäten ihrer Errungenschaft und zeigen sich teilweise blind gegenüber den praktischen Bedürfnissen der Kunden. Sie gehen von sich selbst aus und glauben in ihrer eigenen Wahrnehmung zu wissen, was Kunden tatsächlich brauchen. Eine trügerische Gewissheit, die das Scheitern eines Unternehmens bedeuten kann.

Vielmehr kommt es darauf an, wie die Kunden das Produkt bewerten, d.h. ob es ihnen bei der Lösung ihrer konkreten Probleme hilft. Auch die genaue Analyse des Wettbewerbs, das Alleinstellungsmerkmal des Produkts sowie die Wahl geeigneter Marketingkanäle sind von entscheidender Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg.

Zielgruppe und Wettbewerber definieren

Wenn ein Hightech-Start-up ein neues Produkt, beispielsweise eine Software, entwickelt, so stellt sich im Vorfeld die grundlegende Frage, für welche Zielgruppe sie gedacht ist. Der Kunde ist König – jeder hat diesen Slogan bereits gehört. Um den Kunden aber auch König sein zu lassen, muss der Unternehmer ihn vorher genau kennen. Das erfordert eine akribische Recherchearbeit in der jeweiligen Branche. Dabei bieten sich für Eigenrecherchen insbesondere das Medium Internet, aktuelle Fachliteratur und Marktforschungsstudien wie auch Messen an, oder aber ein Start-up nimmt gezielt die Hilfe von Informationsdiensten oder Beratungsunternehmen in Anspruch.

Sind die Kunden gefunden, stellen sich die zentralen Folgefragen: Was brauchen die Kunden bzw. was wünschen sie, d.h. was hätten sie gerne? Die Analyse der konkreten Kundenbedürfnisse ist DER Schlüssel für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. Nur so kann das Produkt mit den Anforderungen der Kunden exakt abgestimmt werden und passt damit quasi als Schlüssel in das zugehörige Schloss.

Gleichzeitig sollte der Markt sondiert werden und der Blick auf die möglichen Mitbewerber – mit möglicherweise ähnlichen Produkten – gerichtet sein. Der Markt ist normalerweise nicht unbegrenzt groß, so dass sich die Anbieter diesen teilen, von dem nun auch der neue Unternehmer mit seinem Produkt ein Stück abhaben möchte. Jedes Start-up muss die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem eigenen Produkt und denen der Wettbewerber kennen. Denn das beste Produkt bringt nichts, wenn es sich nicht gegen die Mitbewerber behaupten kann. Beispielhaft verwiesen wird an dieser Stelle oft auf die MiniDisk von Sony, die sich als Speichermedium und Aufnahmegerät letztlich nicht gegen CD und MP3-Player durchsetzen konnte und 2011 eingestellt wurde.

Es ist auch vorteilhaft, die Strategien der Mitbewerber genau zu studieren und permanent zu beobachten: Setzten diese auf Exklusivität und Hochpreispolitik oder auf den Massenmarkt? Welches Image und welche Qualität haben die Produkte? Wie gut sind Kundenservice und Vertrieb? Nur wer darüber Bescheid weiß, kann adäquate Antworten auf die Vorhaben der Wettbewerber geben und mit eigenen Preis- bzw. Werbemaßnahmen reagieren. Wenn ein Mitbewerber zu mächtig ist, so dass dieses Konzept nicht aufgeht, sollte man stattdessen nach geeigneten Marktnischen suchen, die noch nicht besetzt sind und für die das eigene Produkt geeignet ist.

USP herausarbeiten und bewerben

Um sich von seinen Mitbewerbern zu differenzieren, sollte ein Start-up auch Zeit aufwenden und sorgfältig die Unique Selling Proposition (USP) eruieren. Dabei wird die besondere Leistungsfähigkeit bzw. im Optimalfall das Alleinstellungsmerkmal des eigenen Produkts herausgeschält und den Kunden auch mitgeteilt: Welchen speziellen Nutzen hat der Kunde von meinem Produkt, den die Konkurrenz gerade nicht bietet? Damit die USP ins Ziel trifft, muss zuvor natürlich die Zielgruppe mit ihrem konkreten Anforderungsprofil ermittelt worden sein.

Die Leistungsmerkmale werden anschließend im Weg von Werbemaßnahmen und Akquise den Kunden kommuniziert, so dass diese sich von den Vorteilen praktisch überzeugen können. Es ist vorteilhaft, wenn der Kunde an diesem Prozess selbst aktiv teilnimmt, etwa indem er Software tatsächlich testet oder einen Gegenstand in die Hand nimmt. Der positive und bleibende Effekt ist weitaus größer als beim reinen Einsatz geschulter Verkäufer bzw. Akquisespezialisten. Auch Referenzkunden, die sich für Werbemaßnahmen zur Verfügung stellen, können bei der Überzeugungsarbeit eine große Hilfe sein.

Taktische Vorgehensweise bei der Produktentwicklung

In der Vergangenheit wurden neue Produkte traditionellerweise aufwändig fertig entwickelt, und nach der Fertigstellung wurde viel Geld in das Marketing investiert, um die Produkte auch an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Diese Vorgehensweise ist im digitalen Zeitalter jedoch problematisch. Denn der Entwicklungsprozess dauert lange, und ein Unternehmen läuft Gefahr, in der Zwischenzeit von einem Wettbewerber überholt zu werden, der mit seinem Produkt schneller auf den Markt kommt. Darüber hinaus wird den Kunden ein fertiges Produkt vorgesetzt, das möglicherweise gar nicht ihren tatsächlichen Bedürfnissen gerecht wird. Doch wie lassen sich diese Probleme lösen?

Ein Ansatz ist das von Eric Ries entwickelte Prinzip des “Lean Startup”, das für die Neugründung eines Unternehmens wie auch die Markteinführung eines neuen Produktes gleichermaßen funktioniert. Die Idee dahinter ist, dass ein Produkt ohne großen Kapitaleinsatz und ohne lange Planungsphase im Markt eingeführt und anschließend sukzessive mit den Kunden weiterentwickelt wird. Dieses Verfahren bietet zahlreiche Vorteile: Die Entwicklungszeit ist sehr kurz, es wird vergleichsweise wenig Eigenkapital benötigt, und die Kunden sind fest eingebunden, so dass ihre Bedürfnisse gezielt befriedigt werden. Damit können auch Start-ups mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen Produkte rascher zur Marktreife bringen.

Marketing – welche Kanäle für welchen Zweck nutzen?

Um die Kunden mit dem Produkt auch tatsächlich zu erreichen, muss ein Unternehmen passende Vertriebswege wählen und die Marketingmaßnahmen darauf abstimmen. Das Grundproblem bei fast allen Start-ups besteht darin, dass nur in begrenztem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Damit sind klassische Marketingmaßnahmen wie die Printwerbung für Start-ups nicht geeignet, weil sie einerseits mit hohen Kosten verbunden sind und andererseits oft auch nicht den gewünschten Verbreitungsgrad bei den Kunden erreichen. Sie werden überschätzt und bringen häufig nicht den Response, den ein Unternehmer wirklich benötigt. Die Herausforderung besteht darin, die knappen Ressourcen optimal zu nutzen und die Zielgruppen über die passenden Kanäle direkt anzusprechen. Das muss branchenabhängig praktisch erprobt werden. Anschließend werden nur die Kanäle angesteuert, die den größten Erfolg bringen.

Doch welches sind nun die “richtigen” Kanäle? Das richtet sich nicht zuletzt danach, in welchem Marktsegment (B2B oder B2C) und in welcher Größenordnung (Massenmarkt oder Key Account/Großkunden) das Unternehmen tätig ist. Im Folgenden werden gängige Marketingmaßnahmen analysiert, die sich branchenübergreifend in der Praxis bewährt haben.

Online-Marketing zielt darauf ab, im Massen- wie auch Nischengeschäft Interessenten auf die eigene Website zu leiten und dort als Kunden zu gewinnen. Dazu ist zunächst erforderlich, eine klar strukturierte und nach modernen Erkenntnissen der Kunden-Psychologie gestaltete Website zu haben. Viele Hightech-Start-ups begehen an dieser Stelle den Fehler, sich nur auf ihr eigenes Urteil zu verlassen. Sie kennen ihr Produkt und sind mit der Navigation auf der eigenen Website bestens vertraut. Doch gerade hier wäre es wichtig, die Perspektive “unkundiger Interessenten” einzunehmen und die eigene Gestaltung kritisch zu hinterfragen. Denn ist ein Interessent bereits am Anfang frustriert und enttäuscht, wird er die Homepage verlassen und nicht mehr bereit sein, sich auf das Produkt einzulassen. Mit einer klar strukturierten Website, die Kundenaktionen (z.B. Kontaktaufnahme) in den Vordergrund stellt, hat ein Unternehmen dagegen die Möglichkeit, erfolgreich Kundenkontakte herzustellen.
Welche Varianten beinhaltet nun das Online-Marketing? Das Spektrum der Maßnahmen ist ausgesprochen vielfältig und reicht von gezielten Marketingmaßnahmen wie E-Mail bzw. provisionsbasiertem Affiliate-Marketing zu globalem Marketing über Suchmaschinen oder auch Social Media Marketing. Auch die Möglichkeiten, Werbebebanner zu nutzen oder mit Videoclips mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs zu erreichen, dürfen Start-ups nicht übersehen. Allerdings sollten diese Maßnahmen im Online-Marketing selektiv eingesetzt werden. Unternehmer müssen nicht nur die Kontaktanzahl, sondern auch die Kundenanzahl, die über jede Maßnahme generiert wird, den Kosten für die einzelne Maßnahme gegenüberstellen. So können sie anschließend eine sinnvolle Entscheidung treffen.

Im Wege des Telemarketings bzw. Telefonmarketings wird das Produkt dagegen direkt vertrieben, d.h. die Kundenakquise und Bewerbung des Produkts erfolgen über das Telefon. Dieses Modell wird hauptsächlich im Geschäftskundenbereich (B2B) eingesetzt und eignet sich in der Regel für Einzelgeschäfte.

Aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten bietet sich das Telemarketing insbesondere bei höherpreisigen Produkten an. Wichtig ist hier, dass geschultes Personal das Marketing übernimmt. Diese Maßnahmen lassen sich auch outsourcen, indem die Dienste eines hochspezialisierten Callcenters genutzt werden. Die Partner sollten sorgfältig ausgewählt werden. Am erfolgreichsten sind meistens die Dienstleister, die sich bereits mit dem Produkt oder der Zielgruppe auskennen.

Geeignete PR-Maßnahmen helfen ebenfalls, damit sich ein Unternehmen – egal ob im Massen- oder Nischengeschäft – einen Namen aufbauen und Vertrauen gegenüber den Kunden bilden kann. Hier hat es sich beispielsweise bewährt, Medien als Multiplikatoren zu nutzen. Die Präsenz in Fachmedien oder auch auf Foren und Homepages bzw. der Einsatz von Newslettern helfen dabei, das eigene Produkt bekannt zu machen und damit auch potenzielle Kunden anzusprechen.

Kooperationen mit geeigneten Geschäftspartnern sind ebenfalls geeignet, damit ein Unternehmen in einer bestimmten Branche vergleichsweise schnell eine kritische Masse erreichen kann. Besonders vorteilhaft ist es, wenn beide Unternehmen Produkte anbieten, die sich ideal ergänzen, so dass beide Partner Gewinner der Kooperation sind. Dabei sollten Start-ups die eigenen Forderungen an das Partnerunternehmen nicht zu hoch ansetzen und beispielsweise den Kooperationspartnern bzw. gemeinsamen Kunden die Möglichkeit bieten, das eigene Produkt zu attraktiven Konditionen zu testen.

Fazit

Die Anforderungen an Start-ups sind vielfältig. Neben der Entwicklung des Produktes und der Herausstellung seiner USP müssen sie sich insbesondere mit der Zielgruppenanalyse beschäftigen und den Markt detailliert sondieren. Auch die Wahl geeigneter Marketingmaßnahmen bzw. Vertriebskanäle stellt sie vor große Herausforderungen. Allerdings sind sie nicht alleine. Sie können sich mit anderen Unternehmensgründern austauschen oder auch professionelle Hilfe holen.

Wer selbst ein Unternehmen aufgebaut hat, weiß, wie schwierig das ist und mit welchen persönlichen Entbehrungen es verbunden ist. Gerade deshalb möchte ich junge Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrem Entschluss bestärken: Halten Sie Kurs und lassen Sie sich von einzelnen Rückschlägen nicht entmutigen! Gerade auch das Durchhaltevermögen ist eine besonders wichtige Fähigkeit, die ein Unternehmer braucht.

Mit dem nötigen praktischen Wissen und dem richtigen Mindset haben Start-ups sehr gute Chancen, erfolgreich in den Markt zu starten. Gehen Sie es an!

Passend zum Thema: “Auch Start-ups müssen dauerhaft Gewinne erzielen!

Zur Person
Thomas Zeller ist CEO der ENECA Beratungs- und Beteiligungs-GmbH.

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