Der Stahlriese Klöckner lernt, wie ein Start-up zu denken
Nicht alle alten, deutschen Unternehmen sind Innovationsbremsen, Status quo-Verteidiger und beratungsresistent gegenüber dem Wandel in der Wirtschaftswelt. Ein gutes Beispiel ist der Stahlhändler Klöckner & Co. Bereits im Frühjahr dieses Jahres verkündete das mehr als 100 Jahre alte Unternehmen, das 9.600 Mitarbeiter beschäftigt und 2013 einen Umsatz von rund 6,4 Milliarden Euro erwirtschaftete, einen harten Strategiewandel – hin zum Internet. Schon in fünf Jahren will der Strahlriese, der in den vergangenen Jahren durch so manche Krise gehen musste, mehr als die Hälfte seines Umsatzes übers Web abwickeln.
Ein großes Unterfangen, denn bisher sorgt dieser Kanal bisher für quasi keinen Umsatz. “Wir treiben die Digitalisierung der gesamten Lieferkette mit hoher Geschwindigkeit voran. Da die traditionelle Lieferkette in der Stahl- und Metalldistribution aufgrund der Innovationsresistenz in der Branche immer noch hochgradig ineffizient ist, erwarten wir hier erhebliche Verbesserungspotentiale”, sagt Unternehmenschef Gisbert Rühl.
Hier zu auch noch ein längeres Zitat aus der Presseaussendung, mit der das Unternehmen seinen Einstieg in den Online-Handel vor einigen MOnaten ankündigte: “Klöckner & Co baut zukünftig verstärkt auf den Verkauf von Stahl und anderen Metallen über das Internet. Mit dem Einsatz einer konzernweiten Webshop-Lösung ergänzt das Unternehmen sein Serviceangebot und bietet zukünftig seinen Kunden einen tageszeitenunabhängigen und effizienteren Bestellvorgang für alle Produkte inklusive Anarbeitung. Nach der erfolgreichen Erstinstallation des neuen Klöckner-Webshop in den Niederlanden, startet noch in diesem Jahr – beginnend in Deutschland – der Roll-out in allen anderen Landesgesellschaften”. An alle, die im Stahlhandel nicht fit sind, so läuft der Handel bisher: Der Kunde ruft bei Klöckner an oder schickt ein Fax. Der Stahlriese faxt dann ein Angebot zurück. Steinzeit für viele Start-up-Macher, aber Realität in dieser alten Branche.
Die Überlegungen in Sachen Internet-Verkauf von Klöckner & Co.-Chef Rühl sind fast schon revolutionär: “Ich könnte mir übrigens vorstellen, dass wir dort nicht nur unseren eigenen Stahl anbieten. Wir könnten im Internet auch kleineren Stahlhändlern eine Plattform bieten, so dass wir Lieferketten managen, ohne immer selbst Lieferant zu sein. Letztlich geht es uns darum, dass der Kunde bekommt, was er braucht”, sagte er gegenüber dem Wall Street Journal.
Womit klar wird: Der Wandel zum Online-Handel ist bei Klöckner & Co. Chefsache – und dieser geht mit extrem gutem Beispiel voran! Rühl, der sich vor zwei Jahren bereits im Silicon Valley inspirieren ließ, schnuppert nun Start-up-Luft in Berlin. Er zieht ins Betahaus in Kreuzberg. “Wir haben dort nicht einmal ein Büro, nur einen Sechsertisch”, sagte der 55-Jährige gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Seine Sonderrolle ist Rühl dabei klar: “Wir sind in der Start-up-Szene ein Unikum”. Stimmt, aber ein spannendes! Die Zeichen der Zeit hat Rühl auf jeden Fall erkannt, speziell in Sachen Fax-Nutzung. “Wer seit seinem fünften Lebensjahr im Internet ist, der weiß manchmal nicht mehr, was ein Fax ist”, sagt Rühl dem Bericht zufolge. Auch Angst, überflüssig zu werden hat der Stahlmacher keine: Größere Stahlteile könne man schlecht über Amazon verkaufen. Es brauche hierfür immer jemanden, der Lagerhäuser mit großen Kränen und Trucks habe.
Ohne Risiko ist aber auch der Wandel bei Klöckner nicht. “Branchenweit stecken zurzeit verschiedene solcher Plattformen in den Anfängen. Es gilt, schnell zu sein, um sich als Erster einen Namen zu machen. Bisher allerdings scheiterten in der Stahlindustrie die meisten Versuche an zu wenig Traffic”, schreibt die Süddeutsche weiter. Ganz nebenbei drängen zudem Start-ups wie alloys2b derzeit auf den Markt – siehe “alloys2b bringt Schwung in den alten Metallhandel“. Klöckner scheint jedoch gut vorbereitet auf den Zeitenwandel, den andere Branchen schon hinter sich haben. Zumindest aber scheint das Unternehmen aus Duisburg offen für Veränderungen.
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