Essens- und Zutaten-Lieferdienste boomen
Die Frage ‘Was koch ich heute’ beantworten, Rezept recherchieren, Einkaufszettel schreiben, einkaufen, schnippeln, vorbereiten, kochen – für die einen sind diese Arbeitsschritte Passion, für andere gehören sie zu den eher weniger geliebten Alltagspflichten.
Und immer mehr Menschen versuchen alle Schritte oder zumindest einige davon ganz zu vermeiden. Aber lecker essen – und zunehmend auch möglichst gesund – wollen auch sie.
Natürlich besteht die Food-Industrie aus sehr viel mehr Branchen als nur den Bringdiensten. Für die USA haben die Rosenheim Advisors eine Food Tech & Media Industry Map 2014 zusammengestellt.
In diesem Beitrag aber picken wir ausschließlich die Lieferdienste von Mahlzeiten oder deren Zutaten an Endkunden aus dem Branchensegment heraus.
Und dort sind zwar die klassischen ‘Pizzabringdienst-Plattformen und -Aggregatoren’ und ‘Essen auf Rädern’-Lieferanten nach wie vor die Platzhirsche und kämpfen um die Vorherrschaft auf dem Markt. Da ist gerade ordentlich Bewegung in dem Segment:
Gerade zum Beispiel hat sich Lieferheld in einer spektakulären Übernahme den Bringdienst-Aggregator Pizza.de einverleibt.
Im April 2014 hat das in mehreren Ländern operierende Takeaway mit Hauptquartier in den Niederlanden, das in Deutschland als Lieferservice.de unterwegs ist, seinen Wettbewerber Lieferando übernommen: Takeaway übernimmt Lieferando.
Und Delivery Hero aka Lieferheld.de sammelte im April 2014 wieder tüchtig Geld ein, um ebenfalls an der ‘Weltherrschaft’ zu basteln.
International sind just eat, foodpanda, seamless oder eat24.com bekannte Namen.
Aber den allbekannten Klassikern gesellen sich zunehmend Start-ups mit neuen Ideen hinzu. Die Innovationen beziehen sich sowohl auf die zu liefernden Zutaten bzw. Gerichte als auch auf die Geschäftsmodelle, die längst über die der ‘Bringdienstbuden von früher’ hinausgehen. Dabei liegt zunehmend ein Schwerpunkt auf gesunder Ernährung.
Aus Kundensicht haben die Food-Delivery-Start-ups einen hauptsächlichen inhaltlichen Unterschied: Passionierte Nichtköche wie ich bevorzugen sicher die Variante, bei der sie selbst gar keine Hand mehr anlegen müssen an die Fertigstellung Ihres Mahls – außer dem Griff in die Geldbörse und dem zu Messer und Gabel natürlich: Die Kunden bekommen die fertige Mahlzeit ins Haus geliefert.
Fertig zubereitete Mahlzeiten direkt ins Haus liefern lassen
Innerhalb dieses Segments gibt es Start-ups, zu deren Geschäftskonzept auch die eigene Zubereitung der Gerichte gehört.
In den USA gibt es zum Beispiel schon Chefler, Munchery, Spoonrocket und Sprig, die nach diesem Konzpet arbeiten. Ausführlich befasst sich mit speziell dieser Nische der Beitrag Startups kochen selbst von Martin Weigert bei Netzwertig.
In Deutschland neu am Start sind
Aus drei verschiedenen Programmen zur gesunden Ernährung (Sim & Sexy, Vegan, Fresh & Power) wählt der Kunde aus, bestimmt, wie viele Mahlzeiten täglich er bestellen möchte und bekommt dann wöchentlich die vorgekochten Gerichte bundesweit geliefert.
Das Start-up aus dem Stuttgarter Raum will die Klientel bedienen, die Wert auf gesunde Ernährung legt. Gründer Mustafa Erden: “Unsere Mahlzeiten sind naturbelassen. Kein Fertiggericht und keine Tiefkühlkost.”
Allerdings muss der Kunde ordentlich tief in die Tasche greifen. Zwischen 24 Euro und 36 Euro – pro Tag (!) muss man je nach Anzahl der Mahlzeiten und Dauer des Programms hinblättern.
Diese ‘Hipster-Variante des Essens auf Rädern’ hat deutsche-startups.de schon etwas ausführlicher im Start-up-Radar vorgestellt: Kukimi liefert vorgekochte Mahlzeiten direkt in Haus.
Auch hier gilt: Preiswert ist anders: Zwischen 22,90 Euro und 44,90 Euro kostet diese Form der Ernährung – täglich!
Und dann gibt es die Lieferdienste, die nicht selbst kochen, sondern die Mahlzeiten von Restaurants zubereiten lassen und ausliefern.
Aus den USA kennt man Zesty, Caviar (wurde von Square für 90 Mio. US$ übernommen) oder Postmates, die allerdings alles liefern, nicht nur Essen.
International, aber auch in Deutschland agiert schon seit Längerem Bloomsburys.
Ganz frisch geschlüpft in Deutschland ist
Auf der Bestellplattform können die Kunden aus einem Angebot an frischen Gerichten, wie z. B. Salaten, Currys, Wraps und Pfannengerichten wählen und sich diese nach Hause liefern lassen. Um möglichst vielen gesunden Ernährungstypen gerecht zu werden, können die Nutzer bei der Bestellung gezielt nach eiweißhaltigen, vegetarischen oder Low Carb-Gerichten filtern.
Mohamed Chahin, Robin Himmels, Marco Langhoff haben eatclever eigentlich aus Eigenbedarf heraus gegründet: “Marco hatte das Problem, dass er sich zwar gesund ernähren wollte, ihm aber nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag oft die Lust und Zeit fehlte, sich noch in die Küche zu stellen und etwas Frisches zu kochen. Auch nach ausführlicher Recherche fand er keine Möglichkeit, sich leckeres und gesundes Essen nach Hause liefern zu lassen. Die Idee für eatclever war geboren.”
Das Konzept des Start-ups aus Hamburg, das gerade erste Testläufe im Stadtgebiet der Elbmetropole fährt, ist einigermaßen ungewöhnlich und vielversprechend: eatclever lizensiert seine Marke und Rezepte an bereits existente Restaurants. So können sich diese auch die Zielgruppe der Kunden erschließen, die sich gesund ernähren wollen und eatclever kann komplett auf die bereits vorhandene Logistik der Restaurants und ihrer Lieferservices zurückgreifen.
Die Kundschaft bekommt bei der Bestellung auf der Website oder einem mobilen Gerät gar nicht mit, welches Restaurant ihr Gericht zubereitet, sondern wählt einfach aus den Gerichten aus und bekommt das frisch zubereitete Essen geliefert.
Innovatives Konzept, das für alle: eatclever, die lizensierenden Restaurants und die Kunden eine Win-Win-Situation schaffen kann.
Immer vorausgesetzt natürlich, das Start-up kann gleichbleibend gute Qualität durch seine Lizenznehmer gewährleisten. Denn schlechte Qualität schadet weniger der Reputation des Liefer-Restaurants als eatclever selbst. Neben all den üblichen Herausforderungen für ein Start-up dürfte die Qualitätssicherung hier also das A und O für den Erfolg sein.
Individuelle Gerichte – auch für 1 Person
Intensiv gesucht und bisher nie gefunden habe ich Plattformen oder Apps, die ‘Privatköche’ vermitteln. Klar, Eventköche und Plattformen dafür gibt es en masse. Aber die tägliche warme Mahlzeit eines 1-Personen-Haushalts kann man ja nicht wirklich als ‘Event’ bezeichnen.
Und auch klar: Gerichte eines Kochs oder einer Köchin, die eine Person täglich bekocht und dafür auch noch einkauft, wäre logischer Weise richtig teuer: Hoher Zeitaufwand für Einkaufen und Zubereiten plus Anfahrtskosten… Da wär man dann schnell mal mit 40 bis 50 Euro pro Mahlzeit dabei.
Kein Wunder also, dass es dafür noch keine Angebote im Netz gibt. Aber gerade ist eine App gelauncht worden, die das Problem lösen könnte:
Dyshn ist eine App – bisher nur für Android, iOS kommt noch dieses Jahr – mit der Hobbyköche ihr Selbstgekochtes in der Nachbarschaft verkaufen können.
Anhängig von seinem Aufenthaltsort kann der hungrige Mensch sehen, wer in räumlicher Nähe wann wie viele Portionen maximal welchen Gerichts zu welchem Preis anbietet. Man holt sich sein Essen dann einfach dort ab – oder isst dort gemeinsam, denn auch das ist optional möglich.
Das Ganze funktioniert für mehrere Personen – aber eben auch für eine. Ein integriertes Bewertungssystem wird schnell die qualitative Spreu vom Weizen trennen.
Großartige Idee, wenn die Community schnell eine kritische Masse erreicht. Und wenn da nicht irgendwelche rechtlichen Hürden am Horizont auftauchen – wenn es um Lebensmittel geht, sind die öffentlichen Institutionen ja immer extrem restriktiv.
Abgemessene Zutaten nebst Rezepten ins Haus bringen lassen
Neben den Kunden, die kulinarisch rundum versorgt sein wollen, gibt es noch diejenigen, die gegen das Kochen an sich gar nichts haben. Sie möchten sich aber nicht die Rezepte ausdenken und die Zutaten einkaufen. Und diese Klientel wird vielleicht fündig bei einem dieser Anbieter:
Blue Apron und Plated sind die bekanntesten amerikanischen Start-ups aus diesem Segment.
Unter den Einkaufshelfern und Rezeptlieferanten hat auch der deutsche Markt schon einige Services zu bieten – jedenfalls deutlich mehr als bei den Anbietern, die fertig zubereitete Mahlzeiten liefern.
Hello Fresh, Kochzauber, KommtEssen, Home eat Home und das gerad erst gelaunchte MarleySpoon liefern Rezepte und genau abgemessene Zutaten. Schnippeln, mixen und kochen muss der Kunde dann noch selbst.
Ein etwas anderes Konzept fährt
Einen Arbeitsschritt weniger müssen die Kunden von DailyKitchen absolvieren: Das Start-up, das bisher nur in Düsseldorf und Umgebung liefert, erledigt die so Manchem lästigen Schnippelein und sonstigen Vorbereitungen auch gleich mit:
DailyKitchen ist die erste individuelle Kochbox, bei der die Zutaten bereits kochfertig geliefert werden: Der Kunde bekommt bereits sein Fleisch mariniert, seine Kartoffeln geschält und seine Zwiebeln geschnitten geliefert. So kann er auch aufwendigere Gerichte ganz frisch kochen, ohne sich mit irgendwelchen Vorbereitungen aufhalten zu müssen.
Jede Woche gibt es 10 verschiedene Rezepte aus je 2 Kategorien. Dabei sind mindestens 2 Rezepte für Vegetarier und Veganer geeignet. Die Zutatenlieferung für die Rezepte zeichnet sich durch Frische, Bio-Qualität, vorzugsweise Bezug aus der Region und Halal aus. Daher ist DailyKitchen auch speziell für muslimische Kundschaft geeignet.