„Ich war nicht bereit, alle Sicherheiten loszulassen“
Geld spielte für Karim Saad bei seinen Gründungen nie eine Rolle. Seitdem er mit sechs Jahren den Commodore seines Vaters kennenlernte und sich als Teenager selbst Programmieren beibrachte, kreiert er am laufenden Band Webseiten: meist Spiele-Fanseiten für Online-Spiele, die er selbst gut findet.
Den ersten großen Fang macht Saad, als er in der Oberstufe mit FM-Site.de eine erfolgreiche Fanseite für den „Fußball-Manager 2002“ aufbaut. Die Spieleschmiede Electronic Arts ist begeistert, engagiert den Schüler als Betatester und bietet ihm sogar eine Ausbildung zum Medien-Informatiker an – doch Saad lehnt ab, will erst einmal zu studieren.
„Mir gefiel der kreative Schöpfungsgedanke“
Während des Studiums arbeitet er für den ORF, nebenbei bastelt er an eigenen Ideen. An ein „echtes“ Start-up samt Geschäftsmodell denkt er dabei nie: „Mir gefiel am Entwickeln einfach der kreative Schöpfungsgedanke. Ich habe alles von der Programmierung über Design und Texte selbst gemacht und mich am Ergebnis gefreut.“
Später wechselt Saad zu einer privaten Kapitalgesellschaft, ist dort fürs digitale Marketing zuständig. Die Nähe zu den Start-ups führt dazu, dass auch in ihm selbst die Lust zu gründen erwacht. Allerdings spürt er auch die Angst vorm Risiko – eine Scheu davor, alles auf eine Karte zu setzen. „Als Gründer muss man genau abwägen, ob man bereit ist, alles an Zeit und Geld in ein Projekt hineinzugeben und Sicherheiten loszulassen. Ich war es damals nicht.“
„Gründen light“: Start-up neben dem Job hochziehen
Also entscheidet er sich für die „Light-Variante“: Er bleibt in seinem bisherigen Job und gründet nebenbei mit seinem Freund Dzenid Muratovic die Auto-Sharing-Plattform autoshare.at. In Österreich ist es die erste Plattform für Carsharing, die mit einer Versicherung zusammenarbeiten will. Auf PR-Ebene hat das Duo schnell Erfolg, da Saad auch journalistisch einiges drauf hat, sämtliche großen Medien in der D-A-CH-Region greifen das Thema auf.
An anderer Stelle gibt es hingegen Probleme. Die Verhandlungen mit der Versicherung ziehen sich in die Länge, sieben Monate lang ein ständiges Hin und Her. Die beiden Gründer stehen vor einer Wand und sind zum Nichtstun verdonnert, weil es nicht weitergeht. Also beschließen sie, das Konzept auf einen weiteren Bereich zu übertragen: Mode. Während die Versicherung auf sich warten lässt, entsteht die Plattform Fashionlend, über die Menschen ihre Klamotten und Accessoires tauschen und ausleihen können – siehe auch “Mein Rock, meine Hose, mein Kleid: Bei Fashionlend verleihen Menschen ihre Kleidungsstücke“.
Falsche Strategie mit Fashionlend verfolgt
Em Ende klappt es mit beiden Unternehmungen nicht. Für autoshare.at finden die beiden Gründer zwar eine neue Versicherung, die innerhalb weniger Wochen einsteigt – doch nach einem knappen Jahr zieht sie sich plötzlich von heute auf morgen zurück und fordert das sofortige Einstellen der Geschäftsbeziehung. Bis heute weiß Saad nicht, woran es lag, denn auf Kontaktversuche gab es keine Reaktionen mehr.
An Fashionlend, erzählt Saad, seien sie einfach falsch herangegangen: Statt sich erst eimal auf die Großstädte zu konzentrieren, wollten sie „loyal zu unserer Community sein und das Angebot gleich überall ermöglichen“. Obwohl sogar Mashable über die Seite berichtet, startet Fashionlend nicht durch: Die ersten Anbieter sind zu weit verstreut, viele sitzen irgendwo auf dem Land, so kommt es zu keinem wirklichen „Tausch-Flow“ und das Interesse ebbt ab. Passend zum Thema: “Über 30 Start-ups, die 2013 leider gescheitert sind“.
Ins Loch gefallen ist Saad nach dem Aus seiner zwei Startup-Babys trotzdem nicht. Viel Geld hat er nicht verloren und ebenso wie sein Freund und Geschäftspartner hatte er weiterhin seinen eigentlichen Job, in den er sich wieder voll hineingeben kann.
Mit dem dritten Start-up kommt der Erfolg
Dann kommt die nächste Idee. Wieder ist es nicht die Hoffnung auf Erfolg, die Saad treibt, sondern die Lust an der Sache selbst: Als Muslim erkennt er den Bedarf an einer Hotelbewertungsmaschine für muslimische Reisende. Zu der Zeit gehört der sogenannte „Halal-Tourismus“ zu den großen Wachstumsbereichen im Reise-Business. „Ich wollte es einfach probieren – für mich war nicht entscheidend, ob es was wird oder nicht“, bekennt der Österreicher.
Saad programmiert die Webseite, recherchiert selbst die ersten 400 Hotels, für die nächsten 1000 engagiert er Studenten. Parallel startet er einen Reiseblog. Vor allem die Facebook-Seite wächst rasant, BBC stellt das Start-up vor. Schon bald kann Saad von Google Adsense auf lukrative Direkt-Verträge mit den Hotels umsteigen, es gibt ein echtes Geschäftsmodell.
Dann will ein asiatischer Reiseunternehmer, mit dem HalalTrip kooperiert, das Start-up übernehmen. Saad ist sich unsicher: Er ist an einem Punkt, an dem er ganz einsteigen müsste, um das Wachstum zu bewältigen. Auf der anderen Seite merkt er, dass das öffentliche Interesse am Thema abnimmt. Am Ende entscheidet er sich für den Verkauf. „Letztlich war mir das Risiko zu groß. Ich hätte bestimmt einen großen Investor gefunden, aber ich wollte nicht den Druck, dann auch schnell große Gewinne einfahren zu müssen.“ Hinzu kommt, dass er Familienzuwachs bekommen hat und auch deshalb nicht mehr alles auf eine Karte setzen will.
Wie groß wäre der Erfolg gewesen, wenn er die Fußball-Manager-Seite damals nicht abgegeben hätte? Wenn er HalalTourismus nicht verkauft hätte? Diese Fragen sind da, aber bereut hat Saad seine Entscheidungen trotzdem nicht. Er weiß, dass er eben nicht dem Gründer-Ideal eines stets risikosuchenden Unternehmers entspricht. Gründen will er trotzdem irgendwann wieder – und sich auch dann wieder hauptsächlich von seiner Leidenschaft leiten lassen. „In Deutschland halten sich Gründer oft stark an Zahlen fest. Aber man braucht nicht immer eine sechsmonatige Marktbeschäftigung. Manche Märkte kann man auch selbst kreieren.“ Vielleicht wäre er das nächste Mal sogar zu einem Investment bereit. Denn auch ein Investment kann Gründern eine gewisse Sicherheit bieten – zumindest für eine Zeitlang. Momentan ist Saad mit seinem Angestellten-Job bei Red Bull zufrieden: “Auch als Angestellter kann man sich verwirklichen, wenn man selbstbestimmt und projektbasiert arbeiten kann.” Alles weitere lässt er auf sich zukommen.
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