Tod oder Gladiolen
Turbolente Zeiten bei Tirendo – Delticom greift durch
Bei Tirendo scheint es ordentlich zu brodeln. Das Unternehmen bzw. die Angestellten des Unternehmen verschickten an diesem Dienstag eine Mail mit der Ankündigung einer Betriebsratswahl. Solch’ eine Mail verschickt man nicht, wenn im Unternehmen Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Scheinbar haben einige Menschen im Unternehmen massive Angst um ihre Jobs. In der Ankündigung heißt es: “Nachdem in den vergangenen Wochen ein Wechsel an der Spitze der Geschäftsführung bei der Tirendo Holding GmbH stattgefunden hat, kam es zu etlichen Entlassungen beim Berliner Reifen-Onlinehandel. Die Beschäftigten sind nunmehr sehr verunsichert und haben sich an ver.di gewandt, um mit Hilfe der Gewerkschaft einen Betriebsrat am Berliner Standort zu gründen”.
Zur Erinnerung: Erst kürzlich verkündete die Jungfirma den Abgang von Markus Bihler, Erik Heinelt und Felix Vögtle, dem bisherigen Tirendo-Management. Mit sofortiger Wirkung übernahmen Sascha Jürgensen vom Vorstand der Delticom und Andreas Faulstich aus dem Management der Delticom die Nachfolge der Geschäftsleitung bei Tirendo. Wobei die bisherigen Macher erst Ende dieses Jahres offiziell ausscheiden. Ein Indiz dafür, dass es nicht unbedingt rund läuft beim Reifendienst, der seit dem vergangenen Jahr zu Delticom gehört (Betreiberin von ReifenDirekt.de). Man kann in diesem Fall davon ausgehen, dass es vermutlich unterschiedliche Auffassungen bei der Führung des Unternehmens bzw. der künftigen Strategie gab. Die bisherige Führung aber gleich komplett vor die Tür zu setzen, ist schon einmal ein hartes Signal. Wie aus dem Umfeld des Unternehmen zu hören ist, mussten wohl auch rund 20 weitere Mitarbeiter gehen bzw. konnten ihre Stelle gar nicht erst antreten. Rund 160 Mitarbeiter arbeiteten zuletzt bei der Jungfirma.
Dass nun zwei Delticom-Leute den Zukauf Tirendo führen, deutet schon einmal darauf hin, dass man das Unternehmen enger an die Mutter binden will – von Start-up-Stimmung und großen Wachstum scheint man sich somit bei Tirendo verabschieden zu wollen. “Gestern fand bei uns eine Mitarbeiterversammlung statt. Dort wollte man uns beruhigen. Das Gegenteil war der Fall. Uns wurde mitgeteilt, dass Tirendo als eigenständige Firma nur dann eine Chance hat, wenn wir innerhalb von 18 Monaten rentabel werden. Wir haben uns aus dieser Unsicherheit und einem starken Wunsch nach Gerechtigkeit heraus entschlossen, einen Betriebsrat zu gründen. Wir werden dafür sorgen, den Geschäftsbetrieb zu sichern und sozialer zu gestalten”, begründet einer der Beschäftigten die Entscheidung zur Gründung eines Betriebsrates bei Tirendo. Informationen darüber, wie Tirendo in 18 Monaten rentabel werden soll, also durch welche Maßnahmen, wurde den Angestellten nicht mitgeteilt. Die Zeit der flachen Hierarchien und der offenen Kommunikation, die es früher gab, sind somit vorbei.
Wie ernst die Lage bei Tirendo ist, zeigt auch Markus Hoffmann-Achenbach von ver.di auf: “Wenn die neuen Eigentümer und Geschäftsführer weiterhin auf krassen und harten Umstrukturierungen des Unternehmens bestehen, kann ein Betriebsrat bei Tirendo eine eventuelle Schließung bzw. die angedachte Verlegung des Kundenservice nach Polen und Rumänien nicht aufhalten. Er kann sich aber für einen geordneten und sozialen Ablauf stark machen. Auch ver.di wird sich für seine Mitglieder und den Betriebsrat stark machen.” Offiziell wurde dies zwar nicht verkündet, aber die Mitarbeiter vermuten etwa eine solche Verlegung des Kundenservices.
Somit heißt es nun Tod oder Gladiolen bei Tirendo. Delticom hatte im vergangenen Jahr 50 Millionen Euro für Tirendo bezahlt. Delticom wollte sich zu den Entlassungen bei Tirendo nicht mitteilen. Man teilte uns nur kurz und knapp mit, dass man sich zu “internen Vorgängen bei Delticom, die die Zukunft betreffen, nicht äußern” werde. Von Delticom hieß es zuletzt nur, dass man den Integrationsprozess mit Tirendo nach zehn Monaten erfolgreich abgeschlossen habe. Weiter hieß es: “Delticom beabsichtigt, die Eigenständigkeit der Marke Tirendo im Markt weiterhin zu fördern und den Standort in Berlin zusätzlich als Ideen- und Technologieschmiede zu etablieren”. Des Weiteren werde das Unternehmen aber notwendige Schritte einleiten, um Tirendo zukunftssicher zu machen. Der erste Schritt dieser Maßnahmen waren dann wohl Entlassungen.