Von Elke Fleing
Donnerstag, 3. Juli 2014

Flying: Nach dem Scheitern ist vor dem Exit

Manchmal hat das Business-Leben sein Navi anscheinend von 'schnellste Route' auf 'landschaftlich schönste Strecke' umgestellt. Oder so. 'Normal' geradeaus verlief der Weg von flying, der Vielflieger-App, jedenfalls nicht. Denn flying war schon eine Weile offline - dann wurde es verkauft.

Der Abgang von Flying im April 2014 darf als best practice-Beispiel dafür gelten, wie man mit Würde und Anstand abtritt. Das war extrem stil- und respektvoll, wie das Start-up sich von seinen Nutzern verabschiedete.

Aber es blieb nichts anderes übrig, als den Stecker zu ziehen – obwohl Flying, das 2012 in Hamburg gegründet worden war, inzwischen eine sehr loyale und begeisterte Community aufgebaut und viele Fans hatte. Es war weder gelungen, genügend Investoren ins Boot zu holen noch ein tragfähiges Geschäftsmodell aufzubauen.

Kaum hatte die unsanfte ‘Landung’ von Flying die Runde gemacht, gab es nicht nur eine riesige Sympathiewelle, sondern Übernahme-Willige reichten sich quasi die Klinke in die Hand. “Wobei es schon qualitativ extrem unterschiedliche Offerten waren, die uns da in die Mailbox flatterten,” erzählt Panos Meyer, Gründer und CEO von Flying.

“Ein ‘Angebot’ war dabei, das man eigentlich nur als Unverschämtheit bezeichnen kann. Ein Berliner Unternehmen wollte nur den Quellcode kaufen – und bot dafür sage und schreibe 300 Euro. Mit der Begründung, sowas könnten ihre Praktikanten auch in ein paar Stunden entwickeln. Nach den tausenden von Arbeitsstunden, die wir in Flying investiert haben, ein sehr unverschämtes Angebot…”

Am Ende bleiben zwei ernstzunehme Angebote übrig. Das eine kam von Flight Radar aus Stockholm, das eine ähnliche App wie Flying anbietet und bereits extrem viele Kunden hat. “Dort stand allerdings zu befürchten, dass Flying in deren App eingeflossen wäre und seine eigenständige Existenz verloren hätte”, so Panos.

Schließlich machten der US-Investor Rob W. Armstrong und die dahinter stehende Investorengruppe Statusking sowie die Agentur Brushfire das Rennen. Sie kauften Flying und werden es weiter betreiben. Über die Summe des Kaufbetrags wurde leider Stillschweigen vereinbart.

Letztendlich war die Zusammensetzung der Käufergruppe das entscheidende Argument für Flying, sich für sie zu entscheiden. Panos Meyer dazu: “Wir denken, dass die Kombination aus StatusKing, einer Investorenguppe, die aus dem Finanzsektor kommt und der mobile-Agentur brushfire die größten Chancen bietet, Flying doch noch zum Fliegen zu bekommen. brushfire hat bewiesen, dass sie mobile Apps zum Rennen bringen können – ihre App golfshot.gps ist die weltgrößte Golf-App. Und StatusKing versteht viel von tragfähigen Businessmodellen. Vor allem aber sitzen sie in den USA, dem Kernmarkt für Flying.”

Neben der App soll auch die von Flying entwickelte Hardware, das Flying-Display, von dem bisher nur ein Prototyp existiert, weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht werden.

Flying.display from Flying on Vimeo.

Allerdings soll es in einer kleineren Variante gebaut und preisgünstiger als bisher von Flying angedacht als Premium-Komponente angeboten werden.

Vom zuletzt siebenköpfigen Team werden drei Mitarbeiter an Bord des Start-ups bleiben, dessen Headquarter zukünftig in Phoenix, Arizona angesiedelt wird. (Na, da passt ja sogar der Name der Stadt zur Geschichte von Flying: Phönix aus der Asche…)

Panos Meyer selbst will nach der Übergabe nicht mehr bei Flying dabei sein. Das fällt ihm schwer, aber er ist der Meinung, so seiner App die größten Chancen zum Erfolg zu bieten. “Flying wird in den USA betrieben und es macht Sinn, dass die Geschäftsführung ebenfalls in den USA sitzt.”

Diese Entscheidung könnte ein Fehler sein. Denn Meyer ist selbst der größte Fan und nach außen die Seele von Flying, das ja eine Community-basierte App ist. Und nirgends sind Vertrauen und Sympathie wichtiger als bei Community-getriebenen Anwendungen.

Er wäre – sogar als verdammt gut bezahlter – Marketingchef von Flying sicher ein rentabler und wichtiger Erfolgsfaktor für das Start-up. Und man kann über Flying sagen, was man will, aber in Sachen Marketing hat Meyer bis hin zur ‘Landung’ schlichtweg Exzellentes geleistet.

Was andere Start-ups ansonsten als Learnings aus dem ‘Fall’ Flying mitnehmen können, sind zwei Dinge:

1. Keine Angst zu scheitern! Das gehört einfach dazu. Und manchmal muss man sogar erst scheitern, um letztendlich doch noch erfolgreich zu sein.

2. Mut zur Offenheit in allen Phasen des Geschäfts: Mit dem Shutdown nicht bis zum allerletzten Drücker warten und dann abrupt den Stecker ziehen, sondern die Gefahr frühzeitig und transparent kommunizieren.

Vielleicht wären die Sympathiewogen für Flying inklusive der Übernahmeangebote dann schon während des noch laufenden Betriebs eingetrudelt und die User hätten jetzt nicht eine Lücke von einigen Monaten in ihren Trackings hinzunehmen.

Im Nachhinein wäre es sicher schlauer gewesen, die monatlichen Kosten in Kauf zu nehmen, um Flying zumindest im Status Quo am Laufen zu halten, bis ein Käufer gefunden ist. Aber hey: Hinterher ist man immer schlauer…