Inside Y Combinator: Was YogaTrail beim US-Accelerator erlebte
Unser Start-up YogaTrail war zu Gast im Silicon Valley, um als Finalist an den Y Combinator (YC) Interviews teilzunehmen. Als deutsches Start-up, dessen Gründerteam vorwiegend aus Chiang Mai, Thailand operiert, hatten wir eher eine Außenseiterrolle. Anbei unser Erfahrungsbericht.
Die YC Bewerbung
YogaTrail ist ein globales Yoga-Verzeichnis (Elevator Pitch: Tripadvisor für Yoga), das als Joint Venture zwischen der deutschen Internetagentur BUZZWOO! und dem Ehepaar Alex Klein und Alexandra Jaton ins Leben gerufen wurde. Seit dem Start der Website im August 2013 ist YogaTrail auf circa 30.000 angemeldete Nutzer und mehr als 60.000 Profile angewachsen. Das Start-up ist seit Ende April profitabel.
Wir sind generell sehr zufrieden mit der Entwicklung. Bootstrapping in Thailand ist eine feine Sache, allerdings ist man teilweise etwas „ab vom Schuss“. Chiang Mai ist weit von Berlin und noch viel weiter vom Silicon Valley entfernt. Wir hatten einen Punkt erreicht, an dem ein erfahrener Mentor/ Investor mit entsprechendem Netzwerk und Venture Capital das Projekt entscheidend beschleunigen könnte. Dabei ist uns der Punkt Mentoring und Know-how-Transfer mindestens genauso wichtig, wie eine Aussicht auf Finanzierung.
Und so hatten wir im April den spontanen Entschluss gefasst, uns bei Y Combinator, dem weltweit renommiertesten und einflussreichsten “Start-up Accelerator”-Programm, zu bewerben. Die reguläre Bewerbungsfrist war bereits verstrichen und kurzfristig um zwei Wochen verlängert worden. Auf den letzten Drücker sozusagen reichten wir unsere Bewerbung ein, die circa 25 Fragen beinhaltet, auf die man besser möglichst präzise und beeindruckend antwortet. Ein weiterer Bestandteil der Bewerbung ist ein 60 Sekunden langes Vorstellungs-Video. Investierte Zeit unsererseits, um alles soweit vorzubereiten: Drei Stunden. Die komplette Bewerbung ist hier als PDF nachzulesen.
Die Wahrscheinlichkeit als Finalist ins Silicon Valley eingeladen zu werden, ist extrem gering. Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber nicht einmal 1 % der Einsendungen kommt in die finale Runde. Die Chancen stehen dabei Gerüchten zu Folge schlechter als bei Harvard oder dem MIT akzeptiert zu werden. Auf der einen Seite waren wir überzeugt, ein gutes Produkt zu haben, „proof of concept“, beeindruckendes Wachstum und erste Umsätze waren vorhanden – auf der anderen Seite hatten wir uns nicht viel von der Bewerbung versprochen. Wie hoch konnten die Chancen eines deutschen Start-ups, das vorwiegend aus Thailand aus arbeitet, tatsächlich sein? Als dann am 20. April die Benachrichtigung per E-Mail eintraf zu den Interviews in Mountainview eingeladen zu sein, war die Euphorie riesig.
Die Vorbereitung auf das Interview
Gegensätzlich zur Bewerbung haben wir sehr (sehr) viel Zeit und Energie in die Vorbereitung für die Interviews investiert. Uns allen war klar: Falls wir es in das anstehende Sommerprogramm bei Y Combinator schaffen, ändert das unsere Situation in vielerlei Hinsicht. Die Chance Teil eines Netzwerks zu sein, das Start-ups wie Airbnb, Dropbox und Heroko hervorgebracht hat, war plötzlich zum Greifen nahe. Uns blieben zwei Wochen um soviel wie möglich über den Interviewprozess, die Fragen die hier gestellt wurden, und das Interviewer-Team in Erfahrung zu bringen.
Wir haben vermutlich alle existierenden Blogartikel von YC Alumnis oder Start-ups, die in der Vergangenheit ebenfalls interviewt wurden, im Detail studiert. Ein befreundeter VC hat uns einige Stunden “gegrillt” und mit Fragen bombardiert (= Generalprobe). Zu guter Letzt hat uns ein Freund das Buch “The Launch Pad: Inside Y Combinator” empfohlen. Für Lesestoff während des Fluges war also gesorgt. Und in den Tagen vor dem Interview gab es einige schlaflose Nächte.
In der Regel wird von dem kompletten Gründerteam erwartet, bei dem Interview in Silicon Valley anwesend zu sein. Da alle drei Gründer (Alexander Klein, Alexandra Jaton und Sven Ernst) aktuell von Chiang Mai, Thailand aus arbeiten, bedeutet dies konkret: circa 4000 Euro Flugkosten und circa 150 Stunden Reisezeit für drei Personen.
Vor allem die Einbußen unserer Produktivität machte uns dabei die größten Sorgen. Wir beschlossen es wäre sinnvoll mit Sam Altman (Präsident von Y Combinator) zu klären, ob in unserem Fall die Vertretung durch einen Gründer ausreichend wäre. Sam versicherte uns, das Y Combinator-Team verstehe unsere Situation und es wäre in unserem Fall ok und nicht von Nachteil nur ein Teammitglied auf die Reise zu schicken. Und so fassten wir den Entschluss: Alex Klein sollte YogaTrail im Silicon Valley repräsentieren. Der Rest des Teams würde live auf Skype während des Interviews zugeschaltet sein und Rede und Antwort stehen, falls irgendwelche Fragen aufkommen sollten. Unklar ist, ob YogaTrail‘s “Solo-Auftritt” eine negative Rolle während des Interviews gespielt hat, aber wir stehen nach wie vor zu unserer Entscheidung, nur einen Gründer geschickt zu haben.
Der Morgen vor dem Interview
Es war ein sonniger Tag mit frühlingshaften Temperaturen – unser Interview war für 11 Uhr terminiert. Alex traf gegen 10 Uhr im Y Combinator Büro in Mountainview ein und wurde direkt von Jessica Livingston (Ehefrau von Paul Graham und Y Combinator Partner) empfangen. Wir waren zuversichtlich, und hatten das Gefühl gut vorbereitet zu sein. Alex Jaton und ich selbst warteten ungeduldig in unserem Chiang Mai Büro. Reichlich Snacks und ein Red Bull sollten gegen die Nervosität und Müdigkeit helfen. Bei uns war es bereits 1 Uhr morgens und circa 30 Minuten vor dem Interview schaltete uns Alex per Skype hinzu. Alex gab uns eine kurze Tour via webcam durch die Y Combinator Zentrale. Die Stimmung hier schien eher etwas bedrückend, was vermutlich an der Nervosität aller anwesenden Teams lag. Nervöses Gelächter hier und da und alle 10 Minuten wurde ein Team von diversen YC Verantwortlichen aus dem Saal in Richtung Interviewraum geführt.
Der Y Combinator Wartesaal
Es befanden sich in etwa 15 weitere Teams im Wartesaal. Die meisten davon sehr jung, vermutlich Studenten der verschiedenen US Elite-Universitäten: Stanford, MIT, Harvard und Yale sind gewisserweise die Haus- und Hof-Unis unter YC Alumnis. Viele haben nicht mehr als eine Idee, ein semi-funktionaler Prototyp ist bei vielen Start-ups bereits das Höchste der Gefühle. Das scheint die meisten Venture Capital Firmen wenige Monate später nicht davon abzuhalten, trotz allem teilweise 7-stellige Summen in diese “Firmen” zu investieren. Oft gleicht das Ganze einer Wette und es wird spekuliert, ob es bei der einen oder andere Idee zum nächsten Airbnb oder Dropbox (die zwei prominentesten YC Firmen) reicht.
Wir waren hoffnungsvoll, im Vergleich zu diesen Teams gut aufgestellt zu sein. Wir hatten ein funktionierendes Produkt, das seit dem Launch vor zehn Monaten bereits von zehntausenden Usern genutzt wird. Die kritische Masse hatten wir in vielerlei Hinsicht erreicht und wir arbeiteten bereits zwei Jahre erfolgreich zusammen. Unser Team war solide aufgestellt und jeder der Gründer hatte etwas Außergewöhnliches und Beeindruckendes in unternehmerischer Hinsicht vorzuweisen. Zudem hatten wir einen ganzen Stapel an Ausdrucken und Umsatzauswertungen dabei, die unseren Wachstumskurs schwarz auf weiß belegen sollten.
Trotz allem, aus irgendwelchen Gründen machten sich kurz vor dem Interview Zweifel breit. Die meisten der anderen Teams im Warteraum waren sehr jung und US Amerikaner. Alex stach hier als Mittvierziger eher heraus. Sind wir zu sehr Außenseiter und passen eventuell nicht ins Bild des klassischen YC Start-up Profils?
Das Interview
Und dann war es soweit, mit circa 15 Minuten Verspätung wurden wir von einem YC Mitarbeiter in den Interviewraum geführt, Alex vor Ort und Alex 2 und ich selbst via Webcam hinzugeschaltet. Es saßen vier (oder fünf?) Personen an einem langen Tisch. Bis auf den YC Partner Gary Tan (mit dem wir bereits vor einigen Monaten Kontakt hatten) kam uns niemand bekannt vor. Auffallend war, dass die Entscheider extrem jung waren. Kurzes Händeschütteln – und die ersten 30 Sekunden unseres zehn Minuten Timeslots waren vergangen. Zehn Minuten – ihr habt richtig gehört, das ist die Zeit, die man zur Verfügung hat, sein Produkt, Team und die Zukunftsstragie möglichst überzeugend zu vermitteln. Eine echte Herausforderung.
“Was ist YogaTrail?” lautete die Eröffnungsfrage… Zack! Elevatorpitch und eine kurze Zusammenfassung, was das Ziel der Plattform ist und welche Probleme wir zu lösen versuchen. Kurz darauf hatten wir die Chance einige der Ausdrucke zu präsentieren:
* Viraler Faktor 60%. Check.
* Monatliches Wachstum von 20%. Check.
* Umsatz seit Januar monatlich verdoppelt und am Mai voraussichtlich profitabel. Check.
Kurz danach die Bitte die Seite live vorzuführen. Gesagt getan. Wir suchen nach Yoga in “Mountainview, San Francisco”. Das Suchergebnis kann sich sehen lassen. Wir haben zahlreiche Listings in der Region, viele davon mit Reviews, Bildern etc. Soweit so gut. Und weiter geht’s…
* „Was unterscheidet euch von MindBody Software“? Die Frage bereitet uns keine Probleme, Check.
* „Und wie verdrängt ihr Yelp aus den Toppositionen bei Google? “ Komische Frage, kurze und klare Antwort. Check.
* „Und was ist mit eurem Team?“ Wir stellen kurz unsere Rollen vor. Check.
* Und das war’s, Zehn Minuten vergingen wie im Flug: „Danke, dass ihr gekommen seid – wir melden uns später.“
Wow, wir waren erst mal erleichtert. Das Interview ist vorbei, aber wie ist es gelaufen? Prinzipiell hatten wir eher das Gefühl, missverstanden geworden zu sein. Verwirrend lange wurde auf der Yelp-Frage herumgekaut. Es wurden überhaupt keine Fragen zu dem Marktpotential, Zukunftsplänen, Mittbewerber etc. gefragt. Auch der Frage zum Team wurden nur ein paar wenige Sekunden gewidmet. Wir waren völlig ahnungslos, ob das Ganze jetzt positiv oder negativ verlaufen war. Uns blieb nichts anderes übrig, als auf das Feedback am Abend zu warten.
Bei uns in Chiang Mai war es bereits mitten in der Nacht und Alex in San Francisco war von Jetlag geplagt. Die Zeit mit ein wenig Schlaf zu vertreiben, schien eine gute Idee zu sein. Kurz zur Info bezüglich den YC Formalitäten. Am Abend würde entweder das Telefon klingeln („We want to fund you“) oder es geht eine Absage mit kurzer Begründung als E-Mail raus. Die E-Mail traf gegen 21 Uhr bei uns ein.
Die Absage
Dear Alex, Alex and Sven,
Thanks for coming in to talk to us today at Y Combinator (and for taking the time to Skype in, for the two of you). Unfortunately, we have decided not to fund Yoga Trail for the upcoming summer batch. This was a difficult decision for us, you guys clearly have a lot of passion for yoga and have made a pretty cool site with a fair number of users. Unfortunately, we were unable to get to believing that you had a strategy for supplanting Yelp as the top Google search results — having worked on SEO extensively in the past a better product often times isn’t enough.
You clearly have a product that is better than what else is out there. I encourage you to spend more time on figuring out customer acquisition (possibly through non-search channels). In any case, we are often wrong in our decisions, and I hope that you continue to build your business and wish you the best in doing so.
Best,
Hmmm, wir hatten es geahnt, die verdammte Yelp-Frage. Wir waren irritiert. Yelp ist nicht wirklich ein Konkurrent. Den meisten Yogis würde es nicht in den Sinn kommen via Yelp nach Yoga zu suchen oder gar ein Retreat oder Workshop buchen. Außerdem empfiehlt man uns in der E-Mail nach anderen Wachstumsstrategien abgesehen von SEO zu suchen. Wir fühlten uns extremst missverstanden. Wir hatten doch sehr deutlich gemacht, dass ein Großteil unserer User-Akquisition aktuell von viralen Features kommt und dass circa 60 % der bestehenden User durch Einladungen anderer User auf die Seite gekommen sind. Schwierig zu sagen, auf was diese Missverständnisse zurückzuführen waren. Eventuell ist es uns trotz sehr intensiver Vorbereitung nicht gelungen, unsere Strategie entsprechend zu kommunizieren?
Andere Ursachen, die wir uns denken können:
- Y Combinator ist der Annahme, dass ein Verzeichnis innerhalb einer bestimmten Nische neben Yelp keine Daseinsberechtigung hat. Nische ist allerdings relativ. Der Yoga-Markt setzt alleine in den USA jährlich mehr als 20 Milliarden Dollar um und wächst weltweit, vor allem in Asien und Europa sehr stark.
- Timing: Unser Interview war am letzten der insgesamt drei Interviewtage. Es wurden schätzungsweise 200 Start-ups zu den Interviews eingeladen. Waren die Interviewer nach unzähligen bereits abgehaltenen Interviews vor uns bereits “ausgebrannt”? Hat man uns evtl. nicht die volle Aufmerksamkeit zukommen lassen?
- Die Y Combinator-Partner, die uns interviewt haben, schienen sehr viel Wert auf SEO zu legen. Zweifelsfrei ist SEO wichtig, aber wir denken die Herausforderung organisches Wachstum durch bestimmte virale Features zu erzielen ist zum einen anspruchsvoller und vor allem Anfangs auch effektiver.
- Und zu guter Letzt: Es hat vielleicht einfach auf persönlicher Ebene nicht gepasst? Das Gründerteam zu alt? Nicht auf einer Wellenlänge? Nicht US Amerikaner, wie die meisten anderen Teams und dann auch noch zu Hause in Chiang Mai, Thailand?
Abschließende Gedanken
Erfolg oder Misserfolg, um für das YC Programm akzeptiert zu werden, hängen am Ende davon ab, ob es einem Team gelingt, innerhalb von zehn Minuten einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, vorausgesetzt, dass es dabei auch auf persönlicher Ebene passt. Dabei ist das Start-up Team primär darauf angewiesen, welche Art von Fragen die Interviewer stellen, d.h. in welche Richtung das Gespräch geht.
Y Combinator macht bereits vor den Interviews ein nicht unerhebliches Invest in die potentiellen Kandidaten. 1.500 US-Dollar pro Start-up-Team, um die Reisekosten zu decken, zuzüglich der (wertvollen) Zeit der Y Combinator-Partner, die drei Tage Vollzeit bei den Interviews anwesend sind.
Eventuell wäre es sinnvoll, die Herangehensweise der Interviews zu überdenken? Vielleicht doch ein wenig mehr Zeit zu investieren und dabei sicherstellen, dass die Gründer und ihre Vision möglichst genau verstanden werden? Gerade in unserem Fall schienen zehn Minuten im Vergleich zu mehr als 50 Stunden Anreisezeit geradezu ironisch.
Die Frage ist: inwieweit lässt sich nach zehn Minuten das Potential einer Idee bzw. eines Teams sinnvoll bewerten? Auf Basis des Interviews wird schließlich eine Entscheidung mit Folgen getroffen: Das Start-up bekommt 120.000 US-Dollar (für 7 % der Firma) in bar und verbringt drei Monate in Mountainview, währenddessen sehr eng mit Y Combinator und den Partnern zusammengearbeitet wird.
Trotz allem, war das Ganze eine sehr gute Erfahrung für uns. Alleine die Tatsache zu den Interviews eingeladen worden zu sein, hat uns in unserer Idee bestärkt und wir nutzten die verbleibende Zeit vor dem Rückflug, um uns mit anderen Investoren im Silicon Valley kurz zuschließen. Highlight dabei war der Besuch des San Francisco Büros von 500 Startups und die Möglichkeit uns mit den Verantwortlichen dort auszutauschen.
Hinweise zu diesem Gastbeitrag:
Dieser Gastbeitrag wurde ursprünglich auf dem YogaTrail Blog veröffentlicht. Der originale Blogpost war knapp 24 Stunden auf der Hackernews Startseite, wo es eine rege und konstruktive Diskussion zu dem Thema gab. Wir haben zahlreiche Kontakte und teilweise sehr positives Feedback erhalten. Zudem wurde die Story von mehreren großen Tech Blogs veröffentlicht.
Investor bzw. Inkubator? Interesse an YogaTrail? Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme.