Smart Home boomt – aber worin besteht der Nutzen?
Immer mehr Start-ups entwickeln Smart Home-Produkte. Dass die technischen Möglichkeiten vielfältig sind, wird schnell klar. Doch worin besteht eigentlich der tatsächliche Kundennutzen? Welche Anwendungsszenarien gibt es und was müssen Smart Home-Start-ups beachten?
Spätestens seit Google in den Smart Home-Bereich eingestiegen ist, ist klar: Das intelligente Zuhause wird sich in den kommenden Jahren ebenso durchsetzen wie zuvor das Internet, Tablets und Smartphones. Und das ist kein Wunder, denn das intelligente Zuhause bringt zahlreiche Annehmlichkeiten mit sich.
Gründe für ein Smart Home
Die Anwendungsbereiche der Heimautomatisierung lassen sich grob in drei Bereiche einteilen: Komfort, Energie und Sicherheit. So muss man im Winter nicht mehr in eine kalte Wohnung zurückkehren, denn die Heizung lässt sich schon von unterwegs per Smartphone einschalten. Mit intelligenten Glühbirnen, sogenannten Smart Bulbs, kann man je nach Stimmung für die richtige Beleuchtung einzelner Räume sorgen. Und beim Verlassen des Hauses genügt ein Klick auf dem Smartphone, um sicherzugehen, dass alle Geräte ausgeschaltet sind.
Energie – und damit auch Geld – zu sparen, bietet ebenfalls einen wichtigen Anreiz, um sich für ein Smart Home zu interessieren. Anders als noch vor einigen Jahren sind dazu jedoch keine hohen Investitionen nötig. Alles, was man braucht, ist ein Gateway, Aktoren und Sensoren und die passende Software auf dem Tablet oder Smartphone. Hat man beispielsweise vergessen, die Heizung beim Verlassen der Wohnung auszuschalten, kann man dies ganz einfach von unterwegs nachholen.
Der Sicherheitsfaktor entsteht zum einen durch den Einbruchschutz. Das Smart Home simuliert die Anwesenheit der Bewohnern mit zufälliger Beleuchtung und Steuerung der Rollladen. Und während des Urlaubs genügt ein Blick auf das Smartphone, um sich zu vergewissern, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Bewegungsmelder informieren über ungewöhnliche Aktivitäten im Haus. Außerdem kann man jederzeit sicher sein, dass Gefahrenquellen – wie etwa der Herd oder das Bügeleisen – tatsächlich ausgeschaltet sind.
Den Überblick behalten
Trotz seines vielfältigen Nutzens ist das Smart Home für viele Menschen noch immer eine eher abstrakte Vorstellung. Dies könnte vor allem daran liegen, dass fast täglich neue Produkte auf den Markt schwemmen. Bei dieser Fülle von Angeboten ist es für den normalen Verbraucher nahezu unmöglich den Durchblick zu behalten. Man fragt sich: Was ist im Endeffekt tatsächlich machbar, wie ausgereift sind die einzelnen Lösungen und welche sind die Richtigen für meine Bedürfnisse? Bevor es nicht die eine „Killer-App“ gibt, scheint das Risiko groß, auf das falsche Pferd zu setzen. Niemand will am Ende mit einem umfangreich ausgerüsteten Haus dastehen, nur um dann festzustellen, dass sich ein anderes Produkt als das überlegene erwiesen hat. Diese Sorge ist durchaus ernst zu nehmen. Manche Smart Home-Start-ups setzen daher auf die Entwicklung von Produkten, die mit zahlreichen anderen Lösungen kompatibel und jederzeit erweiterbar sind. In diesem Fall muss keinesfalls das gesamte Inventar eines Haushalts technisch erneuert werden. Problemlos kann man zum Beispiel mit einem einzelnen Heizkörper beginnen, auf dessen Regulierung besonders viel Wert gelegt wird, wie etwa im Wohnzimmer. Was dazu nötig ist, ist ein leicht zu montierendes Smart Home-Thermostat, die entsprechende Software und ein sogenanntes Gateway, welches Daten des einen Netzwerktypen in ein anderes überträgt. Die Elemente sind beispielsweise über Funk, wie etwa Z-Wave oder EnOcean, miteinander verbunden. Zusätzliche Hardware kann nachgerüstet werden. Wo und in welchem Maße entscheidet jeder selbst.
Selbst die Regeln bestimmen
Ähnliches gilt für die Einstellungen und die Automatisierung des Smart Home. Einen großen Stellenwert nehmen persönliche Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten ein. Je mehr der Endverbraucher bestimmen kann, desto eher stellt sich das positive Gefühl ein, mehr Kontrolle zu haben, statt sie der Technik zu überlassen. Was selbstverständlich klingt, ist tatsächlich eine Herausforderung. Das Leben vieler Menschen wird inzwischen durch Geräte bestimmt, von denen man bis vor wenigen Jahren noch nicht einmal gehört hatte. Geht das Smartphone kaputt, fühlt man sich kaum noch handlungsfähig. Termine, Kontakte und Informationen aller Art hat man vertrauensvoll in die Hände der Technik gelegt.
Die Grundidee des Smart Home ist daher, dass jeder Anwender selbst seinen Nutzen definieren kann. Damit man sich nicht plötzlich selbst den Regeln der Technik unterordnen muss, beinhalten viele Software-Lösungen sogenannte „Wenn-Dann-Regeln“. Dabei definiert der Kunde die Komponenten selbst und legt fest, wie sich das System verhalten soll. Beispielsweise lässt sich sehr einfach der Befehl „Wenn das Fenster geöffnet wird, dann schaltet sich die Heizung ab“ erstellen.
In diesem Falle bedeutet dies, dass die Heizung ausgeschaltet bleibt, auch wenn das Fenster wieder geschlossen wurde. Um diesen Zustand nicht manuell beheben zu müssen, verfügen manche Anbieter auch über die „Solange-Regel“. Das könnte – wenn gewünscht – bedeuten: „Solange gelüftet wird, schaltet sich die Heizung aus“. Die Folge: das Thermostat springt auf seine ursprüngliche Einstellung zurück, sobald das Fenster wieder geschlossen wurde. So kann sich jeder Anwender seine ganz eigenen Szenarien erstellen und sie beliebig verändern. Der individuelle Kundennutzen ist dadurch sehr viel höher als durch die bloße Möglichkeit Geräte aus der Ferne ein- und auszuschalten.
Was bedeutet das für Start-ups?
Wer ein Smart Home-Start-up gründet, sieht sich zu Beginn mit vielen möglichen Szenarien konfrontiert. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob man sich mit seiner Lösung spezialisieren oder möglichst breit aufstellen will, und welches Geschäftsmodell man verfolgt. Eine B2B-Ausrichtung steht auf der einen Seite für zahlungskräftige Kunden und einen geringeren Marketingaufwand. Mit B2C erschließt sich hingegen ein frühzeitiger Zugang zu einem potentiellen Massenmarkt und eine damit verbundene stärkere Markenbildung.
Wichtig ist in jedem Fall auch eine klare technische Positionierung, wenn es um das eigene Angebot geht. In welchen Bereichen sind die Produkte einsetzbar und mit welchen Gerätegruppen sind sie kompatibel? Welchen Funkstandard wählt man aus? Stellt man sich diesbezüglich breit auf oder geht man bewusst das Risiko ein, sich für eine bestimmte Technologie zu entscheiden? Um diese Fragen sowohl für sich selbst als auch für den Kunden zufriedenstellend beantworten zu können, ist ein Zusammenschluss mit Partnern sinnvoll. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Qivicon-Plattform der Deutschen Telekom. Dort kommen Anbieter vom Elektrogerätehersteller bis hin zum Gateway- und Software-Anbieter zusammen und entwickeln interaktionsfähige Smart Home-Produkte. Eine ähnliche Allianz haben ABB, Bosch, Cisco und LG im Oktober 2013 verkündet. Gemeinsam wollen sie eine Smart Home-Softwarelösung realisieren und den Massenmarkt erschließen. Start-ups sind in diesem jungen Markt überproportional vertreten und gelten als Innovationstreiber. Frühzeitige Kooperationen sind daher sowohl für die Konzerne als auch für die jungen Gründer ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Festzuhalten bleibt: Wenn aus Smart Home tatsächlich ein Massenmarkt werden soll, dann muss dem Verbraucher gezielt vor Augen geführt werden, wie er die verfügbare Technik konkret für sich nutzen kann. Darüber hinaus muss ihm gezeigt werden, dass eine Umrüstung auf Smart Home nicht die Anschaffung neuer Elektrogeräte oder die Neuverkabelung der Wohnung bedeutet. Ebenso muss ihm die Hemmschwelle genommen werden, die neue Technologie in seinen eigenen vier Wänden auszuprobieren. Mit individuellen Lösungen und zuverlässigen Partnern haben Start-ups die große Chance, genau dies zu tun.
Zu den Autoren
Sarah Collas und Torben Pfau arbeiten für das Kölner Start-up-Unternehmen GreenPocket, das Smart Home-Software für Energieversorger und Serviceprovider entwickelt.