Das neue Widerrufsrecht kommt – und mit ihm eine neue Abmahnfalle
Am 13. Juni wird das neue „Verbraucherschutzgesetz“ ohne Übergangsfrist (!) in Kraft treten. Alle Online-Händler müssen demnach, ihre Online-Shops in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni entsprechend der neuen Gesetzeslage überarbeiten. Anderenfalls droht eine Abmahnung von Konkurrenten und/oder Verbraucherschutzzentralen. Eine frühere Umstellung ist nicht möglich, da bis zum 12. Juni die derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen Bestand haben und diese dem neuen Verbraucherschutzrecht in mehrfacher Hinsicht entgegenstehen.
Das neue Verbraucherschutzrecht bringt einige signifikante Änderungen mit sich. So gelten z.B. neue Regelungen hinsichtlich des Widerrufsrechts. Auch gibt es zahlreiche neue Hinweis- und Informationspflichten, die Online-Händler zwingend beachten müssen.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem neuen Widerrufsrecht. Die ab dem 13. Juni geltenden neuen Informationspflichten werden in einem gesonderten Artikel behandelt.
Es gibt künftig einheitliche Widerrufsbelehrung
Anders als bisher müssen Unternehmen ihre Kunden vor Abschluss des Bestellprozesses über ihr Widerrufsrecht belehren. Dazu sollen Unternehmen eine vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Musterwiderrufsbelehrung verwenden.
Für Online-Shops mit einem großen Warenangebot und entsprechend angepassten Versandprozessen stellt die Musterwiderrufsbelehrung jedoch ein Problem dar. So bestehen bspw. bei der Belehrung des Kunden über den Beginn der Widerrufsfrist erhebliche Schwierigkeiten, wenn
- mehrere Waren bestellt werden und bei Bestellung nicht fest steht, ob diese zusammen oder getrennt geliefert werden oder
- wenn eine Ware bestellt wird, die in mehreren Teilsendungen (z.B. bei Möbeln, Fitnessgeräten etc.) geliefert wird.
Ebenso schwierig ist die Belehrung des Kunden hinsichtlich der Rücksendekosten, wenn sowohl paketversandfähige und nicht paketversandfähige Waren angeboten bzw. zusammen verschickt werden, Kunden bei Bestellung von nicht-paketversandfähigen Waren über die Höhe der Rücksendekosten belehrt werden müssen. Diese Pflicht besteht bei paketversandfähigen Waren nicht.
In den vorgenannten Fällen ist eine einheitliche Widerrufsbelehrung entsprechend der Vorgaben des Gesetzgebers kaum möglich. Für Unternehmen bestehen daher folgende Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen:
- Anpassung der Bestell- und Versandprozesse (z.B. Trennung von paketversandfähigen und nicht paketversandfähigen Waren) entsprechend der Widerrufsbelehrung;
- Anpassung der Musterwiderrufsbelehrung bzw. Abweichung vom gesetzlichen Muster. Dies stellt jedoch ein gewisses rechtliches Risiko dar, und sollte nur nach Rücksprache mit einem auf Onlinerecht spezialisierten Rechtsanwalt vorgenommen werden.
Fazit:
Um ihrer Belehrungspflicht nachzukommen und ihren Kunden die Musterwiderrufsbelehrung zur Verfügung zu stellen, bedarf es ggf. erheblicher technischer Anpassungen. Unternehmen müssen ihre Prozesse bzw. ihren Webshop künftig so gestalten, dass ihre Kunden im Laufe bzw. zu Beginn des Bestellprozesses – in jedem Fall vor dem Absenden der Bestellung – über ihr Widerrufsrecht informiert werden. Abhängig vom angebotenen Warenportfolio und den Versandmodalitäten stellt das neue Widerrufsrecht Online-Shops vor enorme Herausforderungen (s.o.).
Widerruf ist nicht mehr an Textform gebunden; bloße Rücksendung genügt nicht mehr
Künftig gibt es für Verbraucher auch die Möglichkeit ihren Widerruf per Telefon zu erklären. Anders als bisher ist also die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung, die bislang regelmäßig zu Abmahnungen führte, nun zwingend.
Die bereits bekannten Möglichkeiten des schriftlichen Widerrufs (z.B. per E-Mail, Fax, Brief) bestehen für Verbraucher auch weiterhin. Dem Kunden ist nun vor Abschluss des Bestellprozesses ein Musterwiderrufsformular zur Verfügung zu stellen, welches er für seinen Widerruf verwenden kann – aber nicht muss (!). Dieses sollte für den Kunden unbedingt downloadbar (z.B. als PDF-Datei) sein. Der Gesetzgeber stellt dazu ein Musterwiderrufsformular bereit, das in der Praxis wie folgt aussehen könnte:
Anders als bisher, ist ein Widerruf durch bloße Rücksendung der Ware oder der Verweigerung der Annahme – ohne jegliche Erklärung des Kunden – nun nicht mehr möglich. Es bedarf stets einer Erklärung des Widerrufs. Diese kann, wie erwähnt telefonisch, in schriftlich oder (neuerdings) auch über ein vom Unternehmen bereitgestelltes Onlineformular erfolgen.
Im Falle eines Widerrufs, ist dem Kunden/Verbraucher der Zugang unverzüglich (z.B. per E-Mail) zu bestätigen.
Widerrufsfrist beträgt 14 Tage
Die Widerrufsfrist beträgt nun 14 Tage – regelmäßig ab Zugang der Ware (vgl. oben).
Für Online-Händler positiv: Die Widerrufsfrist im Falle einer falschen oder fehlenden Belehrung beträgt maximal 12 Monate ab dem Zeitpunkt der vollständigen Warenlieferung. Damit ist ein Widerruf nicht mehr zeitlich unbeschränkt möglich.
Unternehmer trägt Hinsende- der Verbraucher die Rücksendekosten
Eine weitere Neuerung im Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht ist der Wegfall der sog. „40-Euro-Klausel“. Künftig hat der Kunde/Verbraucher im Falle eines Widerrufs grundsätzlich die Kosten des Rückversands der Ware zu tragen – sofern der Online-Händler diese Kosten nicht freiwillig übernimmt. Bei Bestellung von nicht-paketversandfähiger Ware, muss der Kunde in der Widerrufsbelehrung über die Höhe der Rücksendekosten informiert werden. Hier stellt sich erneut die oben erwähnte Problematik einer rechtskonformen Widerrufsbelehrung, sofern auch paketversandfähige Waren angeboten werden.
Der Onlinehändler hat in jedem Fall die Kosten des Versands der Ware zum Kunden zu tragen. Jedoch hat er die Möglichkeit die Höhe der Kosten auf die „Standardversandkosten“ zu beschränken. Sollte der Kunde eine abweichende, kostenintensivere Versandmethode (z.B. Expressversand) wünschen, so hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten zu tragen.
Die „empfangenen Leistungen“ müssen in Zukunft spätestens nach 14 Tagen zurückgewährt werden
Bei der Abwicklung des Widerrufs hat die Erstattung des Geldes nach wie vor Zug um Zug gegen die Ware zu erfolgen. Dafür gilt jedoch künftig eine Frist von 14 Tagen (bislang: 30 Tage). Das heißt, dass der Verbraucher die Ware innerhalb der besagten Frist an den Online-Händler zurückzusenden hat. Entsprechend muss der Händler den Kaufpreis und die Versandkosten innerhalb von 14 Tagen an den Kunden zurückerstatten.
Für Online-Händler positiv: Es besteht ein sog. Zurückbehaltungsrecht. Der Händler darf die Rückzahlung des Kaufpreises (und ggf. der Versandkosten) solange zurückhalten, bis er die Ware zurückerhalten hat bzw. der Kunde zumindest deren Absendung nachweist.
Ausnahme vom Widerrufsrecht
Bereits nach der bisherigen Gesetzeslage bestehen zahlreiche Ausnahmefälle, bei denen ein Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. So besteht das Widerrufsrecht z.B. nicht, wenn eine Ware individuell nach Kundenspezifikationen gefertigt worden oder sie auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet ist.
Die Liste der bestehenden Ausnahmeregelungen wird künftig um einige Punkte erweitert. Erwähnenswert ist der Ausschluss des Widerrufsrechts bei versiegelten Waren, „die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. Was jedoch unter „aus Gründen der Hygiene“ zu verstehen ist und wie genau eine „Versiegelung“ der Ware auszusehen hat, verschweigt der Gesetzgeber. So sollten insbesondere Online-Händler, die auch Unterwäsche oder andere körpernahe Kleidung in ihrem Sortiment haben, genau prüfen (lassen), ob dieser Ausschluss des Widerrufsrechts auch für sie gilt, bevor Sie einen Widerruf bezüglich dieser Ware vorschnell zurückweisen.
Fazit
Die Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie ab dem 13.06.2014 bringt zahlreiche Änderungen – insbesondere für Online-Händler – mit sich. Die Änderungen beim Widerrufsrecht stellen nur einen Teil der zahlreichen Neuregelungen dar. Daneben gelten für Online-Händler auch strengere Informations- bzw. Hinweispflichten gegenüber den Kunden, es gibt Änderungen beim Umgang mit Retouren sowie mit den Versandkosten.
Online-Händler müssen also nicht nur ihre AGB und Widerrufsbelehrung überarbeiten sondern auch diverse Prozesse anpassen. Dabei besteht die Schwierigkeit nicht nur darin, dass die Musterwiderrufsbelehrung nicht auf jedes Geschäftsmodell passt, sondern auch in dem Umstand, dass es keine Übergangsfristen gibt. Die Änderungen müssen in der Nacht vom 12. zum 13. Juni 2014 umgesetzt werden. Shop-Betreiber die die neuen Regelungen am 13.06. nicht oder nicht korrekt umgesetzt haben, laufen Gefahr kostenpflichtig von Konkurrenten und/oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt zu werden.
Zur Person
Marco Koehler ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei -K- Legal Services in Berlin. Er berät vornehmlich Unternehmen im Online-, IT- und Medienrecht. Darüber hinaus verfügt Marco Koehler über mehrjährige Praxis im deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht sowie im Wettbewerbs- und Markenrecht.