Von Elke Fleing
Mittwoch, 2. April 2014

Storytelling ist die hirngerechte Art zu kommunizieren – und nachzudenken

Für Start-ups, aber auch jedes etablierte Unternehmen lässt sich aus den Forschungsergebnissen, die wir im ersten Teil dieser Serie angerissen haben, ganz klar das Postulat formulieren: Kommunizieren Sie in Form von Geschichten, damit Sie gut ankommen und berühren Sie die Menschen emotional.

Um die Kerngeschichte Ihres Unternehmens und später weitere Stories zu entwickeln, müssen Sie einiges an Zeit und Kreativität investieren.

Die gute Nachricht: Sie investieren all die Zeit und Kreativität mitnichten nur für Ihre externe und interne Unternehmenskommunikation. Sondern auch für die eigene Klarheit.

Und dass eine gute Geschichte einen zum Beispiel auch aus so mancher – nun, etwas prekären Situation retten kann, veranschaulicht dieser großartige Spot des TV-Senders Canal+

Storytelling fördert inhaltlichen Durchblick und anschauliches Texten

Es ist viel weniger aufwendig, mittels Bullet Points und faktenorientierten Informationen zu kommunizieren als gute Geschichten zu entwickeln.

Stichwörter und Bullet-Points zum Konzipieren und Präsentieren zu nutzen, ist verführerisch. Sie sparen Platz, sind übersichtlich und deutlich schneller zusammenzustellen als ganze Sätze oder gar gute Geschichten.

Stichwörter und Spiegelstrichlisten bergen aber auch Gefahren in sich:

Sie vertuschen Halbwissen: Mittels Stichwörtern ist es viel leichter, Gedanken zu Papier zu bringen, die man selbst nicht wirklich verstanden oder zu Ende gedacht hat, ohne dass es jemandem auffällt – weder den Lesern noch sich selbst. Zum Nachdenken über sich selbst und sein Unternehmen und in der Außenkommunikation sind ganze Sätze ein deutlich besser geeigneter Verständnis-Prüfstein.

Sie verführen zu hohlen Phrasen: Weil Kürze oberstes Gesetz bei Spiegelstrichlisten ist, ist die Versuchung der zu starken Vereinfachung groß. Man kürzt einen Gedankengang, eine Idee so weit zusammen, bis nur noch eine aussagelose, hohle Phrase übrig ist. Es sei denn, man ist ein begnadeter Claim-Texter, aber die wenigsten von uns sind das.

Sie verführen dazu, abstrakt zu texten und zu denken: Ganze Sätze, und viel mehr noch Geschichten zwingen zum anschaulichen, konkreten und Gefühle berührenden Erzählen. Ihre Gedanken und Texte können daraus nur gewinnen.

Aha-Erlebnis-Übung: Stichwörter zu Sätzen zu Geschichten
Probieren Sie’s aus: Schnappen Sie sich eine der Bullet Point-Präsentationen aus Ihrer Rechner-Schublade und formulieren Sie ganze Sätze aus den Listenpunkten eines Slides.

Sie werden feststellen, dass Ihnen so mancher Zusammenhang selbst noch nicht wirklich klar ist. Sie müssen intensiver darüber nachdenken, um die Stichwörter in ganze Sätze zu gießen. Das ist gut so. Denn nur, was Sie selbst wirklich verstanden haben, können Sie auch verständlich kommunizieren.

Und wenn Sie dann aus der Essenz einer ganzen Bullet Point-Liste eine Geschichte entwickeln, werden Sie feststellen, dass es Ihnen dadurch viel leichter fällt, anschaulich, konkret und mit Beispielen bestückt zu texten.

Denn dabei knüpft Ihr Gehirn automatisch an seine bereits gespeicherten Geschichten an, gleicht ab, ordnet zu – und zack: Die Gefühle, Erlebnisse und Beispiele, mit denen Sie Ihre Informationen aufladen und so viel interessanter und anschaulicher werden lassen, fallen Ihnen fast von selbst zu.

Storytelling ist die hirngerechteste Art der Selbstreflektion

Weil Geschichten die Form sind, in die auch unser eigenes Gehirn Informationen gießt, eignen sich Storys am besten dazu, andere mit unseren Inhalten zu erreichen.

Sie sind aber auch die einzige gehirngerechte Form, um über uns selbst nachzudenken, über unser Unternehmen, unsere Motivation, unsere Passion, Ziele und Werte. Es macht doch viel mehr Sinn, mit unserem Gehirn zu sprechen – und nichts anderes ist Nachdenken – in einer Sprache, die es auf Anhieb versteht und nicht erst ‘übersetzen’ muss.

Indem Sie sich dem Entwickeln Ihrer Geschichten widmen, werden Sie sich über ganz wesentliche Punkte klar werden, die grundsätzliche Weichen für Ihr Selbstverständnis und Ihre eigene Wahrnehmung Ihres Unternehmens stellen werden.

Damit werden Sie es zukünftig sehr viel souveräner und sicherer über sich, Ihr Unternehmen und Ihre Mission sprechen können, werden viel einfacher auf jede Frage die richtige – verständliche und mitreißende – Antwort haben.

Ihr Unternehmen wird leichter zur scharf konturierten Marke mit eindeutigem Profil – für Sie selbst und in der Außenwahrnehmung.

Und sie werden zukünftig seltener an der Richtung der weiteren Entwicklung Ihres Unternehmens und bezüglich der Schritte zweifeln, die als nächstes zu tun sind. Weil Sie nämlich jede anstehende Entscheidung mit ihrem ‘Masterplan’ überprüfen können, den Ihre wichtigsten Geschichten auch bilden.

Fazit 2: All die genannten Vorteile des Storytelling für Selbstreflektion und Unternehmenskommunikation, die durchaus auch grundsätzlich über Erfolg oder Scheitern eines Unternehmens entscheiden können, sind die investierte Zeit und Mühe allemal wert.

Im dritten Teil dieser Serie geht’s dann an die Kerngeschichte Ihres Unternehmens – das ist die wichtigste Geschichte, die Ihr Unternehmen je erzählen wird – und die das Fundament Ihrer gesamten Unternehmenskommunikation bildet.

Bild oben: Shutterstock, Brain, bearbeitet

Eine kürzere Fassung dieses Artikels erschien bereits in der Print-Zeitschrift Weave im Januar 2014