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Götterdämmerung in der deutschen Gründerszene?!

Der Hype frisst seine Kinder. In Bezug auf die deutsche Gründerszene ist momentan vieles zu lesen: Von zerstörten Hoffnungen über einem Exitus der Eventlandschaft bis zum Abgesang auf die Party in Berlin. Offenbar hatten einige Szenemenschen unglaubliche Erwartungen an die Start-up-Szene.
Götterdämmerung in der deutschen Gründerszene?!
Montag, 31. März 2014VonAlexander

Die Stimmung schlägt massiv um: Während die Szene sich in den vergangenen Jahren oftmals selbst feierte – und diverse etablierte Medien die Szene in den Himmel lobten – und so für einen waschechten Start-up-Hype rund um Berlin sorgten, neue Helden erschufen, ist nun Götterdämmerung bzw. ein Heldensterben angesagt. Wie sehr die etablierten Medien in den vergangenen Jahren im Start-up-Fieber waren, bekam auch der Verfasser dieser Zeilen täglich hautnah mit. Es gab Wochen, da rief jede Woche eine andere Redaktion an – sie wollen auch etwas über Start-ups machen. Einmal fiel sogar das Zitat: “Weil es ja gerade alle machen”. Ein typisches Medienphänomen also: Der ein schreibt etwas – und alle anderen schreiben ab. Folgt nun der gegenteilige Ausschlag: Vermutlich schon.

Selbstverständlich gab und gibt es handfeste Gründe für Berichte über die deutsche Start-up-Szene und speziell Berlin. Die deutsche Gründerszene hat sich in den vergangenen Jahren ordentlich gemausert. Viele deutsche Start-ups sind erfolgreich unterwegs, erwirtschaften Millionenumsätze. Selbstverständlich sind nicht alle Gründungen erfolgreich, dies liegt aber in der Natur der Sache: Viele Start-ups scheitern. Einige Zeit unterlagen aber offenbar auch einige Berliner Seriengründer und Inkubatoren in der Hauptstadt, dem Wahn, dass sie es schaffen könnten, keine Flops zu fabrizieren. Was, wie sich gezeigt hat, nicht stimmte. Selbst der Über-Inkubator Rocket Internet fabrizierte in den vergangenen Jahren in Deutschland – und anderswo auf der Welt Projekte, die gescheitert sind. Dabei gab der Firmenausbrüter sogar ganze Länder – wie die Türkei auf. Als Gesamtkonstrukt ist Rocket Internet trotzdem erfolgreich unterwegs. Wie langlebig und wirtschaftlich erfolgreich deren Start-ups sind, muss sich natürlich erst noch zeigen.

Das nächste Twitter aus Berlin

Im Allgemeinen gibt es zwei Meinungen über deutsche Start-ups, die zusammen nicht funktionieren: Oftmals wird gefordert, dass das nächste Facebook, das nächste Twitter aus Berlin kommen müsse. Nur, wer immer das nächste Facebook oder Twitter aus Berlin fordert, kann nicht gleichzeitig erwarten, dass dies gelingt, wenn gerade einmal einige Jahre ein paar andere (in Bezug auf Ausrichtung, Idee etc.) Start-ups in Berlin entstehen. Es muss ja nicht immer E-Commerce sein! Klar, Hype-Start-ups wie Amen, Gidsy und Readmill haben der Szene vielleicht scheinbar im allgemeinen Medieninteresse geschadet, waren sie doch nicht das nächste Twitter. Sie hätten es aber vielleicht sein können! Zudem waren diese Konzepte in Bezug auf Start-ups aus Deutschland anders, deswegen war es gut, dass es sie gab – auch wenn sie keine Überflieger waren. Und nun eine ziemliche Plattitüde: Nur wer wagt gewinnt. Denn nur dann entsteht vielleicht auch einmal das nächste Twitter in Berlin. Aus den USA kennen viele auch immer nur die Überflieger, die vielen Projekte die scheitern, kennt nur kaum jemand.

Nun aber zurück zu Götterdämmerung: Aktuell gibt es bei der Startup Academy Berlin einen Artikel über das Berliner Ökosystem. Titel: “Startup-Medien in Berlin: Rien ne va plus“. Zitat: “Vor einem Jahr war die Berliner Startup Event- und Medienlandschaft die vielfältigste Europas. Nun dagegen ist 2014, und sie steht vor dem Exitus”.

Auch Spiegel Online haut in Bezug auf das Readmill-Aus (verkauft an Dropbox) drauf: “Nach dem Boom der Anfangstage ist die Hoffnung auf Berlin als neues, internationales Gründerzentrum erst einmal vorbei. Alte Stars wurden aufgekauft oder gingen ein, das Geld fließt noch immer nicht, die bürokratischen Hürden sind noch immer nicht abgebaut und die Hoffnung auf das schnelle Geld mit Apps statt soliden Geschäftsideen ist auch perdu”.

Nicht zu vergessen der Artikel “Bei Berlins Startups ist die Party vorbei” in der Wirtschaftswoche vor einigen Wochen. Zitat: “Rückzüge, Notverkäufe, Pleiten: Nach Jahren des Booms macht sich Realismus in Deutschlands Internet-Hochburg an der Spree breit. Ohne zusätzliches Risikokapital bleibt der Abstand zum Silicon Valley exorbitant”.

Endlich ist der Hype vorbei

Der Hype frisst somit seine Kinder. Dabei ist die Party noch lange nicht vorbei! Party ist einfach das falsche Wort in Bezug auf die deutsche Gründerszene. Die deutsche Start-up-Landschaft steht (weiter) erst an ihrem Anfang: Der Hype der vergangenen Jahre sorgte aber offenbar dafür, dass einige Szenemenschen unglaubliche Erwartungen an die deutsche Start-up-Szene hatten. Deswegen ist es gut, dass der Hype nun vorbei ist. Nun gilt es, erfolgreiche Start-ups aufzubauen, die auch in einigen Jahren noch existieren. Dafür braucht es keinen Hype. Was die deutsche Gründerszene braucht – neben mehr großen Kapitalgebern und großen Exits – ist Zeit. Nur so kann eine lebendige Gründerszene weiter wachsen.

Passend zum Thema: “Scheitern ist keine Schande – 12 Gründer berichten über ihr Scheitern

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Foto: hype word on digital screen background with world map, business card from Shutterstock

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.