Emotionen und Geschichten regieren erfolgreiches Marketing
Storytelling im Business: Eine Hype aus dem Nichts?
‘Storytelling’ ist zum Buzzword geworden, so inflationär wird es neuerdings auf Websites, in Blogs, Seminaren und Portfolios von Beratern benutzt.
Dabei ist das Storytelling so alt wie die Sprache der Menschheit selbst, bedeutet es doch nichts anderes als ‘Geschichten erzählen’. Und dieser Tätigkeit haben nun ausgiebig schon unsere allerersten Vorfahren gefrönt, zumal sie mangels Fernseher, Kino, Restaurant oder Fitness-Studio kaum Alternativen zur Gestaltung ihres Abendprogramms hatten.
Vor allem aber konnten Sie mangels Schrift oder wenigstens Felszeichnungen zunächst weder ihr Wissen noch ihre Erfahrungen auf einem anderen Weg tradieren als durch mündliche Kommunikation.
Und sie konnten auf keinem anderen Weg von ihren täglichen Erlebnissen berichten und sich mit ihren Heldentaten brüsten – wobei letztere damals wie heute ein wesentliches Kriterium für den Erfolg bei der Partnerwahl bilden. Heute nennen wir das Selbstmarketing, das Prinzip ist aber dasselbe.
Die Kunst des Geschichten-Erzählens wurde also schon an den Lagerfeuern der ersten Homo Sapiens kultiviert. Warum nun der plötzliche Hype der Storytelling-Skills in der Welt der Unternehmenskommunikation?
Die Neurowissenschaften rücken Emotionen und Geschichten in den Fokus
Schuld scheinen die Neurowissenschaften zu sein. Ihre durch die funktionelle Magnetresonanztomografie möglich gewordenen Versuche rund um die Themen Willensbildung und Entscheidungsfindung entfachten eine Fachdiskussion um den freien Willen des Menschen, die auch die Neuroökonomie und nicht zuletzt das Neuromarketing beflügelten. Dazu zum Beispiel der Artikel Die Hirnforschung und die Mär von der Willensfreiheit bei heise.de.
Der Rummel ging los, als John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin in einer Studie zeigte, dass der prä frontale Kortex – aufgrund seiner Zuständigkeit für kognitive Leistungen wie Aufmerksamkeit, Nachdenken, Entscheiden und Planen immerhin auch bekannt als Sitz der Persönlichkeit – bereits sieben Sekunden vor einer bewussten Entscheidung aktiv ist.
Ob damit wirklich bewiesen war, dass Menschen Entscheidungen größtenteils unbewusst fällen, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Wahrscheinlich nutzen wir unseren Verstand nur, um unsere Entscheidungen im Nachhinein rational zu rechtfertigen – vielleicht aber auch, um abzukühlen und den ersten Impuls zu korrigieren.
Und doch sagt uns das Erfahrungswissen, dass Appelle an die Vernunft vielleicht ein einsichtiges Nicken oder kurzzeitig ein schlechtes Gewissen auslösen, aber nicht zum Handeln führen. Unbedingt lesenswert dazu ist der Artikel bei Zeit online: Der Mensch denkt, das Gehirn lenkt.
So wissen wir heute einiges darüber, wie das Gehirn arbeitet. Und dieses Wissen sollten auch Unternehmen nutzen: Es sollten unbedingt die Gefühle der Leser, Hörer, Zuschauer oder Käufer angesprochen werden, wenn wir sie tatsächlich erreichen wollen.
Gut unterhalten zu werden, ist eines unserer mächtigsten emotionalen Bedürfnisse
Ebenfalls aus den Neurowissenschaften stammt die Erkenntnis, dass der Wunsch nach Spaß, Humor, Spannung und Spiel – kurz: guter Unterhaltung – nach der Befriedigung der vitalen Grundbedürfnisse – eines der drei wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen ist.
Es gibt im menschlichen Gehirn neben den physiologischen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Atmung und Schlaf drei große Emotionssysteme, die unser ganzes Leben bestimmen. Hans-Georg Häusel hat dazu die Limbic® Map entwickelt, in der die wichtigsten Emotionen und emotionalen Bedürfnisse in ihrem Verhältnis zu den drei großen Grundbedürfnissen verortet werden können:
Das Balance-System repräsentiert das Urbedürfnis des Menschen nach Sicherheit, Vermeidung von Gefahr, Geborgenheit und Verlässlichkeit.
Das Dominanz-System steht für den Wunsch des Menschen nach Macht, Status, Überlegenheit und Autonomie.
Das Stimulanz-System: Der Wunsch des Menschen nach Erlebnis, Neuem, Individualität – und dazu gehören auch der Wunsch nach Spiel, Spaß, Humor und Leichtigkeit – eben das dringende Bedürfnis nach guter Unterhaltung.
Und eben dieses Stimulanz-System will durch Unternehmenskommunikation auch bedient werden. Sonst langweilen sich die Leser bzw. Zuhörer, schalten ab und all die Mühe ist vergebens.
Wer mehr über emotionales Marketing und seine neurowissenschaftlichen Hintergründe lesen möchte, dem sei das leicht verständliche und enorm aufschlussreiche Buch Brainview von Hans-Georg Häusel allerwärmstens ans Herz gelegt.
Geschichten stützen unser Gedächtnis
Unser Gehirn speichert keine einzelnen Details, also keine isolierten Zahlen und Fakten, sondern vernetzte sinnliche Informationen bzw. Geschichten. Das Gehirn wäre aber mit dem Speichern von Millionen unterschiedlicher Geschichten rein quantitativ massiv überfordert.
“Auch die Logistik beim Einlagern und Abrufen wäre mit einem solchen System zu aufwendig. Viel effizienter ist es, von den wichtigsten und immer wiederkehrenden Ereignissen Mustervorlagen herzustellen. Diese Prototypen lassen sich dann beliebig variieren, je nach Verwendungszweck”, schreibt Werner T. Fuchs in seinem Buch Warum das Gehirn Geschichten liebt. Wir können uns Geschichten also besser merken als isolierte Informations-Details – und alle Geschichten folgen den Mustern einiger weniger ‘Master-Plots’.
Fazit 1: Storytelling fürs Business ist also kein zufällig gerade jetzt entstandener Hype, sondern: Eine schon immer vom Menschen intuitiv genutzte Fähigkeit kann dank der Erkenntnisse der jungen Neurowissenschaften erst jetzt – und sollte unbedingt! – gesteuert, also auch lehr- und lernbar für den Erfolg im Geschäftsleben eingesetzt werden.
Und: Für eine gute Story gilt das Gleiche, was schon Cicero für eine gute Rede forderte: Sie muss informieren, sie muss bewegen, also emotional berühren und sie muss unterhalten.
Im nächsten Teil dieser Serie wird es darum gehen, warum Geschichten das Format der Wahl zum Nachdenken und für die Unternehmenskommunikation sind.
Bild oben: Shutterstock, Stories, bearbeitet
Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien bereits in der Print-Zeitschrift Weave im Januar 2014