“Wenn man weiterkommen will, gehören Stürze dazu”
Thelen hat lange mit der Frage gerungen, ob er bei der TV-Sendung “Die Höhle der Löwen” mitmachen will. Eigentlich sei er kein Medienmensch sondern arbeite lieber im Hintergrund an seinen Produkten, erzählt er. Dass er nun trotzdem vor laufender Kamera die Geschäftsideen junger Gründer bewertet, hat vor allem einen Grund: Er sieht das Format als einmalige Chance an, seine Philosophie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
Deutschlands großes Problem ist, dass das Land keinen Pioniergeist mehr fördere, klagt Thelen. Und dieses Problem fange beim Abendessen mit den Eltern an. Damit drückt er aus: Die Schuld am mangelnden Pioniergeist tragen nicht in erster Linie risikoscheue Investoren oder kopierwütige Gründer. Das Problem ist in der Mitte der Gesellschaft verankert. Wenn junge Menschen am Ende ihres Studiums vor der Entscheidung stehen, ob sie in einen Konzern gehen oder lieber gründen, sei der Ratschlag der Eltern eindeutig: natürlich in den Konzern. „Deshalb will ich die Chance nutzen, zur besten Sendezeit in jedes Wohnzimmer die Message zu tragen: Gründen ist etwas Tolles!“
Selbstkritik angesichts des Aus von doo
Eine Aussage, die angesichts Thelens aktueller Lage besonders gewichtig wirkt: Vor Kurzem musste der Seriengründer und Investor (mytaxi, 6Wunderkinder) das Aus der Dokumenten-App doo bekanntgeben. In die Anwendung hatten Investoren insgesamt rund zehn Millionen Euro gesteckt. Eine harte Erfahrung, die dem 38-Jährigen nach wie vor zu schaffen macht.
Thelen ist selbstkritisch, er ärgert sich darüber, dass er die Komplexität der App unterschätzt und zu spät gemerkt hat, dass der Markt für sein Produkt noch nicht reif ist. Auf der anderen Seite sagt er: „Wenn man Dinge riskiert, passieren auch Fehler. Davon darf man sich nicht unterkriegen lassen.“ Ein angelegtes Dokument, an dem er fortwährend schreibt, hilft ihm dabei, sich mit seinen Fehlern und dem Schmerz auseinander zu setzen. (Passend dazu: “Bitteres Aus – Dokumentenverwaltung doo wird eingestellt“)
„Wir spielen noch in der Champions League, aber erst mal im unteren Bereich.“
Auch wenn es mit der App nicht geklappt hat – doo als GmbH existiert weiter, samt Team. Thelen ist an zwei neuen Projekten dran: einem „kleinen“, das schon fast fertig ist und auf die Technologie der doo-App aufbaut, und einem „größeren“, bei dem es um Datensicherheit und Verschlüsselung geht. Während er darüber redet, packt ihn dieselbe Begeisterung, die er auch schon bei doo versprühte. Bei dem Security-Cloud-Projekt, das mit nativen Apps arbeitet, handle es sich um echte Raketenwissenschaft, behauptet er. Es fällt ihm sichtlich schwer, keine Details zu verraten, doch die Professionalität siegt.
Das kleine Projekt ist etwas zum Rantasten: Wie ein Autofahrer, der nach einem Crash zunächst auf einem Parkplatz übt. „Ich bin noch etwas vorsichtig“, gibt Thelen zu, „deshalb zunächst ein kleines aber schickes Produkt. Wir spielen immer noch in der Champions League, aber zum Warmspielen nun erst mal im unteren Bereich.“ Ist Angst mit im Spiel? „Nein, eher Vorsicht. Angst ist immer ein schlechter Berater.“
Dabei ist dem 38-jährigen Angst durchaus nicht unvertraut. Zwanzig Jahre zuvor stand Thelen vor den Scherben seiner Existenz – zu einer Zeit, in der andere ihre „Endlich 18!-Parties“ feierten und sich hemmungslos betranken. Damals hatte er sein erstes Produkt entwickelt, eine Hard- und Softwarekombination, die bestehende lokale Netzwerke mit dem Internet verband. 1,4 Millionen Mark Wagniskapital verbrannte er insgesamt. Als die Bank ihn drängte, privat für seine Schulden zu bürgen, unterzeichnete er das Dokument noch während des Gesprächs.
Von ganz unten nach ganz oben
Einige Monate später war die Internet-Blase geplatzt, Thelens AG ging in die Insolvenz, zurück blieb eine Million Mark Schulen. „Mein Verhalten bei der Bank war unglaublich dumm und naiv, aber mir war Geld immer gleichgültig, ich wollte einfach nur in Ruhe mein Produkt bauen.“ Danach dachte er, aus dieser Misere werde er nie wieder herauskommen. Schlimm war für ihn auch das Unglück, das er über seine Familie gebracht hatte. Trotzdem war es gerade seine Familie, die ihm während dieser Zeit Halt gab. „Sie sagten mir: Du wirst deinen Weg schon finden, wir stehen hinter dir.“
Sein nächstes Projekt, ein Online-Photoservice namens Ip.labs, katapultierte Thelen wieder nach oben. Dieses mal baute er das Produkt ohne Fremdkapital, alle Anteile blieben bei ihm und seinen Mitgündern. Die Lizenz kauften später zahlreiche Unternehmen wie T-Online, Aldi und Lidl: So folgten auf den Schuldenberg Millionen-Gewinne. „Diese beiden krassen Erfahrungen, einmal in der Tiefe und einmal in der Höhe, haben mich geformt“, lacht Thelen.
„Traut euch, folgt eurem Herzen!“
Heute genießt der Bonner, dass er eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit erreicht und ein passendes Netzwerk um sich hat, um in Ruhe an neuen Produkten zu tüfteln. Die Liebe zum Produkt ist es, die ihn seit jenem denkwürdigen Tag antreibt, als er im Rahmen seiner Ausbildung zum informations-technischen Assistenten ein Praktikum absolvierte. In einem kleinen Team habe er damals eines der ersten Bildtelefone der Welt mitentwickelt, erzählt er mit leuchtenden Augen. Die Begeisterung über das Produkt ließ ihn Tag und Nacht arbeiten – so hält er es bis heute, wenn ihn etwas packt.
Zuvor war Thelen wegen „mangelnder Intelligenz und Leistung“ vom Gymnasium geflogen und auf die Realschule gewechselt. Mittlerweile hat er an eben selbem Gymnasium einen Vortrag gehalten. Den Schülern hat er dasselbe vermittelt, was er auch in der Vox-Serie weitergeben will: „Es gibt nicht nur die Telekom und BMW, sondern ein riesiges Spektrum an Möglichkeiten! Traut euch, folgt euerm Herzen! Nach der Schule ist die beste Zeit, um den innersten Wünschen nachzugehen – und wenn es Rockstar ist!“
Thelen selbst hat seine Lektionen nicht in der Schule gelernt, sondern während seines Praktikums und beim Skateboarden, das er der Schule vorzog. „Beim Skateboarden habe ich gelernt: Wenn man weiterkommen will, gehören Schmerzen und Stürze dazu. Man muss lernen, wieder aufzustehen und weiter zu machen.“ Dass er diese Lektion verinnerlicht hat, beweist er gerade: Auch wenn es mit der App doo nicht geklappt hat, will er mit der GmbH doo noch viele spannende Projekte umsetzen.
Passend zum Thema: “Scheitern ist keine Schande! 12 Gründer reden über ihr Scheitern”
Hausbesuch bei doo
ds-Haus- und Hoffotograf Andreas Lukoschek durfte sich bei doo Anfang 2013 einmal ganz genau umsehen. Er fand den ein edles Treppenhaus, viele fleißige Mitarbeiter und eine wunderschöne Lego-Installation. Einige Eindrücke gibt es in unserer Fotogalerie.