“Gründer sollten zuallererst für ihre Idee brennen”
Seit etlichen Jahren investiert der High-Tech Gründerfonds (HTGF) in große und kleine deutsche Start-ups. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht HTGF-Geschäftsführer Michael Brandkamp, der beim Startup Camp Berlin (20./21. März) als Speaker auftritt, über die größte Party in Berlin, große und Kleinere Exits sowie das Risiko des Scheiterns.
Starten wir einmal mit einen Blick auf Berlin: Ist die Start-up-Party schon wieder vorbei oder geht sie erst richtig los?
In den Jahren 1999/2000 während der großen Dot.com-Bubble habe ich in Berlin die größte Party rund um Start-ups mitgefeiert. Wir haben Jahre gebraucht, um diese Party zu verdauen. Heute haben wir eine völlig andere Situation.
Und welche?
Die gesamte Branche ist professioneller geworden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Gründer, sich bei Bedarf Unterstützung zu holen. Sei es durch Business Angels, Serial Entrepreneurs, Businessplan-Wettbewerbe oder Gründerberatungs- sowie Transferstellen an Universitäten. Wir sehen heute einige Start-ups, die hervorragende Chancen haben, ihr Konzept zum Erfolg zu führen und zu wachsen. Berlin hat zudem den großen Vorteil, dass die Szene hier untereinander sehr gut vernetzt ist. Viele Investoren, auch zunehmend ausländische VCs eröffnen in Berlin ein Büro. Die Voraussetzungen sind also gut und werden zunehmend besser. Was wir jetzt brauchen, sind große Exits. Erst dann lassen wir die Start-up Party steigen.
Fehlen in Berlin bzw. Deutschland wirklich nur die großen Exits?
Aus meiner Sicht sind Exits ab einem Wert von rund 80 Millionen Euro als groß zu bezeichnen. Sie haben eine auf die Szene höchst motivierende Leuchtturmfunktion, die uns aktuell fehlt. Kleinere Exits haben wir im Jahr 2014 schon einige gute gesehen. Zu nennen sind insbesondere ZIM-Plant, FTAPI und Plista, die uns schöne Renditen gebracht haben. Weitere gute Exits sind in Vorbereitung. Allerdings fehlen uns vor allem die großen; zumal wir überzeugt sind, dass den großen Exits viele kleine folgen werden.
Muss man als Unternehmer mittlerweile in Berlin gründen – oder geht dies auch in Hamburg, München oder Köln?
Wenn wir unser Portfolio betrachten, hatten wir bis zum Jahr 2011 im Großraum München die meisten Beteiligungszusagen. Mit 30 % der Beteiligungszusagen belegt Berlin seit 2012 ganz klar die Poleposition, gefolgt von München, Köln und Hamburg. Das liegt zum einen an der zunehmenden Attraktivität des Standorts bei vergleichsweise noch niedrigen Mieten und sonstigen anfallenden Kosten. Zum anderen an der Konzentration von IT-/Software- und Online-Start-Ups in Berlin. Hier sehen wir auch in unserem Portfolio die meisten Gründungen, gefolgt von Medizintechnik und Healthcare. In Berlin haben wir eine Reihe von sehr ausgründungsaktiven Hochschulen, wie die TU Berlin, die FU Berlin, die Charité.
Und wie sieht es in anderen Städten aus?
Auch in den anderen Großstädten werden die Rahmenbedingungen für Gründungen immer besser. In München haben wir beispielsweise einen großen Biotech-Cluster. Köln und Hamburg sind Medienstädte mit vielen Möglichkeiten für Gründer in diesem Bereich.
In den vergangenen Jahren sind viele Start-ups gegründet worden, viele Scheitern aber auch. Investieren Sie auch in Gründer, die schon einmal auf die Nase gefallen sind?
Natürlich ist das Risiko des Scheiterns für junge Technologieunternehmen sehr hoch. Mit diesem Thema wird heute jedoch anders umgegangen. Wir investieren in die technologische Idee und in die Menschen dahinter. Uns interessiert zwar, warum eine frühere Idee gescheitert ist, aber es ist für uns kein Grund, nicht zu investieren.
Wie sehr schmerzt es Sie, wenn ein vom HTGF finanziertes Start-up aufgeben muss?
Unser Team von Investment Managern arbeitet sehr intensiv daran, dass es möglichst nicht passiert. Wir geben nicht nur Geld, sondern vernetzen die Start-ups untereinander bei unserem Family Day, mit Investoren und Industriepartnern oder anderen wichtigen Branchenplayern. Wir stellen einen Coach zur Seite oder ergänzen das Management bei Bedarf. Wenn wir ein Portfoliounternehmen dann doch in die Insolvenz begleiten müssen, ist das sehr schmerzhaft.
Wenn der HTGF in Online-Shops investiert geht oft ein Aufschrei durch die Gründerszene, weil dies kein High Tech sei. Warum investieren Sie dennoch in solche Start-ups?
Der HTGF nähert sich innovativen Gründungen von der Marktseite. Wir investieren im Großen und Ganzen in technologische Innovationen, es können mitunter aber auch innovative Geschäftskonzepte mit disruptivem Charakter sein. Diese weisen dann besondere Alleinstellungssmerkmale auf, wie spezielle Serviceleistungen oder die Technologie des Shopsystems. Erfolgreiche Beispiele sind unter anderem Mister Spex, Outfittery oder windeln.de.
Welchen Tipp geben Sie Gründern mit auf den Weg?
Gründer sollten zuallererst für ihre Idee brennen. Biss, Durchhaltevermögen und eine strukturierte Führung des Unternehmens – das macht einen wahren Entrepreneur aus. Außerdem ist es wichtig, sich zu vernetzen. Es gibt sehr gute Veranstaltungen für Gründer, auf denen man in entspannter Atmosphäre Investoren und andere wichtige Kontakte kennen lernen kann. Ferner müssen Gründer ihre Kunden kennen. Das ist das A und O, um seine Produkte zu vermarkten. Last but not least sollten Gründer den Mut und das Selbstbewusstsein haben, einfach loszulegen.
Startup Camp Berlin
Das Startup Camp Berlin, zu dem jedes Jahr mehrere hundert Jungunternehmer zusammen kommen, findet Ende März in der Hochschule für Wirtschaft und Recht statt. Eine vollständige und aktuelle Liste der Sprecher finden Sie auf der Website des Startup Camp Berlin. Wir sehen uns hoffentlich Ende März in der Hauptstadt: Jetzt beim Startup Camp Berlin anmelden. deutsche-startups.de ist Medienpartner und Co-Organisator des Startup Camp Berlin.