“Wir haben YouTailor in allen Bereichen neu aufgebaut”
Schon mehrmals stand YouTailor, ein Online-Shop für Maßkleidung vor dem Aus. Nun blickt YouTailor-Macher Fred Klinkert wieder nach vorne. Im Interview mit deutsche-start-ups.de spricht der ehemalige Rocket Internet-Mann unter anderem über die größten Herausforderungen beim Umbau des Unternehmen: “Grundsätzlich gab und gibt es in diesem Turnaround-Projekt zwei wesentliche Herausforderungen: zum einen ist es die komplette Transformation unserer Produktion von Asien nach Europa und zum anderen ist es die Zurückgewinnung des Kundenvertrauens”.
Vor rund einem Jahr startete der dritte Versuch, aus YouTailor eine Erfolgsgeschichte zu machen. Ist YouTailor mittlerweile über den Berg?
Das gesamte Jahr 2013 stand für uns unter dem Motto der konsequenten Restrukturierung und Sanierung. In den Jahren unter Tengelmann und Holtzbrinck, hat sich YouTailor zu einem Unternehmenskonstrukt entwickelt, welches zwar ein explosives und imposantes Wachstum hinlegte, jedoch zu keinem Zeitpunkt positive Deckungsbeiträge erwirtschaften konnte.
Was jetzt in der Start-up-Szene kein Einzelfall ist…
Die Strategie, schnelles Wachstum zu fokussieren und im Nachgang die Kostenstruktur zu optimieren, kann durchaus zielführend sein – siehe Rocket Internet. Diese Strategie geht jedoch nur auf, wenn die Strukturen und Prozesse stabil und skalierbar sind – intern sowie extern. Dies war bei YouTailor in der Vergangenheit nicht der Fall.
Ist dies denn jetzt der Fall?
In der Zwischenzeit haben wir YouTailor in allen Bereichen neu aufgebaut. Unsere Hemden und bald auch Anzüge, werden nun ausschließlich in Europa von hochprofessionellen Produzenten hergestellt. Dadurch können wir nun einen Qualitätsstandard garantieren, der problemlos mit anderen bekannten Premium-Marken mithalten kann. Unsere Stoffe kommen ebenfalls von zertifizierten europäischen Lieferanten, genauso wie unsere Knöpfe und Garne. Also alles „Made in Europe“. Außerdem haben wir mit unserer neuen Website, dem Konfigurator und dem Selbstvermessungsprozess eine völlig neue User Experience geschaffen. Parallel sind wir nun organisatorisch sehr schlank aufgestellt. Insofern haben wir das Tal eindeutig durchschritten. In 2014 starten wir nun in die Wachstumsphase um die Bergspitze zu erklimmen.
Wie viel vom alten YouTailor steckt denn nach diesen vielen Änderungen überhaupt noch im neuen YouTailor – nur die Kundendaten?
Vor allem ein großer Teil des jetzigen Teams. Abgesehen davon die gesamte IT, die wir jedoch bereits umfassend weiterentwickelt haben. Kundendaten, Domains, Marke natürlich auch.
Sie sprachen gerade von einer schlanken Aufstellung: Wie groß ist das YouTailor-Team jetzt noch – und wie viele waren es einmal?
Als wir das damals insolvente YouTailor als neue Gesellschafter und Geschäftsführung Anfang 2013 operativ übernommen haben, hatte YouTailor fast 100 Mitarbeiter. In kürzester Zeit haben wir uns auf zehn Leute verschlankt. Die Besten sind an Board geblieben und wir haben uns punktuell verstärkt.
Was waren denn die größten Probleme, aus dem insolventen YouTailor ein neues Unternehmen zu schmieden?
Grundsätzlich gab und gibt es in diesem Turnaround-Projekt zwei wesentliche Herausforderungen: zum einen ist es die komplette Transformation unserer Produktion von Asien nach Europa und zum anderen ist es die Zurückgewinnung des Kundenvertrauens.
Auch bei uns melden sich aber immer wieder enttäuschte Kunden, die noch auf ihre Ware warten. Lässt sich dieses Kapitel irgendwann einmal für alle zufriedenstellend lösen?
Dieses Kapitel ist längst abgeschlossen. Alle Kunden wurden beliefert und haben Ihre bestellte Ware erhalten. Dennoch kommt es auch bei uns vor, dass wir die eine oder andere Bestellung aus logistischen und produktionsseitigen Gründen nicht pünktlich liefern. Dies sind aber wenige Einzelfälle. Wir informieren die Kunden proaktiv und entschuldigen uns mit einem Gutschein.
Sie müssen keine Altlasten aus der alten YouTailor-Zeiten mehr abarbeiten?
Alle Kunden haben Ihre Bestellungen erhalten. Das war sehr anstrengend, aber das Schöne ist, dass wir eine Retouren-Quote von deutlich unter einem Prozent hatten und haben. Auch nach langer Wartezeit haben sich viele Kunden für das tolle Produkt bedankt und prompt wieder bestellt. Gleichzeitig haben wir natürlich auch viele Beschwerden erhalten, ganz klar. Doch jetzt ist das Thema abgeschlossen. Nun liefern wir pünktlich und zuverlässig.
Welchen Herausforderungen müssen Sie sich nun täglich stellen?
Der Produktionsprozess maßgefertigter Kleidung ist sehr komplex. Im Gegensatz zu maschineller Massenfertigung großer Marken, werden unsere Hemden in aufwändiger und präziser Einzelfertigung hergestellt. Genau aus diesem Grund gibt es Konfektionsgrößen und genau aus diesem Grund müssen sich weltweit über fünf Milliarden Menschen knapp fünf Standardgrößen teilen – S, M, L, XL oder XXL. Und genau da beginnt unsere Vision.
Und wie sieht diese aus?
Was wir wollen, ist die Industrialisierung der Individualisierung. Wir glauben nicht an einheitliche Standardgrößen, sondern daran, dass In Zukunft jeder Mensch seine persönliche und individuelle Kleidung trägt – selbst gestaltet und maßgeschneidert auf seinen Körper.
Was sind die Erfolgsfaktoren für diese Vision?
Unser Modell lässt sich nur mit Produzenten realisieren, die neben den personellen Ressourcen, auch die dafür notwendige technische Infrastruktur besitzen. Da Stand heute alle großen Textilproduzenten auf Massenfertigung ausgerichtet sind, war dies nicht einfach. Mittlerweile haben wir vier erstklassige Produzenten gefunden, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten und skalieren können. Auf dieser Grundlage wollen wir Altkunden zurückgewinnen, Bestandskunden binden und Neukunden gewinnen – mit einem ausgezeichneten Produkt, erstklassigem Service und einer einmaligen User Experience.
Zeigen sich schon erste Erfolge?
Definitiv. Wir bekommen sehr positives Feedback und das stimmt uns sehr optimistisch. Am Ende haben wir ein großartiges Produkt, was sein Nutzenversprechen absolut erfüllt. Dadurch wird sich unser Image zeitnah verbessern. Das zeigt auch unsere Wachstumsrate.
Mit den vielen negativen Kundenäußerungen, die man nach wie vor im Netz findet, müssen Sie aber weiter leben: Erschwert dies ihr Geschäft nicht nachhaltig, denn so ein schlechtes Image wird man kaum los?
Klar, macht dies unser Vorhaben nicht leichter. Wir arbeiten mit gezieltem Online Reputation Marketing daran, dass unser Image Schritt für Schritt sichtbar besser wird. Zum einen incentivieren wir unsere Kunden dafür, dass Sie ihre Zufriedenheit mit uns auch lesbar in Form von bsw. Bewertungen nach außen tragen. Zum anderen spielt natürlich auch SEO eine wichtige Rolle. Am effektivsten ist am Ende aber nur eins: den Kunden mit einem erstklassigen Produkt zu überzeugen.
Was sind Ihre Pläne für 2014?
Für 2014 stehen einige Themen auf der Agenda. Übergeordnet steht in erster Linie Wachstum. Dies wollen wir neben interessanten Produktinnovationen und Sortimentserweiterungen, durch eine stufenweise Internationalisierung schaffen. Ein weiterer Fokus liegt im Offline-Bereich. Wir arbeiten gerade an einer flächendeckenden Präsenz in allen deutschen Großstädten. Dazu in Kürze mehr. Gegen Ende des Jahres werden wir die Themen Maßmode für Frauen und Corporate Fashion vorantreiben.
Wo steht YouTailor in einem Jahr?
In einem Jahr wurden alle zuvor erwähnten Ziele erreicht und wir haben uns als ernstzunehmender Player im Hemden-Segment positioniert und das über die Grenzen der DACH-Region hinaus. Der europäische Hemden-Markt ist insbesondere im Bereich klassischer Business-Hemden sehr festgefahren und undifferenziert. Bis auf „bügelfrei“ kam in den letzten 50 Jahren überhaupt nichts. Wir sehen uns da sehr selbstbewusst als Game Changer!
Zur Person
Fred Klinkert, ehemals Rocket Internet, ist seit April dieses Jahres der neue Geschäftsführer von YouTailor. Zuvor kümmerte er sich beim Inkubator Rocket Internet als Manager Global Venture Development um Unternehmen wie Zalando, Payleven und Glossybox.