Location-Based-Services: Vom Eierdetschen zur Hühnerfarm
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Local goes global. Location-Based-Services (LBS) drängen auf den Markt. Sie lösen die Kategorien zwischen Internet und offline-Gegenwart, zwischen online und stationär. Wir sind nicht mehr online oder offline, wir sind onfline. Wir scheren uns nicht mehr um morgen, nicht um gestern, wir leben sofort. Mobile LBS vereinen die digitale und analoge Welt im Hier und Jetzt. Laut einer Goldmedia-Studie greifen bereits rund 56 % aller Smartphone-User auf LBS zurück. Aber: Die Erfahrungen der Marktteilnehmer spiegeln sich in dieser Zahl nicht wieder. Das grundlegende Problem, mit dem etliche Anbieter von LBS kämpfen: Bereits zum Start ist eine hohe kritischen Masse an Nutzern erforderlich.
Wir haben die LmD Lastminute-Dealz GmbH im März gegründet. Seit Anfang September ist die App für Android im Store, seit Anfang November auch für iOS. Die Idee ist einfach: Angebot und Nachfrage werden Branchen übergreifend lokalisiert und in Echtzeit durch einen flexiblen Preis gematched. Friseure, die Luftlöcher schneiden, weil gerade keine Kunden da sind; Gastronomen, die für ein zwei Stunden einen Kaffee nach dem anderen kochen – aber nur für sich selber; oder Theater, deren Schauspieler leere Sitzplätze zum Lachen bringen müssen. Egal, sie alle können kurzfristig freie Kapazitäten anbieten, die dann lokalisiert auf den Smartphones der App-User erscheinen. Der erste Schritt hin zu einer Nachfrage orientierten Preiskurve im Dienstleistungssektor. LBS macht es möglich. So schön, so gut. Der Haken: Ohne tolle Angebote keine User, ohne User keine tollen Angebote. Chicken & Egg in der klassischen Oper.
Also haben wir erstmal selber Eier gelegt – eigene Angebote recherchiert und User aufgefordert, diese zu melden. Dienstleister stellen meist wiederholende, seltener spontane Angebote ein – und gebucht werden bislang vor allem Angebote mit sehr viel Rabatt. Das Marketing-Tool mit der besten Conversion Rate sind Free-Dealz. Dienstleister, deren Angebote zweimal nicht gebucht wurden, sind fürs erste verbrannt. User wiederum, die die App zweimal enttäuscht geöffnet haben – “aktuell kein spannendes Angebot in meiner Nähe” – kommen nicht so schnell zurück. Vom ersten Ei zur Hühnerfarm ist es ein mühseliger Prozess.
Und in der Praxis schlüpfen die Küken deutlich langsamer als die Zahlen es suggerieren: Wenn man überlegt, dass auch Ortungsdienste als LBS durchgehen, stellt sich die Frage, wieso nur 56 % der Smartphone-User LBS nutzen. Für die vielen Dienste, die erst skalieren, wenn die Masse sie gewohnheitsmäßig im Alltag anwendet, gibt es schlichtweg noch nicht genügend Gewohnheits-User. Der Durchschnitts-Deutsche ruft noch Freunde an, um sie zu treffen. Er fragt noch den Nachbarn, ob er ein gutes Café in der Nähe kennt und er spricht noch während des Mittagessen mit den Kollegen über neue Clubs in der Stadt. Noch. Die Gewohnheiten ändern sich. Die Frage ist, wie schnell.
Im Austausch mit weiteren Anbietern von LBS haben sich unsere Erfahrungen bestätigt: Eine Community vom eigenen Service zu begeistern, dessen Begeisterungsfaktor maßgeblich von einer begeisterten Community abhängt, stellt verschiedene Modelle vor Schwierigkeiten. Das sind lokale Ticket-Apps, das sind lokale social-Apps oder das lokalisierte Matching von Angebot und Nachfrage. Das Motto bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Apps von alleine laufen: Eigene Eier legen, bis die Henne das Eierlegen erlernt hat. In unserem Fall beispielsweise durch querfinanzierte Free-Dealz.
Die Frage, wie bald LBS ihr Versprechen halten, online und offline, digital und anlog im “onfline” zusammen zu führen, ist keine Frage der Technologie, sondern eine Frage des User-Verhaltens und des damit verbundenen erfolgreichen Markteintritts. Dieser ist von LBS zu LBS ungleich schwieriger. Es gibt durchaus Systeme, die ohne kritische Masse zum Start funktionieren und als LBS-Vorreiter bereits den Durchbruch geschafft haben. Nachfolgend ein grober Überblick über die Herausfoderung an einen erfolgreichen Markteintritt:
* Keine aktuellen Informationen über das „Hier“ und „Jetzt“: Automatische Speicherung lokaler Informationen: z.B. wie viel Kilometer bin ich im vergangenen Monat Fahrrad gefahren. Keine kritische Masse erforderlich.
* Abrufen von statischen Informationen im „Hier“ und „Jetzt“. Z.B. Orientierungsdienste. Keine kritische Masse erforderlich.
* Abrufen von 1:1-Informationen – z.B. “Wo ist mein Baby? / mein Partner? / mein Handy?”. Keine kritische Masse erforderlich.
* Matching von „Angebot“ und „Nachfrage“ mit „geduldigem“ Angebot: z.B. Car-Sharing. Die Autos warten an Ort und Stelle, auch wenn sie nicht gebucht werden. Ein erstes „Ei“ in Form einer flächendeckenden Flotte kann durch eine entsprechende Investition gelegt werden. Die für den finanziellen Erfolg erforderliche Masse an Fahrern kann kontinuierlich aufgebaut werden.
* Matching von „Bedürfnis A“ und „Bedürfnis B“ im „Hier“ mit zeitlicher Verzögerung. Ich sehe z.B., dass eine Person in meiner Nähe grundsätzlich interessiert ist, Tennis zu spielen – ich kann mich auch morgen oder übermorgen verabreden. Eine kritische Masse ist erforderlich, aber niedriger als im Fall „sofort“.
* Matching von „Angebot“ und „Nachfrage“ bzw. „Bedürfnis A“ und „Bedürfnis B“ im „Hier“ und „Jetzt“. Alle Modelle, die auf zwei Seiten zeitliche und räumliche Unsicherheitsfaktoren matchen. Z.B. Apps mit lokalisiertem Crowd-Based Content, viele lokale social Apps oder Apps, die freie Kapazitäten sofort mit Bedürfnissen von Konsumenten matchen. Auf zwei Seiten ist bereits zum Markteintritt eine kritische Masse erforderlich..
Grundsätzlich gilt: Je unsicherer das Verhalten A und B und je präziser A und B im „Hier“ und „Jetzt“ zusammen geführt werden müssen, desto schwieriger der Markteintritt.
Was spricht trotz alledem für Geschäftsmodelle mit herausforderndem Markteintritt? Ist ein solcher LBS erstmal ins Rollen gekommen, skaliert er enorm, da sich diese Systeme in vielen Bereichen selbst – also ohne das Eingreifen des Unternehmers – regulieren. Chicken & Egg im Dauer-Lege-Schlüpf-Modus sozusagen. Da der Mehrwert der eigenen Marke das stabile Gleichgewicht einer hohen Anzahl an Useren A und B ist, sind solche Geschäftsmodelle schwer zu kopieren. Häufig ein wirksamerer Schutz als Patente und Technologie, zumal die Technologie vieler LBS nicht “Rocket-Science” ist. Die schlichte Erfolgsformel: Eine begeisterte Community begeistert die Community.
Zu den Autoren
Die Brüder Moritz (Sales-Manager) und Till Förster (Geschäftsführer) gründeten gemeinsam die LmD Lastminute-Dealz GmbH. Über Lastminute-Dealz werden Angebot und Nachfrage durch einen flexiblen Preis lokalisiert und in Echtzeit miteinander gematched. Dienstleister stellen selber Dealz ein, sobald Kapazitäten frei sind. User sehen diese aktuellen Angebote in ihrer Nähe auf ihren Smartphones.