Gastbeitrag von Björn Schotte (Mayflower)
Warum VCs in Start-ups investieren sollten, die auf PHP setzen
VCs prüfen bei Investments nicht nur, wie gut das Team harmoniert, sondern auch welche Technologie hinter der eingesetzten Software steckt. Ist diese zukunftstauglich? Wird mein Investment auch noch in einigen Jahren auf einer guten technologischen Basis stehen? Welche Gründe es für VCs gibt, in Start-ups zu investieren, die auf die populäre Scriptsprache PHP setzen, sollen hier erläutert werden. Gründern, die ein neues Start-up auf die Beine stellen wollen, sollen hier einige Argumente an die Hand gegeben werden, die sie für ihre Entscheidung bei der Wahl der Technologie sowie bei den Gesprächen mit den Investoren berücksichtigen können.
PHP is here to stay
Die vergleichsweise junge Scriptsprache, die 1995 das Licht der Welt erblickte, hat heute eine schiere Marktdominanz: mehr als 80 % der Top10 Million Webserver (sowie Netcraft Statistik, mehr als 200 Millionen Webserver mit PHP) laufen auf PHP, ungezählte nicht-öffentliche Webanwendungen wie in Intranets nicht mitgezählt. Es ist davon auszugehen, dass PHP als Sprache uns noch viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte begleiten wird. Das liegt nicht nur an der Verjüngungskur, die in den letzten Jahren Einzug gehalten hat (siehe weiter unten), sondern auch daran, dass immer mehr populäre off-the-shelf Anwendungen (WordPress, Magento, Drupal, SugarCRM um nur einige zu nennen) so sehr etabliert sind, dass die darunter liegende Sprache PHP ebenfalls fest im Sattel sitzt.
Für schnelle Entwicklung
PHP wurde geschrieben, um Webprobleme schnell und effizient zu lösen. Das kommt VCs zugute, die Geschäftsmodelle schnell testen wollen und eine gute TimeToMarket Zeit benötigen. Dazu benötigt es nicht nur agile Vorgehensweisen wie Scrum oder Lean Start-up Methoden, sondern eben auch eine Technologie, die eine schnelle Entwicklung von Haus aus unterstützt – in PHP schon seit Anbeginn Realität und seit vielen Jahren durch off-the-shelf Anwendungen und robuste Frameworks mit weiter Verbreitung unterstützt.
Verfügbarkeit von Entwicklern
Seit Marc Andreessen wissen wir: „Software is eating the world“ Und wenngleich es so ist, dass gute Entwickler rar gesät sind – wie jeder Recruiter mit einem lachenden und weinenden Auge bestätigen kann – und in Zukunft der Bedarf noch weiter steigt, ist es dennoch offensichtlich: die schiere Masse an Entwicklern im Webumfeld spricht PHP. Zend schätzt dass es mehr als 5 Millionen PHP Entwickler weltweit gibt.
Für VCs bedeutet dies, dass sie aus einem potenziell größeren Pool an Entwicklern auswählen können. Durch die weiter unten angesprochene Verjüngungskur von PHP ist dabei auch gesichert, dass Entwickler aus anderen Sprachen sich schnell in PHP und seinen Frameworks zurecht finden können.
Moderne Standards, Komponenten, Frameworks und Anwendungen
Mit PHP 5.3 wurde eine Modernisierungsphase eingeläutet: neben der bisherigen Objektorientierung (seit PHP 5) wurden Namespaces eingeführt und ermöglichten der Community damit eine Verjüngungskur in ihrer Software. Mit dem Tool composer steht nun auch ein Tool für das Managen von Abhängigkeiten in der Software zur Verfügung, das seinen Pendants in anderen Sprachen in nichts nachsteht.
Und nicht zuletzt durch Facebooks HHVM macht PHP einen großen Performance-Sprung nach vorne. A propos Performance: diese hat sich auch in den Versionen 5.4 und der 5.5. nochmals deutlich verbessert, unter anderem durch einen integrierten Cache der das Ausführen des Programmcodes weiter beschleunigt und zusätzliche Komponenten wie APC (ein externer Cache) verzichtbar macht.
Spürbar ist, dass mit der Version 5.3 von PHP, die seit 2010 erhältlich ist, auch die Frameworks einen Aufwind erfahren haben: moderne, komponentenorientierte Frameworks wie Symfony2, Zend Framework2, Laravel, Yii sind unter Entwicklern sehr beliebt und erleichtern die Erstellung von Webanwendungen, da sie eine komfortable Basis für wiederkehrende Problemstellungen bieten und auf denen sich die Business Logik aufsetzen lässt.
Zudem spricht es dafür, dass bereits viele off-the-shelf Anwendungen aus den unterschiedlichsten Bereichen zur Verfügung stehen: von E-Commerce Shops über Content Management Systeme, Blog-Anwendungen wie WordPress ERP- und CRM-Systeme und noch viele Bereiche mehr. Das besondere dabei: die Anwendungen (OXID, Magento und Shopware sei hier beispielhaft für den E-Commerce Bereich genannt) haben sehr hohe Reifegrade und für jeden Bereich gibt es mehrere Anwendungen, aus denen man auswählen und diese – dank Open Source – auf die eigenen Bedürfnisse anpassen und erweitern kann. Dies ist eine Situation, die es so in anderen Websprachen nicht in dieser Form gibt.
Beinahe 20 Jahre auf dem Markt, robuster Funktionsumfang, die weltweite Verbreitung sowie ein hoher Reifegrad in Frameworks, Tools und Anwendungen bedeutet für VCs ein Investment in eine robuste Technologie-Struktur, mit der sich neue Geschäftsmodelle effizient und schnell hochziehen lassen.
Reifegrad an QA Tools und QA-Integrationen
VCs wollen ihre Investitionen geschützt sehen. Das bedeutet Upfront Investments in eine ordentliche Qualität der Software, die nach wie vor nicht automatisch aus der Tüte fällt. Die entsprechenden Tools und Integrationen jedoch helfen den Entwicklern, sich um Qualität in der Software zu kümmern: seien es automatisierte Tests (dank PHPUnit), Integration in kontinuierliche Integrationsumgebungen (Jenkins, travis-ci etc), virtuelle Browser-Tests (Selenium mit PHP-Interface/Webdriver-Hooks) bis hin zu Tools für Business Driven Development (BDD) und Domain Driven Design (DDD), gepaart mit entsprechenden Integrationen in Entwicklungsumgebungen wie ZendStudio oder PHPStorm.
Natürlich gibt es entsprechende Tools auch für andere Sprachen wie zum Beispiel Ruby. Doch besonders hierbei ist, dass schon sehr frühzeitig – zum Beispiel 2004, als Sebastian Bergmann PHPUnit in V1.0 vorstellte – damit begonnen wurde, QA Tools für PHP als Open Source zur Verfügung zu stellen.
Weil Rocket Internet und Project A es nutzen
„Esst Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren“? Nein, so ist es nicht gemeint. Wenn selbst die Vorzeige-Inkubatoren wie Rocket Internet und Project A auf PHP als Entwicklungssprache setzen, dann ist dies ein Signal für andere VCs, eben auf solche Start-ups zu setzen, die PHP unter der Haube nutzen.
Für VCs bedeutet dies, dass ihre Investition in solch eine Technologie risikomindernd ist, da andere Start-up-Fabriken ebenfalls auf diese Technologien setzen, durchaus auch in Kombination mit deutlich jüngeren und damit noch unsicheren Technologien.
Hohes Enterprise Backing
Auf internationaler Vendor Ebene ist PHP sehr beliebt: ganz gleich, ob Oracle, Intel, IBM, Microsoft oder SAP, alle haben schon sehr frühzeitig die Sprache unterstützt, um „mit dabei“ zu sein und ihren Kunden Optionen zu bieten, im Webumfeld tätig zu werden. Dedizierte Investments der Großen, sowohl durch Entwickler-Ressourcen als auch KnowHow, machten es möglich, dass PHP so gut in große IT-Umgebungen integriert werden kann. So hat zum Beispiel Microsoft durch seine Open Source Labs sehr viel dazu beigetragen, dass PHP auch in Windows-Umgebungen optimal funktioniert und entsprechende Zusatzbibliotheken verfügbar sind. Intel wiederum hat viel KnowHow und Ressourcen investiert, um einen weiteren Performance Schub zu ermöglichen
Für VCs ist dies ein Zeichen, dass es sich in diesem Kontext bei PHP um eine reife Sprache handelt, die über mannigfaltige Integrationsmöglichkeiten in externe Systeme verfügt. Für Start-ups ist dies nicht unerheblich, insbesondere wenn IT-Systeme bei Kunden angebunden werden müssen – nicht immer reichen dafür ReSTful Services oder SOAP Webservices, sondern es ist eine direkte Anbindung über die Sprache notwendig.
Und was ist mit NodeJS – und Ruby?
NodeJS ist ein prima Begleiter und tolles Addendum auf einer PHP-basierten Anwendung. Gerade in Bereichen wie Realtime Communications kann NodeJS punkten und ergänzt PHP hier sinnvoll. NodeJS bietet jedoch nicht den Reifegrad wie PHP und es fehlt noch eine große Zahl an Komponenten.
Ruby ist unter Start-ups auch weit verbreitet, bietet jedoch weniger off-the-shelf Anwendungen (siehe oben) und auch einen kleineren Pool an Softwareentwicklern. Ruby/Rails eignet sich auch dann, wenn man alles selbst entwickeln möchte. Häufig jedoch fangen die Start-up-Fabriken damit an, ihr Geschäftsmodell auf Basis reifer und etablierter off-the-shelf Anwendungen zu testen, um dann später möglicherweise in eine „Make“-Entwicklung umzuschwenken. Ruby kann dank fehlender reifer off-the-shelf Anwendungen hier leider nicht mithalten.
Zur Person
Björn Schotte ist Geschäftsführer der Mayflower GmbH und Senior Consultant. Er berät Unternehmen und Start-ups in der Produktentwicklung im Online, Mobile und E-Commerce Umfeld. Seit mehr als 10 Jahren ist er darüber hinaus Chefredakteur des PHP Magazins und Head of Chair der International PHP Conference und Kenner der Webszene. Sie erreichen ihn per E-Mail, auf twitter @BjoernSchotte oder auf Xing.