“Unternehmerisch gesehen sind wir nicht weniger attraktiv”
Nachhaltig, sozial und ökologisch – so lauten die Schlagwörter einer neuen Unternehmenskultur. Mit shoemates (www.shoemates.de) ist ein Start-up unterwegs, dass mit dem Erlös der verkauften Artikel einen Teil in die Produktion von Schuhen für Kinder spendet. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Gründer Obaid Rahimi darüber, wie sich die Investorensuche bei sozial-engagierten Unternehmen gestaltet.
Sie positionieren sich als sozial-engagiertes Start-up. Pro verkauftes Paar Schuhe wird ein weiteres Paar an ein Kind in Afghanistan gespendet. Warum haben Sie gerade dieses Land ausgesucht?
Die Idee für das Projekt haben Marc und ich gemeinsam entwickelt. Ich komme ursprünglich aus Afghanistan und habe dort auch noch Familie. Ich habe meinen Onkel, der der Leiter der Menschenrechtsorganisation im Bundesland Herat in Afghanistan ist, gefragt, ob es die Möglichkeit gibt in Afghanistan Schuhe zu produzieren. Er hat uns darauf hin einige Kontakte von Unternehmen vermittelt, die dort Schuhe produzieren und so ist die Zusammenarbeit mit Afghanistan entstanden.
Uns war es von Anfang an sehr wichtig, dass wir die Schuhe in dem Land produzieren, wo sie anschließend auch gespendet werden. Durch die Produktion der Spendenschuhe in Afghanistan wird die Wirtschaft vor Ort unterstützt. Wenn wir einfach nur Schuhe spenden würden, die nicht in Afghanistan produziert werden, helfen wir zwar den Kindern, aber würden die Wirtschaft vor Ort sogar schwächen. Wir wollten jedoch beides – Kindern in einem Krisengebiet helfen und dazu beitragen, dass die Wirtschaft unterstu?tzt wird.
Dank der Kontakte können wir somit in Afghanistan sicherstellen, dass die Schuhe auch genau dort ankommen, wo sie benötigen werden.
Kennen Sie das Land aus eigenen Reiseerfahrungen heraus?
Ich war letztes Jahr zum ersten Mal nach ca. 20 Jahren wieder vor Ort. Es war eine sehr besondere Erfahrung. Meine Familie kommt ursprünglich aus dem Westen des Landes, wo die Lage relativ stabil ist. Trotz alledem ist aufgrund des jahrzehntelangen Krieges auch dort das Leiden allgegenwärtig. Die Armut der vielen Familien und vor allem der Kinder ist herzzerreißend.
Wer hatte die Idee zu diesem Projekt und vor welchem Hintergrund ist diese entstanden?
Ähnliche Ideen existieren bereits in Nord- und Südamerika. Unser Konzept baut jedoch zunächst auf diesen Konzepten auf, da wir noch einen Schritt weiter gehen wollten. Wir spenden nicht nur Schuhe in Afghanistan, sondern lassen diese zudem noch dort produzieren, um die Wirtschaft vor Ort nicht zu schwächen, indem man eine Konkurrenz zu den lokalen Schuhproduzenten darstellt, sondern zu stärken, indem man genau diese durch weitere Aufträge unterstützt. Zudem werden unsere shoemates von einer Behindertenwerksatt aus Bayern verpackt und versendet.
Die durch Sie gekauften Schuhe kosten knapp 40 Euro – wie schaffen Sie es, von diesem geringen Betrag eine Spende abzuziehen und selbst noch wirtschaftlich zu arbeiten?
Da wir die Spendenschuhe direkt in Afghanistan produzieren, schaffen wir es sehr viele Kosten wie z.B. Transport, Zoll und andere Gebühren zu umgehen. Dadurch können wir hochwertig aber kostengünstig produzieren, da die Lohnnebenkosten in Afghanistan noch sehr gering sind. Darüber hinaus wollen wir uns mit unserem Preis so positionieren, dass wir eine möglichst große Anzahl an Kunden ansprechen. Der Erfolg unseres Projektes hängt auch sehr stark davon ab, wie viele Schuhe wir in Deutschland verkaufen. Daher haben wir auf eine hohe Marge verzichtet und uns so preislich positioniert.
Wie viele Schuhe verkaufen Sie monatlich derzeit im Durchschnitt?
Da wir das Projekt mit Eigenkapital finanziert haben, konnten wir zunächst nur einige Hundert Schuhe bestellen. Darüüber hinaus ging es uns auch darum mit einer geringen Bestellmenge Erfahrungswerte zu sammeln und zu schauen, wie der Schuh bei den Kunden ankommt. Wir haben mehr als die Hälfte der ersten Bestellung schon vor dem Start unseres Onlineshops auf dem Campus der Universität Passau verkauft. Wir waren von der Nachfrage überwältigt. Wir haben nun nur noch weniger als 30 Prozent der ersten Bestellung auf Lager und verkaufen täglich nun nur noch einige Paar Schuhe, da vielen Größen schon ausverkauft sind.
Die Schuhkollektion sieht sehr sommerlich aus. Wie überbrücken Sie die Wintermonate?
Wir planen ab Frühjahr 2014 mit shoemates groß durchzustarten und möchten nächstes Jahr ca. 10.000 Paar Schuhe verkaufen. Daher nutzen wir die Wintermonate, um Investoren für das Projekt zu finden und den finanziellen Bedarf zu decken. Darüber hinaus haben wir sehr viel Feedback von unseren Kunden gesammelt und bauen diese mit unserem Hersteller in die Schuhe für die nächste Saison ein.
Darüber hinaus haben wir noch unser erstes Start-up „headmates“, welches mit Omis aus Bayern zusammenarbeitet, welche Beanie- und Bommelmützen in liebevoller Handarbeit stricken (www.headmates.de).
Wer ist Ihre Zielgruppe?
shoemates richtet sich an eine junge weibliche und männliche Zielgruppe im Alter von 16 bis 35 Jahren, die einen höheren Bildungsabschluss besitzen und Interesse an einem nachhaltigen Konsum zeigen. Die Zielkunden von shoemates sind Schüler, Studenten und Berufseinsteiger, die Wert auf einen modischen und bequemen Schuh legen. Diese Gruppe soll Trend-orientiert sein und auf der Suche nach einem Produkt sein, welches eine Geschichte erzählt.
Welche Marketingmaßnahmen ergreifen Sie, um bekannt zu werden?
Da unsere finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, ist es unser Ziel ohne große Ausgaben für das Marketing unseren Bekanntheitsgrad zu steigern. Wir möchten unser Budget lieber in Schuhe investieren und hoffen daher über Pressearbeit unseren Bekanntheitsgrad zu steigern. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass unsere Kunden sehr gerne über uns erzählen. So konnten wir fast mit jedem verkauften Paar Schuhen einen neuen Kunden gewinnen. Da unser Produkt eine Geschichte erzählt, sind wir viral sehr stark gewachsen und das möchten wir weiter hin nutzen und auch noch verstärken.
Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie schwer ist es, als ein sozial-engagiertes Unternehmen in Deutschland zu agieren?
Ich glaube, dass wir durch ein sozial-engagiertes Unternehmen keine großen Vorteile gegenüber anderen Start-ups haben. Auch das Gründen im Allgemeinen ist in Deutschland keine einfache Angelegenheit. Vor allem der Verwaltungsaufwand, den man als Unternehmen und Unternehmer betreiben muss, ist so hoch, dass es ein Grund wäre, nicht während des Studiums gründen zu wollen. Aber wir nehmen diese Herausforderungen gerne an und haben die meiste Zeit sogar sehr viel Spaß dabei.
Gibt es Ihrer Einschätzung nach Unterschiede in Sachen Förderung etc. im Vergleich zu rein auf Gewinn ausgerichteten Start-ups?
Wir sind gerade im Prozess uns für ein solches Programm zu bewerben. Wir wissen daher noch nicht, ob das der Fall ist, aber wir wünschen uns natürlich sehr, dass das anerkannt wird.
Sind Sie auf Investorensuche und wenn ja, wie gestalten sich die Gespräche bzw. mit welchen Argumenten überzeugen Sie, Gewinn einzufahren?
Wir sind gerade dabei Investoren aus der freien Wirtschaft zu kontaktieren, hatten jedoch bisher keine Gespräche. Obwohl wir ein soziales Start-up sind, sind wir unternehmerisch gesehen nicht weniger attraktiv. Wir haben ein Geschäftskonzept entwickelt, mit dem wir profitabel wirtschaften können und gleichzeitig etwas Gutes tun. Ich glaube hier muss man als Unternehmer darauf achten, dass man den Fokus nicht falsch setzt.
Ein soziales Unternehmen, das nicht wirtschaftlich arbeitet, kann sich nicht lange am Markt halten und so kann es sein gut gemeintes Ziel auch nicht erreichen. Daher war es uns von vornherein sehr wichtig, dass wir profitabel sind und als Unternehmen wachsen. Wie viel Gutes wir tun können, ist natürlich davon abhängig, wie stark wir wachsen können und wie lange wir erfolgreich auf dem Markt sind.
Sind große Online-Schuhversender in Ihren Augen Konkurrenz? Wenn ja, wie groß ist der Druck?
Nein, nicht unbedingt. Unsere Kunden entscheiden sich sehr bewusst fu?r uns und kaufen shoemates, weil sie etwas Gutes tun wollen. Für den Kunden macht es daher sehr wohl einen Unterschied ob er shoemates oder eine andere Marke kauft. Ganz im Gegenteil wir wollen diese Plattformen eher nutzen und mit ihnen zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, ihre Reichweite zu nutzen, um somit vielmehr Kunden unsere Idee und unser Geschäftskonzept näher zu bringen. Ich glaube, dass wir dadurch beide profitieren können.
Zur Person
Obaid Rahimi studierte Internationales Marketing and Management, unter anderem in Delhi, und sammelte bereits während des Studiums Erfahrungen bei Bigpoint in Hamburg. Rahimi gründete 2011 zunächst Headmates, ehe er seit Sommer dieses Jahres mit shoemates Schuhe für Afghanistan verkauft.