“Wir prüfen, ob wir ein Media-for-Equity-Vehikel gründen”
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Die kleinen und großen deutschen Medienhäuser im Lande forcieren alle den Wandel zum Digitalunternehmen – mal mehr, mal weniger aggressiv. Das Verlagshaus Gruner+Jahr machte zuletzt zumnindest mit einigen Beteiligungen von sich reden. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Stan Sugarman, Chief Digital Officer G+J Deutschland, über Medienmarken, wertvolle Learnings und den digitalen Place-to-be.
Reden wir über Start-ups. Was kann ein Medienhaus wie Gruner + Jahr von Start-ups lernen?
Beide Seiten können eine Menge voneinander lernen! Für Start-ups ist es möglich, sich sehr schnell an neue technische Entwicklungen anzupassen. Sie haben übersichtliche Strukturen, flache Hierarchien und sind damit optimal aufgestellt, um mit schnellen Entscheidungen und Flexibilität auf neue Trends zu reagieren. Diese Schnelligkeit und das Einsetzen von State-of-the-Art-Technologie ist in großen Medienhäusern durch bestehende Strukturen und Prozesse nur innerhalb eines begrenzten Rahmens möglich. Natürlich werden wir auch schneller, reagieren auf den Markt und verändern uns stetig – aber wir sind kein Start-up.
Und was können Start-ups von Gruner + Jahr lernen?
Für Start-ups sind unsere einzigartigen Inhalte, unserer starken Medienmarken und unser umfangreiches Netzwerk sehr attraktiv. Wir haben Zugang zu relevanten Kunden im B2B- und B2C-Bereich. Aber gerade deswegen ist eine Zusammenarbeit zwischen einem großem Medienhaus und Start-ups interessant und wirtschaftlich sinnvoll. Wir können uns gegenseitig optimal ergänzen.
Inkubatoren, Acclerator-Programme und Beteiligungsableger sind derzeit angesagt bei etablierten Unternehmen. Warum mischen Sie in diesem Segment nicht mit?
Doch, das tun wir. Wir gehören mehrheitlich zu Bertelsmann und unser Konzern hat einen exitgetriebenen Venture Investor ins Leben gerufen – Bertelsmann Digital Media Investments (BDMI). BDMI ist aktiv Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten, Asien und Brasilien. G+J wird aktiv in BDMI-Aktivitäten einbezogenen, sobald es unsere Communities of Interest betrifft. Wir generieren gemeinsam wertvolle Learnings.
Aber welche Rolle spielt G+J direkt in diesem Spiel?
Wir sehen uns als G+J in der Rolle eines langfristigen, strategischen Investors. Wir investieren, um unsere Communities of Interest, kurz Cols, weiter auszubauen und unseren Nutzern Mehrwerte zu bieten. Die enge Zusammenarbeit und gegenseitige Befruchtung unserer Marken ist essentiell. Wir müssen bei unseren Investments nicht von Beginn an mit einer Mehrheitsbeteiligung einsteigen. Unser Ziel ist es, unsere Beteiligungen in der bestmöglichen Entfaltung ihres Geschäfts unterstützen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann darüber entschieden werden, ob eine Anteilsaufstockung sinnvoll ist.
Für welche Start-ups interessieren Sie sich dabei?
Bei G+J Digital wollen wir in erster Linie in reifere Unternehmen investieren. Auch Beteiligungen im Early Stage-Bereich sind denkbar. Hier achten wir besonders auf den Fit zu unseren CoI und investieren auch Media. Bei unseren jüngsten Beteiligungen Delinero und tausendkind funktioniert dieses Modell sehr gut. In diesem Sinn überprüfen wir, ob wir z.B. ein Media-for-Equity-Vehikel gründen, das ausschließlich in unseren Communities of Interest aktiv ist.
Was genau sind denn diese Communities of Interest und wie funktionieren diese?
Als Communities of Interest bezeichnen wir Themenbereiche, in denen Nutzer bestimmte Interessen teilen. Dabei gehen wir noch stärker als bisher von einem nutzerzentrierter Ansatz aus, demografische Merkmale sind weniger relevant. Zum Beispiel stellen sich Menschen, die gerade ihr erstes Kind bekommen haben, ähnliche Fragen und stehen vor vergleichbaren Herausforderungen – ganz egal, ob sie Mitte zwanzig oder Anfang vierzig sind. Wir verfügen in unseren CoIs über mehr Inhalte und kennen die Anforderungen unserer Leser und Nutzer tiefer als viele andere. Beispielsweise haben die G+J-Marken im Segment Family mit der Eltern-Gruppe und Urbia.de eine marktführende Position. 75 % aller Schwangeren oder Mütter mit einem Kind unter 6 Jahren nutzen Eltern.de oder Urbia.de. Aus dieser Position heraus wollen wir unseren Lesern und Nutzern spannende weitere Angebote machen. Neben dem Verkauf und der Vermarktung von Inhalten realisieren wir in unseren Communities of Interest also auch andere Geschäftsmodelle wie Commerce oder Paid Services– und wir erweitern unser Angebot als Haus der Inhalte mit thematisch passenden E-Commerce-Portalen. Ein Beispiel ist unsere Beteiligung an tausendkind.de. Der Baby- und Kinderartikelshop fügt sich wunderbar in unsere Community of Interest Family ein und bietet unseren Nutzern über Information und Inspiration hinaus einen echten Mehrwert. Damit ist tausendkind ein wichtiger Baustein in unserem Angebot im Bereich Family.
Welche Themenfelder decken diese Communities of Interest ab?
Wir unterscheiden insgesamt acht Communtities of Interest. Darunter sind die Bereiche News, Wirtschaft & Special Interest, Wissen, Food, Family, Living, Women sowie People & Fashion. In einigen dieser CoI wollen wir neben dem organischen Wachstum auch durch Beteiligungen wachsen, um der digitale Place-to-be zu sein. Neben tausendkind sind wir im Bereich Food auch an Delinero.de beteiligt. Der Marktplatz für Feinkost und Delikatessen ist eine Bereicherung für unsere CoI „Food“, in der wir durch viele starke Marken wie Chefkoch.de, Essen&Trinken, Beef und Jamie jetzt schon Marktführer sind.
Zur Person
Stan Sugarman ist Chief Digital Officer G+J Deutschland und Chief Sales Officer Media Sales bei Gruner+Jahr. Zuvor arbeitete er unter anderem bei AOL Europe als Executive Vice President und bei Oracle in den USA. Ende Oktober spricht Sugarman auf der David and Goliath-Konferenz, die am 30. Oktober erstmals stattfindet.
Über David and Goliath