“Klassische VCs gibt es weiterhin zu wenige” – Jörn Nikolay von General Atlantic
Die amerikanische Beteiligungsgesellschaft General Atlantic, die in als Partner des Medienkonzerns Axel Springer von sich reden machte, interessiert sich für richtig große Unternehmen. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Jörn Nikolay, Niederlassungsleiter des Münchner Büros von General Atlantic, über wiederkehrende Herausforderungen, Persönlichkeiten und Buchhaltung in Excel.
Reden wir über Start-ups. Ab wann ist ein Unternehmen für General Atlantic interessant?
Wir investieren leider nicht in Start-ups im klassischen Sinne. Unsere Portfoliounternehmen haben in aller Regel bereits bewiesen, dass deren Geschäftsmodelle funktionieren und profitabel sind. Einige sind trotzdem noch sehr jung, vielleicht erst ein paar Jahre alt, aber sehr schnell gewachsen. Unser Mindestinvestitionsvolumen pro Transaktion ist 50 Millionen Euro an Eigenkapital, daher sind die Portfoliounternehmen bereits relativ groß.
Und mit Unterstüzung von General Atlantic sollen diese Unternehmen dann vermutlich noch größer werden. Gibt es dafür, wie man ein großes Unternehmen noch größer macht, eine Art Blaupause?
Die Unternehmen, Märkte und Unternehmertypen sind sehr unterschiedlich, so dass es keine Blaupausen gibt. Wir stellen aber fest, dass es häufig wiederkehrende Herausforderungen gibt. Meistens liegen die nicht in den Bereichen Strategie, Produktentwicklung oder Marketing, sondern eher in den unterstützenden Funktionen wie IT, Finanzen, Berichtswesen, Personal etc. Wenn man aber auf diese Themen nicht genau so viel Wert liegt wie auf die vermeintlich spannenderen Themen wie Strategie und Produktentwicklung, kommt man als Unternehmen sehr schnell an seine Wachstumsgrenzen.
Wie kommen Sie mit Gründern ins Gespräch: Rufen Sie einfach an und sagen dem Firmengründer, dass Sie gerne in sein Unternehmen investieren würden?
Ja, wir gehen häufig direkt auf interessante Unternehmen zu. Die meisten spannenden Unternehmen und Unternehmer werden von mehreren Investoren umworben und können sich daher aussuchen, wen sie als Partner mit an Bord nehmen. Es gibt aber auch einige, die direkt mit uns in Kontakt treten oder wir werden von Dritten vorgestellt.
Wie lange dauert es in der Regel von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Investment?
Das ist sehr unterschiedlich, kann auch in einzelnen Fällen mehrere Jahre dauern. Wir raten den Unternehmern immer, den Dialog möglichst früh zu suchen. Bei der Aufnahme eines Investors geht es nicht nur um Geld, sondern vor allem um Unterstützung beim Aufbau des Unternehmens und dem Management des Wachstums. Die Auswahl des richtigen Partners, auch im Bezug auf die richtigen Persönlichkeiten, ist sehr wichtig. So eine Entscheidung kann man nicht innerhalb von ein paar Wochen treffen. Auch helfen sehr breit angelegte Verkaufsprozesse nicht, da das Gründungsteam in diesen Prozessen nur schwer die möglichen Partner gut genug kennenlernen kann.
Was bieten Sie Unternehmen neben Geld?
Ein Großteil der Unternehmer hohlen uns nicht nur des Geldes wegen an Bord. Häufig geht es darum, einen Partner zu bekommen, der hilft das Wachstum zu managen. Wir tun das zum einen über den Aufsichtsrat bzw. Beirat, in dem wir bei strategischen Themen wie internationalem Wachstum, neue Produkte, M&A, Corporate Governance usw helfen. Zu anderen sind wir bei den vorher erwähnten sehr operativen Themen wie IT, Personal und Finanzen sehr involviert. Wir haben hierzu ein Team von 15 internen Experten, die den Unternehmen kostenlos zur Verfügung stehen. Mit 50 Portfoliounternehmen, die alle schnell wachsen, geht es bei uns häufig darum, dass kollektive Wissen wie man Wachstum erfolgreich managed allen Portfoliounternehmen zur Verfügung zu stellen.
Gab es bei den Unternehmen, in die General Atlantic investiert hat, schon einmal Baustellen bzw. Probleme, die Sie komplett überrascht haben?
Ja, da gibt es sicherlich immer wieder unerwartete Themen. Wir hatten uns beispielsweise einmal ein Unternehmen angeguckt, das Risikomanagementsoftware für Banken entwickelt. Das Unternehmen hatte über 100 Millionen Umsatz. Die gesamte Buchhaltung des Unternehmens war jedoch noch in Excel auf dem Laptop des Gründers. Wenn die Kunden gewusst hätten, wie die interne Infrastruktur des Unternehmens aussah, hätten die sicherlich nicht die Software gekauft, mit der ja die eigenen Risikomanagementprozesse gesteuert werden sollen.
In Deutschland machte General Atlantic zuletzt vor allem mit der Classifieds-Partnerschaft mit Axel Springer von sich reden: Was ist so spannend an Kleinanzeigen?
Wir sind bereits seit zehn Jahren in Deutschland aktiv mit einem eigenen Büro, zuerst in Düsseldorf, jetzt in München. Das Joint Venture mit Axel Springer ist sicherlich besonders sichtbar, unter anderem weil die Unternehmen in dem Portfolio sehr bekannt sind. Häufig investieren wir aber auch in B2B-Unternehmen, die weniger stark in der Öffentlichkeit stehen. Das Joint Venture mit Axel Springer entwickelt sich sehr gut. Zum einen haben wir mit Axel Springer einen fantastischen Partner, der sehr unternehmerisch agiert. Zum anderen ist der Kleinanzeigenmarkt ausgesprochen spannend, da es hier starke Netzwerkeffekte gibt, die Geschäftsmodelle gut skalieren und man mit der richtigen Technologieplatform starke Wettbewerbsvorteile erzielen kann.
Was muss in Deutschland passieren, damit die heimische Start-up-Szene weltweit mehr wahrgenommen wird: Fehlen wirklich nur die ganz großen Exits?
Mittelstand und Unternehmertum sind gerade in Deutschland extrem wichtig. Lange Jahre gab es zu wenige Neugründungen, ein Großteil der Berufsanfänger wollte zu den großen Daxunternehmen oder Beratungen und Banken. Gottseidank hat sich da in den letzten zehn Jahren einiges geändert und Unternehmertum ist wieder mehr gesellschaftsfähig geworden. Es gibt aber meines Erachtens immer noch ein paar Themen: Erstens fehlt immer noch etwas die geeignete Finazierungsinfrastruktur, vor allem klassische VCs gibt es weiterhin zu wenige, wodurch einigen Unternehmen zu früh das Geld ausgeht. Hierfür brauchen wir leider große Exits, damit sich das verbessert. Zweitens haben wir in Deutschland immer wieder das Problem, dass es zwar viele Erfolgsgeschichten gibt, aber wie so häufig mehr über die schlechten Nachrichten als über die guten gesprochen und berichtet wird. Über die Erfolgsgeschichte rund um Hybris und den Exit wurde zum Beispiel kaum berichtet, dafür aber mehr, wenn Vorstände und Minister ins Valley reisen. Zum dritten meinen zu viele Unternehmer – wiederum ein sehr deutsches Thema -, dass sie alles alleine machen können. Das führt dazu, dass nicht die richtigen Managementteams und keine Beiräte aufgebaut werden, und keine Investoren mit an Bord geholt werden, die alle helfen, das Wachstum zu managen.
Kann ich alles nachvollziehen: Doch leider verstecken sich einige erfolgreiche Unternehmen und Unternehmer sehr und rücken kaum mit Zahlen raus, so dass es oft schwer ist, über Erfolgsgeschichten aus Deutschland zu berichten. Ist dies ihrer Meinung nach auch ein klassisches deutsches Problem?
Sicherlich. Das fängt ja schon in der Schule an. Wenn man gute Noten hat, wird einem das tendenziell eher geneidet. Erfolg ist sozial außer vielleicht im Sport nicht genug anerkannt. Und wenn es jemand nicht schafft, wird man zu schnell als Verlierer abgestempelt. Daher verstehe ich gut, wenn die Unternehmer nicht so gerne aus ihrer Deckung kommen. Das ändert sich langsam, ich finde aber, dass sich da noch mehr tun muss. Das Potential ist enorm. Vor allem Politiker und Journalisten sind hier gefragt. deutsche-startups.de ist daher eine sehr gute Initiative.
Zur Person
Jörn Nikolay ist Niederlassungsleiter des Münchner Büros von General Atlantic. Darüber hinaus kümmert er sich europaweit um Wachstumsunternehmen in den Sektoren Finanzdienstleister und Gesundheitswesen. Nikolay ist seit Anfang 2008 bei General Atlantic, zunächst in London und seit 2012 in München. Er ist zurzeit unter anderem für das Investment in Axel Springer Digital Classifieds verantwortlich. Darüber hinaus war er bei den Beteiligungen an Markit, Citco sowie Saxo Bank involviert. Im Oktober spricht Nikolay auf der David and Goliath-Konferenz, die am 30. Oktober erstmals stattfindet.
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