“Es war immer mein Traum ein eigenes Unternehmen zu gründen” – 15 Fragen an Oliver Lünstedt von carzapp
Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen, den es inzwischen auch in gedruckter Form und als eBook gibt – siehe “Hinter den Kulissen deutscher Start-ups“. Der kurze Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Oliver Lünstedt von carzapp.
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Es war immer mein Traum ein eigenes Unternehmen zu gründen und etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beizutragen. Trotz der großen Verantwortung habe ich viel Spaß bei dem, was ich tue.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Bereits während meines Wirtschaftsingenieurstudiums habe ich mich intensiv mit dem Thema Mobilität beschäftigt. Im Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung des Carsharing-Marktes stellte ich mir die Frage, warum neue Anbieter immer mehr Fahrzeuge auf die Straßen bringen, obwohl es bereits über 40 Millionen Privatfahrzeuge in Deutschland gibt. Im Durchschnitt steht ein Auto rund 23 Stunden am Tag ungenutzt am Straßenrand. Bereits bestehende Plattformen für privates Carsharing haben allerdings das Problem, dass sich Mieter und Vermieter zur Schlüsselübergabe treffen müssen, was eine spontane Miete ausschließt und sehr unflexibel ist.
Zusammen mit Sahil Sachdeva, den ich beim Venture Campus der Technischen Universität Berlin kennengelernt habe, entwickelte ich die Idee einer Hardwarelösung für Privatfahrzeuge, die eine schlüssellose Übergabe ermöglicht und modellunabhängig in alle Fahrzeuge mit Zentralverriegelung installiert werden kann.
Im Juni 2012 gründeten wir dann gemeinsam die carzapp GmbH.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Sahil und ich erhielten Exist-Gründerstipendien vom BMWi. Seit der Teilnahme am Businessplan Wettbewerb im vergangenen Jahr konnten wir uns außerdem über mittlerweile insgesamt drei Business Angel Investments freuen. Im März diesen Jahres haben wir weitere 250.000€ über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch eingesammelt. Wir konnten hier rund 360 Investoren von unserem Konzept überzeugen. Die investierte Summe wird derzeit genutzt, um unsere Hardware zu zertifizieren und mit der Produktion der ersten ZappKits zu starten.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Das größte Problem war ein bürokratisches: Mein Co-Founder Sahil Sachdeva ist Inder, sein Visum war ans Studium geknüpft. Um sich für das Exist-Gründerstipendium zu bewerben, musste er jedoch selbstständig sein, in Vollzeit. Es war ein Teufelskreis: Ohne Aufenthaltsgenehmigung kein Stipendium – ohne gesicherte Finanzierung der Selbstständigkeit kein Visum. Mit Unterstützung der TU schafften wir es dann doch noch. Auch die Findung von Kapital stellte sich als Hürde heraus. Gerade am Anfang war es schwierig, Entscheider von unserem Konzept zu überzeugen.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase andersmachen?
Sahil heiraten, damit er eine Aufenthaltsgenehmigung hat. Nein, Spaß beiseite. Ich würde den Fokus noch mehr auf potenzielle Geschäftskunden unserer Fuhrparklösung richten, um noch schneller Umsatz zu generieren.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Vor kurzem haben wir unser Team um eine Mitarbeiterin im Bereich Marketing erweitert. Antonia feilt derzeit an unserer Marketingstrategie. Bisher haben wir unseren Bekanntheitsgrad über die Social Media Kanäle Facebook und Twitter, sowie mit PR durch Messen, Veranstaltungen und Wettbewerben gesteigert.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Hans-Joachim von Massow stand uns als Investor nicht nur mit Kapital, sondern auch schon lange vor der Gründung mit Rat und Tat zur Seite. Auch auf unseren Patentanwalt Dr. Kitzenmaier konnten wir uns immer verlassen. Natürlich haben uns auch Familie und Freunde nicht nur in finanzieller Hinsicht unterstützt.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
1. Die eigene Idee auf ein Produkt herunterbrechen, nicht zu viel auf einmal entwickeln
2. So schnell wie möglich herausfinden, ob es für die eigene Idee einen Markt gibt
3. Mindestens einen weiteren Gründungspartner für strategisches Sparring parat haben, aber auch nicht mehr als 3 Gründer zu Beginn
4. Viel Zeit für die Investorensuche einplanen
5. Gute Mitarbeiter finden und motivieren, grade zu Beginn auch im Freundeskreis schauen
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Ich wünsche mir, dass das Exist Gründerstipendium (Programm des BMWi für Gründer) mehr an die Realität angepasst wird. Es ist ein toller Ansatz, um Gründungen in Deutschland zu fördern. Es macht jedoch meines Erachtens keinen Sinn, Unternehmensgründer während der Abschlussarbeit zum exmatrikulieren zu zwingen bzw. dafür finanziell zu bestrafen, wenn sie dies nicht tun. Dies war bei uns konkret der Fall. Beim Förderprogramm Exist wird man nur als Absolvent anerkannt, wenn man nicht als Student eingeschrieben ist. Das macht auf den ersten Blick Sinn, aber nach genauem Hinschauen, geht es in vielen Fällen an der Praxis vorbei.
Zum Beispiel ist mein Mitgründer Sahil diplomierter Elektrotechniker und hat sich nach seinem Studium dazu entschieden, ein weiteres Studium (Masterstudium in Technischer Informatik) zu absolvieren. Hier fehlte ihm noch die Masterarbeit, als wir carzapp gründeten. Nun musste er sich entscheiden, ob er sich exmatrikuliert oder wir kein Exist erhalten. Ich halte das für nicht zielführend und würde hier als Verbesserung vorschlagen, dass Absolventen (meine Definition: Bachelor, Master, Diplom o.Ä.) auch als solche anerkannt werden, selbst wenn sie parallel zu einer freiwilligen weiteren Ausbildung noch immatrikuliert sind.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Ich denke, ich würde mich im strategischen Bereich eines Unternehmens mit dem Kernbereich Mobilität / Erneuerbare Energien wiederfinden.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei Soundcloud, da sie ein wirklich interessantes Produkt haben und ich gerne mehr über die Vermarktungsstrategien erfahren würde.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Ich würde in die Zukunft reisen (ca. 2100) – um zu schauen, wie sich die Mobilität entwickelt hat.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Da ich gerade nicht wirklich viel Zeit hätte das Geld auszugeben, würde ich es wahrscheinlich anlegen und teilweise in Start-ups (natürlich auch in carzapp) investieren.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Mit Freunden auf unserem eigenen Gartengrundstück beim Gärtnern, grillen und chillen.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Bono von U2, um ihn zu überzeugen, in carzapp zu investieren.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Oliver Lünstedt studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TH in Karlsruhe und Lausanne. Er absolvierte u.a. ein Praktikum als Consultant bei Roland Berger Unternehmensberatung, ehe er zunächst seine eigene Consulting Firma gründete. Parallel ging er mit carzapp (www.carzapp.net) 2012 online.