“Uns erscheint eine Fusion nicht sinnvoll” – Sybille Steinbach von Pizza.de
Trotz aller Angriffe, Attacken und ganz viel neuer millionenschwer finanzierter Konkurrenz ist Pizza.de (www.pizza.de) aus dem beschaulichen Braunschweig weiter Marktführer für Online-Essensbestellungen in Deutschland. Im EXKLUSIV-Interview mit deutsche-startups.de spricht Sybille Steinbach, Geschäftsführerin von Pizza.de über Mitarbeitergewinnung, Marketingausgaben in Millionenhöhe und Stullen im Park.
Pizza.de ist wahrlich kein Start-up mehr. Dies sieht man schon an iIhrem Firmensitz. Sie leisten sich quasi eine eigene Burg (siehe Hausbesuch). Was ist das für ein Gebäude?
Nach dem Erbauer heißt dieses Gelände „Löbbeckes Insel“, hinter dem Gebäude fließen zwei Flüsse zusammen, vor dem Gebäude befindet sich ein Teich. In früheren Zeiten konnte man die Insel nur über eine Brücke erreichen, mittlerweile gibt es eine aufgeschüttete Zufahrt. Der Grund, warum wir uns für dieses Gebäude entschieden haben, ist schlicht Mitarbeitergewinnung. In Braunschweig gibt es keine Start-up-Szene, bei einer Internetfirma zu arbeiten ist hier nicht gerade das Traumziel hochqualifizierter Menschen, diese streben eine Anstellung bei Volkswagen an.
Und dank dieses Gebäudes können Sie gegen Volkswagen bestehen?
Durch unseren Firmensitz werden wir von Interessenten als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen und einige der jüngeren Mitarbeiter haben uns nach ihrer Einstellung berichtet, dass sie sich überhaupt erst aufgrund des Gebäudes beworben haben.
Müssen Ihre Mitarbeiter zudem jeden Tag bei einem Lieferdienst ihr essen bestellen? Während der Mittagszeit konnte man in der Küche gerade viele Pappschachteln von diversen Bringdiensten sehen.
Ich hoffe, Sie haben keine “herrenlose” Pappschachtel erspäht. Unsere Mitarbeiter gestalten ihre Mittagspause ganz unterschiedlich, bei schlechtem Wetter wird natürlich über Pizza.de bestellt, bei schönem Wetter wie jetzt, gehen viele in die Stadt oder mit Stulle in den Park.
Keine Angst, herrenlose Pappschachtel habe ich keine gesehen. In den vergangenen Jahren haben Ihnen einige andere Lieferdienstvermittler wie Lieferheld, Lieferando und Co. das Leben schwer gemacht. Wie haben Sie dieses – teils skurrile – Millionenspiel verfolgt?
Uns gibt es ja schon sehr lange, seit 1997, damals noch unter dem Namen bringdienst.de. Wir sind organisch gewachsen und waren im Markt schon bekannt, als 2009 und 2010 von neuen Wettbewerbern und den ersten Finanzierungen gesprochen wurde. Zunächst war von kleinen einstelligen Millionenbeträgen die Rede, wir haben das kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, weil mit solchen Beträgen nur die Technik, ein kleines Mitarbeiterteam und die ersten Lieferdienstkunden aufgebaut und akquiriert werden können. Für den allergrößten Posten, das Marketing, bleibt dann nicht mehr viel übrig.
Dann aber kam das große Geld ins Spiel: Haben Sie da ihre Felle davonschwimmen sehen?
Anfang 2012, als von drei Wettbewerbern jeweils Finanzierungen in zweistelliger Millionenhöhe bekannt gegeben wurden, hat uns das natürlich sehr erschrocken. Wir dachten, jetzt hat die Konkurrenz genug Kapital für Marketing und wir konnten überhaupt nicht einschätzen, wie sich Marktanteile verschieben würden. Wir lassen die Marketingausgaben in unserem Umfeld natürlich erfassen. In den letzten eineinhalb Jahren sind in Deutschland circa 100 Millionen Euro an Marketingbudget von allen Wettbewerbern, uns inklusive, ausgegeben worden.
100 Millionen Euro sind eine große Summe: In welche Kanäle ist dieses ganze Geld geflossen?
Die größten Budgets sind in TV und Google geflossen, danach Out-of-Home Media-Kampagnen, Mobile-Advertising und Couponing.
Was ist ihr Fazit aus diesen Millionenausgaben?
Die schöne Erkenntnis für uns war, dass diese riesigen Marketingausgaben Pizza.de am meisten zugutekamen. Die Mitbewerber wollten nach eigenen Aussagen die Telefonbesteller zu Internetbestellern machen, das hat insofern funktioniert, dass diese Besteller gleich zum altbekannten Marktführer gegangen sind.
Sie haben somit vom millionenschweren Marketing der Wettbewerber profitiert?
Es ist an sich schon sehr schwer, einen starken First Mover einholen zu wollen. Wir haben unseren Besteller zusätzlich Mehrwerte geboten, die auf anderen Portalen nicht zu finden sind. Bei uns sind das zum einen die größten Lieferdienst-Ketten Deutschlands und die beliebtesten Lieferdienste einer Stadt. Nehmen wir zum Beispiel Berlin, die größten Franchiseketten wie Joey’s Pizza, Pizza Max, Call a Pizza, Sushi For You, Yoko Sushi, Max Burger, Papa No, burgerme und viele beliebte Einzelgeschäfte sind nur bei uns zu finden. Zweitens gibt es bei uns das Ranking „Die Besten“ einer Postleitzahl, die Beliebtheit dieses Rankings zeigt sich darin, dass die meisten Suchen auf pizza.de damit kombiniert werden, zum Beispiel „Die Besten“ und „Sushi“. Wenn Sie über pizza.de bestellen, werden Sie auf jeden Fall gut und schnell beliefert, weil für den Lieferdienst Ihre anschließende Bewertung wichtig ist. Drittens, die Deals, ein Preisnachlass gegenüber dem Sortiment der Speisekarte in Höhe von 25 % und mehr. Diese Deals ermöglichen es einem Lieferdienst, sich prominent auf pizza.de zu platzieren und dadurch viele zusätzliche Bestellungen zu generieren. Die Deals sind exklusiv nur auf pizza.de zu finden und werden von den Bestellern gern genutzt. Diese Alleinstellungsmerkmale und die Bekanntheit als First Mover haben dazu geführt, dass wir vom Marketing des Wettbewerbs so stark profitiert haben.
Das Millionenspiel ist aber scheinbar noch lange nicht vorbei: Fürchten Sie eine weitere Finanzierungsrunde in sehr großer Höhe?
In Europa gibt es in mehreren Ländern Lieferdienstportale, die Gewinne erwirtschaften. Allen ist gemeinsam, dass sie die Ersten in ihrem Markt waren und als First Mover eine uneinholbare Stellung aufbauen konnten, in Deutschland wir, Just Eat in Dänemark und England, in Holland thuisbezorgd.nl, in Schweden onlinepizza.se usw. Umgekehrt gibt es kein einziges Portal in Europa, das als Zweites in einem Markt einen Break Even erreichen konnte – und hat es auch noch so viel Venture Capital erhalten. Wenn mit uns ein Mitbewerber gleichziehen oder uns sogar überholen will, dann müsste er ein Mehrfaches unseres Marketingbudgets einsetzen, denn mit gleichem Budget ist kein Aufschließen möglich. Dann reichen Finanzierungsrunden wie die letzten in Höhe von 40 Millionen Euro aber nicht aus und dieses Venture Capital wiederum lässt sich später nicht wieder erwirtschaften.
Warum sind sie nur in Deutschland unterwegs? Sie waren doch früh genug unterwegs und hätten längst ins Ausland expandieren können?
In anderen Ländern waren die heutigen First Mover bereits genauso aktiv wie wir in Deutschland. Uns war schon damals bewusst, dass nur ein Lieferdienstportal pro Land unter 100 Millionen Einwohner in der Lage sein wird, Gewinn zu erwirtschaften. Wir haben uns folglich auf unser eigenes Portal konzentriert, im Nachhinein war das die richtige Entscheidung.
Momentan erwarten viele Szenekenner eine Konsolidierung im Segment der Lieferdienstvermittler, ist die Zeit reif für Fusionen bzw. Übernahmen?
Uns erscheint eine Fusion nicht sinnvoll, es gäbe keine Synergien, sich mit einem deutlich schwächeren Portal zu verbinden. Der größte Posten, das Marketing, müsste auch bei einer Fusion für das schwächere Portal aufgebracht werden und dafür müssten dann wir aufkommen. Über Fusionsabsichte der anderen Portale untereinander kann ich Ihnen nichts sagen, es gilt aber das zuvor Gesagte. Sollte es Übernahmen geben durch uns oder durch andere, dann nur zu interessanten Konditionen.
Auch wenn es gerade offenbar gut für Sie läuft, ausruhen dürfen Sie sich bei der vielen Konkurrenz nicht. Was steht an weiteren Produkten oder Services auf ihrer Agenda?
Wir werden weitere Alleinstellungsmerkmale erschaffen: Diese Woche geht ein Empfehlungstool online. Die Idee entstand aus dem täglichen Leben, ein Mitarbeiter hat vor einiger Zeit einigen Kollegen ans Herz gelegt, doch unbedingt einmal das Gericht “Adana Yogurtlu” von dem Lieferdienst “Nostal-G” zu probieren. Diese mündliche Weiterempfehlung und natürlich auch das Gericht selbst waren so gut, dass es mittlerweile jeder in der Firma bestellt hat. So kamen wir auf die Idee, einen solchen Empfehlungsmechanismus für pizza.de zu entwickeln.
Wie soll dies funktionieren?
Die Funktionsweise ist recht einfach: Angemeldete Besteller können direkt im Lieferdienst-Shop ein Gericht auswählen und dazu eine Empfehlung verfassen. Diese Empfehlung wird dann anschließend auf allen Postleitzahlenseiten, in denen dieses Gericht lieferbar ist, mit Usernamen und Foto veröffentlicht. Das Gericht erscheint in der Empfehlung als Link und ist direkt bestellbar. Den Betreibern der Lieferdienste bieten wir eine ähnliche Möglichkeit, ihre besten Gerichte zu empfehlen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einem italienischen Restaurant essen, eine typische Empfehlung am Tisch könnte zum Beispiel sein: “Wir haben gerade Steinpilze frisch hereinbekommen, zusammen mit unseren Cannelloni mit Ricotta-Nuss-Füllung usw.”
Wie wollen Sie diese neue Funktion in den Markt bringen?
Üblicherweise posten wir so etwas zunächst auf Facebook. Wenn man neue Besteller erreichen will, geht man in neue Kanäle und bietet etwas an für die Ersten, die das neue Tool nutzen.
Etwas anbieten? Was heißt das konkret?
Zum Beispiel ein Guthaben auf dem pizza.de-Account für die erste Empfehlung.
Könnten Sie das nicht für die Leser von deutsche-startups.de machen?
Ok, mit Ihnen zusammen haben wir noch nichts gemacht, könnte klappen (lacht). Was halten Sie von 1.000-mal 10 Euro als Dankeschön-Guthaben für die erste Empfehlung durch ds-Leser?
Gerne, wir haben aber viel mehr Leser!
Ok (lacht wieder), 10.000-mal, ich werde die Codes im Anschluss an unser Gespräch erstellen lassen und Ihnen nachreichen.
Angebot für alle ds-Leserinnen und -Leser
Lieblingsgericht auf pizza.de empfehlen und als Dankeschön 10 Euro erhalten! Hier der Dankeschön-Code: G2C3-0Q4N-DR3Z-7WC0. Dankeschön-Code im pizza.de-Profil aktivieren und wahlweise mittags oder abends einlösen. Nur heute gültig am 11.09.2013 von 11:00 Uhr bis 23:00 Uhr bei Lieferdiensten mit Online-Zahlung. 1 Code pro Person und Bestellung einlösbar. Der Code ist auf 10.000 Einlösungen limitiert.
Hausbesuch bei Pizza.de
Vor diesem Interview durften wir uns bei Pizza.de einmal ganz genau umschauen. Einige Eindrücke in unserer kleinen, aber feinen Fotogalerie. Es gibt viel Wasser, viele Verzierungen und schöne Teppiche zu entdecken.
Zur Person
Sybille Steinbach ist Geschäftsführerin des Lieferdienstvermittlers Pizza.de (www.pizza.de). Das im Jahre 2007 gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Braunschweig und beschäftigt derzeit 120 Mitarbeiter.