Offline! “Die Insolvenz war ein Evolutionsschritt” – Sascha Seewald von Caterna

Manchmal ist eine Insolvenz das Beste, was einem Unternehmen passieren kann: Für Caterna (www.caterna.de) war das offizielle Ende die Chance für einen radikalen Neustart. Heute freut sich der ehemalige Geschäftsführer Sascha Seewald, dass […]
Offline! “Die Insolvenz war ein Evolutionsschritt” – Sascha Seewald von Caterna
Dienstag, 13. August 2013VonYvonne Ortmann

Manchmal ist eine Insolvenz das Beste, was einem Unternehmen passieren kann: Für Caterna (www.caterna.de) war das offizielle Ende die Chance für einen radikalen Neustart. Heute freut sich der ehemalige Geschäftsführer Sascha Seewald, dass das Projekt nicht gestorben ist – denn in der Software, mit der Kinder dank spezieller Flashgames ihre Sehschwäche korrigieren können, steckt sein ganzes Herzblut.

Im ehemaligen Caterna-Büro gab es eine Wand, an der die ganzen Highlights hingen: Die erste gestellte Rechnung, der erste Kontoauszug nach der Finanzierung, zugeschickte Bilder, Scans. Die Wand drückt bis heute die Begeisterung des Teams aus, an etwas zu arbeiten, das nicht nur ein bloßer Job ist: „Caterna ist ein unglaublich tolles Projekt: Wir verkaufen eben keine Wasserfilter, sondern machen etwas, das Kindern hilft“, erklärt Mitgründer Sascha Seewald voller Enthusiasmus. Begeistert hat ihn auch, dass das Projekt Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen vereinte, zum Team gehörten Menschen aus der Medizin, der Neuropsychologie, der Informatik. Alles Bereiche, mit denen Seewald auch selbst zu tun hat.

„Wir verkaufen eben keine Wasserfilter“

Seewalds erster Tag bei dem Projekt, das später Caterna heißen sollte, war bereits 2004 – zu dieser Zeit suchte ein Forscherteam an der Uni Dresden Informatiker, um eine Software zu entwickeln. Er bewarb sich, wurde genommen, schrieb die Software für „Spielen-statt-Schielen.de“ und blieb hängen – bei einem Projekt, das schon seit 1995 am Laufen war. Irgendwann, so Seewald, hätten die Augenärzte dann darauf gedrängt, dass sie mit der Idee an die Öffentlichkeit gehen, nicht mehr nur Probanden behandeln sondern die vielen betroffenen Kinder. 2010 war es dann soweit, die Plattform Caterna erblickte das Licht der Welt und erhielt kurz darauf eine Finanzierung vom High-Tech-Gründerfonds und dem Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS).

Die Nicht-Dynamik des Gesundheitsmarktes unterschätzt

Als nach rund 18 Monaten die Frage nach einer Zweitfinanzierung aufkam, entschied sich das Team jedoch dagegen – aus Vernunftgründen. Denn auch mit einer Anschlussfinanzierung hätte man nicht schnell genug erreicht, was man ursprünglich erreichen wollte, erklärt Seewald. „Wir haben die Nicht-Dynamik des Gesundheitsmarktes unterschätzt“, fasst der 35-Jährige zusammen. „In diesem Bereich läuft alles sehr langsam.“ Man habe die gesamte Branche, von Endkunden über Ärzte bis zu den Krankenkassen, mit dem hohen Innovationsgrad von Caterna überfordert. Für viele Ärzte sei es undenkbar gewesen, dass eine Software und Computerspiele die bisherige Standardtherapie des Auge-Abklebens ergänzen und dabei noch wesentlich wirksamer sein sollte. Da das Konzept eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten vorsah, war dies am Ende ein Knock-out-Faktor: Nur 20 Augenarztpraxen konnten überzeugt werden, mit Caterna zusammen zu arbeiten. „Da mussten wir einsehen, dass wir so nicht weiterkommen. Wir hätten noch mindestens zwei Jahre gebraucht, um genügend Praxen zu erreichen, dafür hätte auch das Geld durch eine Anschlussfinanzierung nicht gereicht.“ Auch an die Krankenkassen heranzukommen, gelang dem Team nicht.

Statt eine Anschlussfinanzierung anzugehen, meldete Caterna im Sommer 2012 Insolvenz an – für Sascha Seewald eine der schwierigsten Zeiten seines Lebens. „Die zwei Wochen zwischen der Erkenntnis, dass es nicht weitergehen wird, und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren unglaublich hart: Man trägt die gesamte Last eines scheiternden Unternehmens auf den Schultern. Ich habe während dieser Zeit kaum geschlafen und gegessen.“ In der einberufenen Investorenrunde fiel der Beschluss, Caterna abzuwickeln. Ab diesem Moment sei es ihm wieder besser gegangen, erzählt Seewald – auch wenn nun ein immenser Aufwand auf ihn wartete und er den Mitarbeitern eine Botschaft überbringen musste, für die er „kaum Worte fand“. Aber er habe während dieser Zeit viel Zuspruch und Anteilnahme von Freunden und anderen Gründern erhalten. Nur eines wurmte ihn extrem: Dass ihnen von allen Seiten bescheinigt wurde, wie effektiv das Verfahren ist – und es einfach nur nicht gelungen war, es in den Markt zu bringen.

Mit der Insolvenz kam der Neuanfang

Im Falle von Caterna war die Insolvenz aber nicht der Anfang vom Ende, sondern ein echter Neuanfang. Während des Verfahrens wurden andere Menschen auf das Projekt aufmerksam, die sich interessierten. Ein „absoluter Glücksfall“ sei der Kontakt zu Markus Müschenich gewesen. Der Kinderarzt und Gesundheitswissenschaftler gehört nun bei „Caterna 2.0“ fest zum Team und öffnet zahlreiche Türen in die Gesundheitsbranche. Während sich am Produkt selbst nicht viel geändert hat, läuft vertriebstechnisch nun alles anders als zuvor. Das Start-up nimmt nicht mehr einzelne Augenpraxen in den Fokus, sondern wendet sich gezielt an ganze Ärzte- und Praxenverbände. Mit den entsprechenden Leuten im Team gelang auch der Kontakt zu den Krankenkassen. Doch nicht nur die Neuausrichtung, auch die Zeit habe ihnen geholfen, glaubt Seewald: Die gesamte Branche sei heute wesentlich offener für den Bereich Telemedizin als noch vor zwei Jahren.

Heute kann Seewald die Insolvenz als wichtigen „Evolutionsschritt“ für Caterna ansehen: „Aus der Insolvenz sind riesige Potentiale entstanden. Bestimmte Menschen hätten wir sonst nicht gefunden.“ Natürlich habe dieser Schritt das Unternehmen zunächst sehr zurückgeworfen. „Letztendlich hat uns die Insolvenz die Möglichkeit gegeben, das Haus noch einmal komplett neu aufzubauen. Dieser Schritt ist radikaler und dadurch manchmal erfolgreicher als der Versuch, ein bestehendes Unternehmen schrittweise zu verändern.“

Heute heißt das Unternehmen offiziell nicht mehr Caterna sondern seit Januar 2013 Caterna Vision GmbH. Die alte Domain konnte aber, genauso wie die Software, zurückgekauft und in das neue Produkt integriert werden. Vom alten Team sind mehrere Leute wieder mit dabei, dies freut Seewald ganz besonders. Was die strategische Ausrichtung angeht, will Caterna 2.0 noch etwas breiter werden als beim ersten Versuch und noch andere telemedizinische und digitale Therapieformen mit ins Portfolio aufnehmen. Und hofft, dieses mal am Markt zu bestehen, um noch viele Kinder von ihrem Augenleiden zu befreien.

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Yvonne Ortmann

Seit Mai 2009 schreibt Yvonne für deutsche-startups.de Gründerportraits, Start-up-Geschichten und mehr – ihre besondere Begeisterung gilt Geschäftsideen mit gesellschaftlich-sozialer Relevanz. Sie tummelt sich auch im Ausland – immer auf der Suche nach spannenden Gründerpersönlichkeiten und Geschäftsideen.