Offline! „Unser Konzept war zu kapitalintensiv“ – Dominik Mühl von Supermarkt.de
Mit einer perfekten Domain, zwei beachtlichen Finanzierungen und ordentlichem Wachstum schien Supermarkt.de auf einem guten Weg. Überraschend verkündete Gründer Dominik Mühl dann Ende 2012 das Aus. Mittlerweile hat er die Seiten gewechselt und begutachtet selbst Geschäftsmodelle. An die Schwierigkeit, im richtigen Moment den Schlussstrich zu ziehen, wenn man immer noch „Karotten vor der Nase hat“, erinnert er sich gut.
Dominik Mühl hat noch immer die vielen Highlights vor Augen, die er mit Supermarkt.de erlebt hat: Den Launch, die ersten Presseartikel, das große nationale Interesse, Berichte beim NDR und beim ZDF, Verbesserungen bei der Logistik, mehr Bestellungen, eine Anschlussfinanzierung, Wachstum. In der Sendung Wiso wurde das Angebot von Supermarkt.de mit dem von Rewe verglichen und schnitt besser ab. „Das war natürlich toll, zu sehen, dass wir als Start-up mit einem etablierten Konzern mithalten konnten“, erinnert sich Mühl.
Immer wieder heikel: Anschlussfinanzierungen
Mit Supermarkt.de, in das Investor Robert A. Kabs (Kabs-Gruppe) zweimal investierte, wollte Mühl zunächst die Hanseaten beliefern und schließlich alle deutschen Metropolregionen. Über den Hamburger Raum und einige Städte in Schleswig-Holstein kam der Dienst aber nicht hinaus. Nach gut einem Jahr war Schluss. Für Mühl liegt der Grund des Scheiterns relativ klar auf der Hand: Das Konzept sei sehr kapitalintensiv gewesen. „Trotz zwei Angel-Finanzierungen hätten wir noch eine weitere Finanzierung benötigt, um den Break Even zu erreichen.“ Ein weiterer Investor wollte sich aber partout nicht finden, trotz zahlreicher Gespräche.
Die heikle Frage nach einer nötigen Anschlussfinanzierung sei für viele Start-ups ein entscheidendes Thema, weiß Mühl. Und verweist auf die DailyDeal-Brüder, die nach einer erfolgreichen Finanzierungsrunde bekennen mussten, dass bei einem negativen Ausgang der Verhandlungen ebenfalls der Gang zum Amtsgericht angestanden hätte. „Die wenigsten Start-ups genießen den Luxus, am Ende zwischen mehreren Optionen wählen zu können.“
Was Supermarkt.de so kapitalintensiv machte, war das besondere Konzept: Das Team setzte auf eigene Lager und stemmte auch die Auslieferung selbst. Denn das Alleinstellungsmerkmal sollte sein, nicht nur am selben Tag der Bestellung zu liefern, sondern auch noch stundengenau. Ein immenser logistischer Aufwand, der mit hohen Kosten verbunden war. Da sei immer klar gewesen, dass man irgendwann noch einen weiteren Geldgeber brauche. Hat sich Supermarkt.de zu spät um dieses Thema gekümmert? Mühl schüttelt den Kopf. Gespräche habe es von Anfang an gegeben, auch mit französischen und angelsächsischen Investoren. Den britischen Geldgebern seien sie aber letztlich noch nicht weit genug gewesen, den deutschen war der Kapitalbedarf zu hoch.
Es hätte ein „Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe“ werden können
„Man muss die Sicht der Investoren verstehen“, sagt Mühl, der heute auf der anderen Seite sitzt und als Investment-Manager für Capnamic Ventures selbst die Geschäftsmodelle von Start-ups begutachtet. „Sie schauen natürlich, ob sie nicht besser in solche Start-ups investieren, die bei weniger Kapitalbedarf ebenfalls hohe Renditechancen haben.“ Trotzdem glaubt er noch immer an das Potential, den deutschen Lebensmittel-Handelsmarkt aufzumischen, und ist überzeugt, dass in fünf Jahren ein „Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe“ hätte rauskommen können.
Diese Möglichkeit vor Augen zu haben und schließlich trotzdem die Reißleine zu ziehen, um nicht in die Insolvenz zu schlittern, war für Mühl schwierig. Die Cashflow-Planung samt Excel-Tabelle zeigten irgendwann ein klares Bild auf. Auf der anderen Seite führte er noch immer Gespräche mit potentiellen Investoren. „Ich hatte noch immer Karotten vor der Nase, die ich erreichen wollte“, berichtet der heutige Kölner. „Natürlich hatte ich im Hinterkopf, dass wir über Nacht aus dem Tal der Tränen heraus sein könnten und aus Supermarkt.de doch noch eine Erfolgsstory wird.“ Ende November verkündete er dann eine vorübergehende Auszeit des Online-Supermarktes, einen Monat später kam das offizielle Aus. Was dann folgte, waren die negativen Auswirkungen jedes Unternehmen-Scheiterns: Enttäuschung, Entlassungen und zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitern, Lieferanten, Geschäftspartnern, engen Vertrauten.
Wenn Mühl an die Zeit zurückdenkt, wird ihm bewusst, dass die schwierigste Phase jedoch nicht der Moment war, als das Aus von Supermarkt.de fest stand. Es war die Zeit, die einige Wochen und Monate später begann. „Am Anfang war ich sehr abgelenkt und hatte mit der Abwicklung wahnsinnig viel zu tun, erklärt er. „Zum Reflektieren kam ich erst, als das operative Geschäft abgewickelt war und nur noch administrative Tätigkeiten übrig waren.“ Trotz der Traurigkeit über das Scheitern seines Unternehmens gab er sich den negativen Gefühlen nicht hin sondern fing an, Bewerbungen zu schreiben.
Seitenwechsel: Vom Startup-Gründer zum Investment-Manager
Dass er jetzt im Finanzwesen gelandet ist, war kein glücklicher Zufall, sondern Kalkül: „Ich hätte wohl auch nach einem erfolgreichen Exit die Seiten gewechselt“, gibt er zu. Die Finanzbranche reizte ihn schon immer, vor Supermarkt.de arbeitete er bei der Citigroup und später für die CatCap. Bei Capnamic Ventures betreut er jetzt unter anderem die Bereiche eCommerce und Mobile. Mit seiner Erfahrung als Gründer verstehe er nicht nur die Sicht der Entrepreneure besser, sondern auch ihre Geschäftsmodelle, glaubt er. Und will seine Erfahrung deshalb auch nicht missen. Wenn ihn Gründer nach Ratschlägen fragen, sagt er ihnen, dass sie mit so vielen Menschen wie möglich über ihre Idee reden sollen und auf die Ratschläge hören, die sie von unterschiedlichen Seiten bekommen. Und dass sie sich keine Illusionen über das Arbeitspensum machen sollen, denn das sei als Gründer nun einmal immens.
Insgesamt, so scheint es, gehört das Aus von Supermarkt.de zu den vergleichsweise schönen Geschichten, was das Scheitern von Start-ups angeht. Es gab keine Insolvenz, keine verkrachten Beziehungen, nicht einmal zu Investorenschelte lässt sich Mühl hinreißen. Statt dessen ist er gespannt, wer in Deutschland das Rennen machen wird im Feld der Lebensmittel-Lieferdienste. Kaiser’s mit Bringmeister oder Rewe-Online seien ganz weit vorne, sagt er. Vielleicht werde ja auch nochmal ein Start-up ganz vorne mitmischen – „dann vermutlich mit einem Konzept, das weniger kapitalintensiv ist als unseres“.
Im Fokus: Infos über Start-ups, die es nicht mehr gibt, finden Sie in unserem Special Offline
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