Feel-Good-Manager: Start-up-Bespaßer als Trend-Beruf
Jimdo hat eine, Spreadshirt und Researchgate auch: Feelgood-Managerinnen sind definitiv im Kommen. Immer mehr deutsche Start-ups wollen mit einer extra Stelle die Mitarbeiterzufriedenheit fördern und die Unternehmenskultur aktiv beeinflussen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass sich die anfänglichen Unternehmenswerte schwer beibehalten lassen, wenn das Unternehmen stark wächst. Doch was genau steckt hinter dem Beruf?
Es klingt nach einem neuen Trend aus Übersee und irgendwie ist es das auch: „Feelgood-Manager“. Der Name sagt das Wesentliche schon aus: Es geht darum, dass sich alle Mitarbeiter im Unternehmen wohl fühlen sollen. Doch braucht es dafür extra eine Stelle? Laut Matthias Henze, Mitgründer des Webseiten-Baukasten Jimdo, schon. Am Anfang hätten sie sich als Gründer ja noch selbst darum gekümmert, dass bestimmte Werte im Unternehmen gelebt werden und der „Arbeitsplatz ein Ort ist, an dem wir selbst gerne arbeiten“. Aber als sie Ende 2011 plötzlich stark wuchsen, ging das nicht mehr. Durch einen glücklichen Zufall lernten sie die Sportwissenschaftlerin Magdalena Bethge kennen und stellten sie dafür an, dass die bisherige Unternehmenskultur auch im wachsenden Unternehmen beibehalten wird.
Ähnlich sieht es Theresa Kretzschmar, HR-Managerin bei Spreadshirt. „Es gab und gibt so viele Themen, derer man sicher gern annehmen würde, aber oft haben weder die Personal- noch die Kommunikationsabteilung und erst recht nicht die Vorstandsassistenz oder der Vorstand Zeit dafür.“ Als erstes Start-up in Deutschland hat das Unternehmen im Sommer 2011 eine extra Feelgood-Manager-Stelle ausgeschrieben. Stefanie Häußler, die die Stelle ergatterte, erinnert sich noch genau an die Aufgabenbeschreibung, „Kulturbeauftragte“ des Unternehmens zu werden.
Neuen Leuten beim Einstieg helfen
Eine Aufgabe des Feelgood-Managers ist es, neuen Leuten beim Einstieg in das Unternehmen zu helfen. Bei Spreadshirt zum Beispiel hilft Stefanie Häußler nicht nur dabei, sich schnell in das Unternehmen einzufinden und die Kollegen kennenzulernen, sondern auch bei ganz praktischen Dingen wie der Wohnungsfindung. Fangen ausländische Mitarbeiter im Unternehmen an, ist sie außerdem bei Behördengängen und Papierkram behilflich.
Bei Wooga gibt es zwar keine extra geschaffene Feelgood-Stelle, aber mehrere Experten, die sich um verschiedene Bereiche kümmern. Dazu gehört auch die Betreuung der ausländischen Mitarbeiter samt Hilfestellung bei Stolpersteinen wie der Eröffnung eines Bankkontos oder Versicherungen. Eine andere Mitarbeiterin kümmert sich um Kooperationen mit Kitas und um einen Emergency-Babysitter Service, berichtet Gitta Blatt, HR-Leiterin bei Wooga. In einer extra “Starter Session” und mit einem “Starter Lunch” werden die Neuen begrüßt und eingeführt (s. Foto).
Jimdo ist darüber hinaus wichtig, dass neue Leute die 15 Kernwerte, die das Unternehmen in einem Prozess mit allen Mitarbeitern entwickelt hat, auch wirklich erleben und mitformen. Ziemlich spielerisch wird es da, wenn Magdalena zum „Mitarbeiter-Dingsda“ aufruft und die Neuen anhand kurzer Videos erraten sollen, welche Mitarbeiter von den Kollegen beschrieben werden.
Gemeinsame Aktivitäten fördern
Da es in größeren Unternehmen nicht mehr selbstverständlich ist, dass sich alle kennen und etwas miteinander unternehmen, sollen Feelgood-Manager auch gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen planen – alles auf freiwilliger Basis, versteht sich. Feelgood-Managerin Stephanie Greenstreet sorgt bei Researchgate zum Beispiel dafür, dass sämtliche Meilensteine und die Geburtstage der rund 100 Mitarbeiter gefeiert werden und hat auch schon eine Ski-Tour, Yoga-Kurse und Deutschunterricht organisiert. Bei Spreadshirt gibt es nicht nur gemeinsames Fußballschauen, sondern auch Grillen in der Mittagspause, Bastel- und Lesenachmittage für die Kinder der Mitarbeiter und eigene Flohmärkte (s. Bild). Durch solche Aktionen gebe es auch eine spürbar höhere Durchmischung von Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen, was wiederum die interne Kommunikation verbessere, erklärt Kretzschmar.
Ansprechpartnerin für alle
Wichtig sind Feelgood-Manager, die es in Deutschland bisher nur in weiblicher Form gibt, auch als Ansprechpartner für alle Beteiligten: Für die Mitarbeiter sind sie unbeteiligte Ratgeber, die im besten Fall zuhören und schweigen können und für manche Themen leichter anzusprechen sind als die eigenen (Team-)Chefs. Für die Geschäftsführer wiederum sind sie der Draht nach „unten“ und eine gute Möglichkeit, um die Wünsche der Mitarbeiter aufzunehmen und in die Firmenkultur einfließen zu lassen.
Wichtig: Das Gesamtpaket
Letztendlich ist die Stelle des Feelgood-Managers aber nur ein Teilbereich wenn es darum geht, Mitarbeiter glücklich zu machen und eine positive Unternehmenskultur zu etablieren. Dafür lassen sich ehemalige Start-ups wie Jimdo, Wooga, Researchgate und Spreadshirt noch einiges mehr einfallen. So bekommen neue Wooga-Mitarbeiter beispielsweise zunächst eine Wohnung gestellt, um sich in Ruhe im Job und in der Stadt zurecht zu finden. Dafür hat das Unternehmen 20 Wohnungn in Berlin angemietet. Bei Researchgate gibt es eine ganze Spiel-Etage mit Angeboten wie Tischtennis, Billard und Dart, aber auch Relaxing-Räume für ein Mittags-Nickerchen. Mit der Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung wolle man Müttern und Vätern, aber auch Mitarbeitern mit Hobbies, entgegenkommen, heißt es bei Spreadshirt. Und bei Jimdo gibt es nicht nur den hauseigenen Koch Sam (s. Foto), der neben internationalen Spezialitäten auch für gute Stimmung sorgt, sondern auch ein extra angemietetes Haus bei Cuxhaven, in das sich die einzelnen Teams wochenweise zum gemeinsamen Arbeiten und Relaxen zurückziehen können.
Ziel: Die anfängliche Firmenkultur beibehalten
Und was haben die Unternehmen selbst davon – abgesehen von zufriedenen Mitarbeitern? Das Wohlfühlen sei die Basis für den Erfolg, erklärt Gitta Blatt von Wooga. „Es ist sehr wertvoll und nicht selbstverständlich, dass wir mehr neue Talente über Mitarbeiterempfehlungen finden als über Headhunter.“ Auch vom großen „Medienecho“ habe man stark profitiert, berichtet Theresa Kretzschmar von Spreadshirt. „Das hat uns einige Aufmerksamkeit als Arbeitgeber beschert und erleichtert unser Recruiting.“
Einig sind sich die Unternehmen darin, dass es nicht in erster Linie darum geht, etwas Neues ins Unternehmen zu bringen, sondern die positive Firmenkultur aus der Anfangszeit beizubehalten. Denn genau dies ist der Knackpunkt, wenn Unternehmen plötzlich schnell wachsen – dementsprechend lässt sich auch nicht genau sagen, ab wie vielen Mitarbeitern solch eine Stelle sinnvoll ist, es hängt stark vom Zeitpunkt des schnellen Wachstums ab. Dass es bei Researchgate fünf Jahre nach der Gründung immer noch familiär und freundschaftlich zugehe, die Mitarbeiter sich kennen und verstehen, „ist ein gutes Zeichen und wie in jeder Beziehung war das auch ein hartes Stück Arbeit, das sich jeden Tag lohnt“, freut sich Gründer Ijad.
Letztlich steht hinter dem neuen Trend-Beruf, für den es noch keine spezielle Ausbildung gibt, ein Paradigmenwechsel: Mitarbeiter sollen sich im Unternehmen so wohl wie nur möglich fühlen, denn dann – so der Umkehrschluss – geben sie auch ihr bestes für die Firma. Wobei gerade bei den jüngeren Gründern nicht nur wirtschaftliches Kalkül hinter der Überzeugung steckt, sondern tatsächlich der Wunsch, auch als wachsendes Unternehmen irgendwie Start-up zu bleiben und den anfänglichen Spaß und Enthusiasmus, das gegenseitige Kennen und Dinge unternehmen, beizubehalten.
Trend-Beruf Feelgood-Manager: Notwendig oder komplett überflüssig? Was meint ihr?