Gründerinnen
“Das Team ist wichtiger als das Produkt” – Stephanie Richter von Adspert
Würde Stephanie Richter nicht „schon auf dem Riesenrad schlecht werden“, wäre sie vielleicht Astronautin geworden: Der Blick von oben auf die Welt fasziniert sie bis heute. Stattdessen wurde sie Gründerin und behält heute beim webbasierte Bid-Management-Tool Adspert (www.adspert.net) den Blick fürs Ganze. Leiten, Organisieren und Entscheidungen treffen sind ihre Leidenschaft – bis auf das Aussprechen von Entlassungen.
„Ich bin in Ostberlin aufgewachsen“
An kreativen Berufswünschen mangelte es Stephanie Richter nicht: Neben Astronautin stand auch Archäologin lange hoch im Kurs. Am Ende hat sie dann doch den bodenständigen Weg gewählt mit einer kaufmännischen Ausbildung und Wirtschaftspädagogik-Studium. „Ich bin in Ostberlin aufgewachsen. Nach der Wende ging es darum, eine solide Ausbildung zu haben“, erklärt sie ihren Werdegang. Wehmütig ist sie nicht, im Laufe der Jahre sei ihr bewusst geworden, wie sehr sie es liebe, ein Unternehmen zu leiten.
Bei Adspert – siehe auch “Adspert – der Autopilot für das Online-Marketing” – ist Richter die eine Hälfte des Geschäftsführer-Teams. Zusammen mit Marcel Pirlich und Harald Bartel gründete sie das Start-up Ende 2010. Die beiden sind ehemalige Geschäftspartner, kennen sich seit über zehn Jahren: „Die Chemie stimmte von Anfang an. Wir haben praktisch nur auf den Urknall gewartet, um etwas zusammen starten zu könne.“ Zu der Zeit ist die Unternehmerin noch mit ihrer ersten Firma Prozentor unterwegs, die Trading-Systeme für Banken entwickelt, um damit Handelsentscheidungen treffen und automatisiert durchführen zu können. Die Anfrage von Pirlich, ob man das Prinzip nicht auch auf Google Adwords anwenden könne, begeisterte nicht nur Richter selbst sondern auch ihren ersten Mitgründer Harald Bartel, der nun als „Geek“ bzw. CTO ebenfalls bei Adspert arbeitet.
„Manchmal muss der Manager über den Menschen siegen“
Mit Adspert können Unternehmen ohne Vorkenntnisse Google AdWords-Kampagnen vollautomatisch optimieren. Mitbewerber gibt es in dem Bereich mehrere, Richter ist trotzdem überzeugt davon, dass sie genug Alleinstellungsmerkmale haben: „Mit unserer Software können Kunden innerhalb von zwei Minuten live gehen, während es bei unseren Mitbewerbern mehrere Wochen dauert. Das Tool kann jeder, ob Praktikant oder Geschäftsführer, problemlos starten und nutzen.”
Die waschechte Berlinerin steht bei Adspert als „Innenministerin an der Front. Ich halte den Laden zusammen und kümmere mich um das operative Geschäft.“ Das Organisieren und schnelle Erfassen sämtlicher Aspekte machen ihr Spaß, auch Entscheidungen treffen liege ihr. Nur eine Sache fällt ihr nach wie vor schwer: Personalentscheidungen. Noch heute schläft sie schlecht, wenn sie Mitarbeiter entlassen muss. Sie sieht das sehr selbstkritisch: „Jemanden zu entlassen bedeutet, dass man selbst eine Fehlentscheidung getroffen und in das Leben des anderen eingegriffen hat. Ein schlechtes Gewissen sollte bei Entlassungen immer vorhanden sein.“ Trotzdem müsse, auch um die restlichen Mitarbeiter zu schützen, manchmal „der Manager über den Menschen“ siegen.
Die ersten Gehälter wurden aus dem Dispo bezahlt
Personalentscheidungen sind nicht die einzige Herausforderung beim Aufbau von Adspert geblieben. Überhaupt sei ihr die Entscheidung, sich mit einem gut funktionierenden Unternehmen nochmal auf ein neues Abenteuer einzulassen, nicht leicht gefallen, bekennt die 37-Jährige. „In meinem ersten Unternehmen war ich alleinige Geschäftsführerin. Bei Adspert mussten sich plötzlich zwei Alphatiere aufeinander einstellen“, schmunzelt sie. Mittlerweile will sie das Arbeiten im Team aber nicht mehr missen und empfindet ihr Gründer-Duo als Traumkombination. Was sie zu der Überzeugung gebracht hat, dass ein passendes Team wichtiger ist als das Produkt: „Ein richtig gutes Team schafft es, aus jeder Idee etwas Tolles zu machen. Umgekehrt kann ein tolles Produkt an einem schlechten Team scheitern.“
Es habe zu großen Teilen am Gründerteam gelegen, dass Adspert so schnell Fremdkapital bekommen habe: Neben Bertelsmann Digital Media Investments (BDMI) ist auch K – New Media investiert. Eingestellt hatten sich die Gründer auf eine längere Zeit der Selbst-Finanzierung und damit Durststrecke. Dass es nicht so kam, darüber ist Richter froh. Denn wirklich vorbereitet sei sie darauf nicht gewesen und habe in den Monaten zuvor viel Geld für Studienreisen ausgegeben. „Das ist schon nervenaufreibend, wenn am Anfang die ersten Gehälter aus dem eigenen Dispo bezahlt werden“, erinnert sie sich.
40-Stunden-Woche klappt auch bei Gründern
Obwohl Stephanie Richter eher bodenständig als abenteuerlustig ist, lässt sie sich immer wieder herausfordern. Sie sei dabei nicht der Typ, der aktiv Neues sucht, sondern greife einfach zu, wenn ihr spannende Dinge vor die Füße fallen. So war es auch bei Prozentor, das sie gründete, als sie sich gerade im Grundstudium ihres Wirtschaftspädagogik-Studiengangs befand. Wie hart das Managen von Unternehmensgründung nebst Studium war, merkte sie erst nach der Diplomarbeit, als sie mit einem freien Wochenende nichts mehr anzufangen wusste. Heute ist sie eine Verfechterin der 40-Stunden-Woche und glaubt, dass dies auch für Gründer funktioniert. Bis auf ein paar Ausschläge sei ihr das mit Adspert gut gelungen. Sie habe irgendwann realisiert, dass zuviel Arbeit langsamer mache und man somit nicht mehr erreiche, als wenn man am Wochenende komplett abschaltet.
Der Tatsache, dass es mit Archäologie und Astronautin nicht geklappt hat, weint sie heute keine Träne nach. Nur den Schritt, mal für längere Zeit ins Ausland zu gehen, würde sie irgendwann einmal gerne noch gehen. Zumindest drei Wochen konnte sie noch freischaufeln, bevor es mit Adspert losging. Diese waren aber so vollgepackt wie ein ganzes Studium: Bei ihrem Aufenthalt in Cambridge standen zehn Stunden Englisch-Unterricht pro Tag auf dem Programm sowie das Aufbauen internationaler Kontakte. Spaß gemacht hat es ihr trotzdem: „Ich habe tolle, weltweit verstreute Freunde gewonnen. Eine super Zeit.“
Im Fokus: Weitere Porträts über Netzmenschen gibt es in unserem Special Gründer-Porträts
Hausbesuch bei Adspert
Bei Adspert geht es spielerisch zur Sache: Auf den Monitoren des Berliner Start-ups grüßen Batman und Robin, durch die Räume fliegt Captain Buzz Lightyear aus Toy Story – und da zwischen tummeln sich Gartenzwerge. ds-Haus- und Hoffotograf Andreas Lukoschek durfte sich bei der Jungfirma einmal ganz genau umsehen. Einige Eindrücke gibt es in unserer Fotogalerie.
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