Die 10 häufigsten Fragen und Irrtümer über Crowdinvesting
Die 10 häufigsten Fragen und Irrtümer über Crowdinvesting – Gastbeitrag von Steffen Doberstein (siehe links), Unternehmensberater für KMU und Gründer mit dem Schwerpunkt Finanzierung, auch ohne Beteiligung von Banken, wie Crowdfunding.
1. Woher weiß ich, dass die Crowdinvesting-Plattformen nicht das mir zugedachte Geld einsammeln und damit verschwinden?
Ungelogen, diese Aussage wurde mir gegenüber gemacht. Aber ich kann jeden noch so misstrauischen Menschen beruhigen. Ich kenne bislang nur seriöse Plattformen. So etwas könnte eine Plattform auch nur einmal machen. Wenn Sie unsicher sind, schauen Sie sich doch die Historie an, also wie viel Unternehmen schon finanziert wurden und fragen Sie bei diesen Unternehmen nach. Das empfehle ich sowieso, schon um zu sehen, wie viel Projekte tatsächlich erfolgreich finanziert wurden und welche Erfahrungen die Unternehmen mit dem Gesamtprozess gemacht haben
2. Jeder kann crowdfunden
Das ist tatsächlich die ursprüngliche Idee: Sie stellen Ihr Projekt öffentlich vor und die Öffentlichkeit entscheidet wem sie ihr Geld gibt. Theoretisch ja, beim Crowdinvesting praktisch (noch) nein. Auch bei den Crowdinvesting-Plattformen muss man sich „bewerben“. Hier wie auch bei den VCs oder den Banken müssen Sie also zunächst an einen „Gatekeeper“ vorbei. Jetzt am Anfang des Crowdinvestings ist das auch nachvollziehbar, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen. Am Ende der Entwicklung sollte jedoch für die Unternehmen die Möglichkeit bestehen sich auch direkt an die Öffentlichkeit wenden zu können. Der Trend bei den „neuen“ Crowdinvesting-Plattformen geht auch dahin. Am konsequentesten betreibt das derzeit wohl nur Welcome Investment, ist allerdings relativ unbekannt.
3. Mit Crowdinvesting finanzierte Start-ups sind uninteressant für Großinvestoren, wie Venture Capital-Gesellschaften (VC)
Sie planen eine Folgefinanzierung einzuwerben? Derzeit ist hier die Lage tatsächlich unübersichtlich. Man kann davon ausgehen, dass viele Beteiligungsgesellschaften egal welcher Colour noch nicht so recht wissen, wie sie mit bereits mit Crowdinvesting finanzierten Unternehmen umgehen sollen. Das wird sich im Zeitablauf erledigen, nützt Ihnen als Gründer aber jetzt erst einmal wenig. Die gute Nachricht: Es gibt bereits erste Folgefinanzierungen von über Seedmatch finanzierte Unternehmen. Companisto ist bislang die einzige Crowdinvesting-Plattform, die speziell ein Modell mit einer zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft entwickelt hat, welches den VC’s die Hemmschwelle nehmen soll. Übrigens ein Hinweis: Da die Folgefinanzierung nicht sicher ist, ist unbedingt sicherzustellen, dass Sie gegebenenfalls auch ohne Folgefinanzierung Ihre Idee verwirklichen könnten oder es sollte zumindest auf das Risiko hingewiesen werden!
4. Ich erhalte Eigenkapital, über das ich unbegrenzt verfügen kann
Typischerweise nein. Schauen Sie sich die einzelnen Plattformen an und informieren sich, welche Art von Beteiligungen möglich sind (siehe hierzu die Übersicht „6 Crowdinvesting-Plattformen im Vergleich“). Die ersten Plattformen ermöglichen nur stille Beteiligungen, die nach ein paar Jahren gekündigt werden können und dann zurückgezahlt werden müssen. Bei Mikroinvest sind auch Nachrangdarlehen oder Genussrechte mit fixer Verzinsung möglich. Diese Beteiligungsformen zählen bilanziell als Fremdkapital, werden wegen ihrer „Zwittereigenschaften“ gern als Mezzanine-Kapital bezeichnet. Echtes Eigenkapital ist bislang nur bei Bergfürst vorgesehen. Das Kapital wird durch Zeichnung von Aktien eingezahlt. Auf Plattformen wie Welcome Investment, die den Unternehmen vollständig das Crowdinvesting überlassen, besteht die Möglichkeit auch.
5. Das ist doch nur etwas für innovative Start-ups
Warum? Wer sagt das? Bislang konzentrierten sich die finanzierten Unternehmen zwar sehr stark auf Online-Geschäftsmodelle, aber nicht nur. Hier gibt es mit dem ebenfalls onlinebasierten Crowdinvesting manche zusätzliche Synergien. Vor allem liegt es aber wohl daran, weil diese Branchen ohnehin online-affin sind und mit dem Begriff Crowdinvesting eher etwas anfangen können als traditionelle Branchen. Ich sage voraus, dass sich mit der Etablierung dieses Finanzierungsweges Crowdinvesting stets bei Finanzierungen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen wird, so wie die anderen Finanzierungsformen auch. Letztlich zählt, ob die Investoren bereit sind in das veröffentlichte Projekt zu investieren und da wird ganz pragmatisch eine Chance-/Risiko-Abwägung vorgenommen. Altruistische Motive spielen bei dem einen oder anderen ebenfalls eine Rolle. Kluge Investoren haben in ihrem Portfolio sowieso einen Branchenmix.
6. Warum sollte ich mich über Crowdinvesting finanzieren? Ich habe doch eine Hausbank
Diese Frage schließt sich an die letzte Frage an. Jede Finanzierungsform hat ihre Vor- und Nachteile. Neben den finanzwirtschaftlichen Aspekten (Beteiligungen sind quasi „endfällig“ oder gar unbefristet), sollte man auch die Außenwirkung mit einbeziehen. Ganz nebenbei bedeutet eine Finanzierungsrunde über Crowdinvesting auch eine Marketingkampagne. Ihre Bekanntheit wird gesteigert, die Zusammenarbeit (das Feedback) mit den Investoren ist eine andere Qualität als bei der Bank, die Investoren treten als Multiplikatoren für Sie auf, denn auch sie möchten, dass Sie erfolgreich sind. Gerade in der B2C-Onlinebranche gibt es große Synergien zwischen Marketing und Finanzierung, das trifft auf andere Branchen aber auch zu.
7. Muss ich die Beteiligungsgeber oder die Beteiligung in das Handelsregister eintragen?
Finanzierungsformen werden nicht in das Handelsregister eingetragen, auch keine stillen Beteiligungsgeber (sonst wären sie nicht mehr „still“, d.h. nicht öffentlich). Im Handelsregister stehen solche Dinge wie der Name und der Geschäftsführer, auch die Höhe des Eigenkapitals.
8. Dann wollen die (Investoren) alle mitreden
Im Beteiligungsvertrag werden solche Dinge geregelt, ansonsten im Gesetz. Selbstverständlich macht es keinen Sinn ab einer bestimmten Menge an Investoren, diese in die operative Entscheidungsfindung einzubeziehen. Typischerweise haben sie daher nur Informationsrechte und Kontrollrechte. Zahlen Ihre Investoren „echtes“ Eigenkapital ein, sind sie Gesellschafter oder Aktionäre und haben dann auch bestimmte Einflussrechte in der Gesellschafter-/Hauptversammlung, aber auch diese beziehen sich nicht auf das operative Geschäft.
9. Gibt es tatsächlich Leute, die in Unternehmen investieren? Ich denke, die haben alle kein Geld
Ganz klares ja und es sind mehr als Sie denken. Und noch ein Nachschub: Crowdinvesting ist nur bei einem Bruchteil der Bevölkerung bekannt. Da ist noch jede Menge Potenzial. Über die Motive kann man viel schreiben. Nur so viel, was den 2. Satz angeht: Die Investoren können bereits mit Kleinstbeträgen anfangen. Das Geld sollte er selbstverständlich übrig haben, aber es gibt viele Menschen in diesem Land, die eine Anlagemöglichkeit suchen, vor allem für kleinere Beträge.
10. Wie viel kostet mich das?
Die Plattformen verlangen eine erfolgsabhängige Gebühr, typischerweise zwischen 5 bis 10 % der eingeworbenen Beteiligungssumme. Details finden Sie hier in meiner Übersicht „6 Crowdinvesting-Plattformen im Vergleich“ in der Zeile „Plattformgebühren für das Unternehmen“.
Zur Person
Dipl.-Betriebswirt und Bankkaufmann Steffen Doberstein ist Unternehmensberater für KMU und Gründer mit dem Schwerpunkt Finanzierung, auch ohne Beteiligung von Banken, wie Crowdfunding. Er arbeitete u.a. in der Bürgschaftsbank Berlin-Brandenburg respektive der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg. Als Unternehmensberater war er bislang insgesamt sieben Jahre tätig und wurde in dieser Zeit mit den unterschiedlichsten Aufgaben betraut. Schwerpunkte waren die kaufmännische Beratung von KMU und die SAP-Beratung von Banken. Ein weiteres Kompetenzthema ist Wissensmanagement in Unternehmen. Er ist seit acht Jahren Redaktionsleiter der Webseite www.community-of-knowledge.de und hat einen Arbeitskreis zu diesem Thema in Berlin mitbegründet und über viele Jahre organisiert. Steffen Doberstein führt diverse Seminare durch und ist für die IHK Berlin als Dozent und Prüfer tätig.