Comixology und Mad Dog Comics: Die Comicszene steht vor ihrem größten Wandel
Wer wissen möchte, wie künftige Generationen und hippe Comicleser der Jetztzeit die Abenteuer von Batman, Hellboy und Donald Duck erleben werden, sollte sich unbedingt einmal den US-Dienst Comixology (www.comixology.com) ansehen. Das Unternehmen bringt die Comics der großen amerikanischen Verlage wie DC Comics (Superman, Green Lantern, Flash) und Marvel Comics (Spider-Man, X-Men, Thor) ins Web und aufs Smartphones und Tablet-PCs. Comixology setzt dabei zum Glück für Verlage und Nutzer auf iOs und Android gleichermaßen. Zudem kommen die Comics nicht als langweilige PDFs daher, sondern als gelungenes, neuartiges Leseerlebnis.
Dieses Leseerlebnis zeichnet sich durch eine eigene Leseführung, die Sprechblasen ranzoomt und einzelne Szenen hervorhebt, aus. Comics lesen war nie schöner! Zudem experimentieren etliche Verlage bereits mit Online-First-Comics. Als gelungenes Beispiel sei an dieser Stelle die Reihe “Legends of the Dark Knight” von DC genannt. Der beste digitale Comic bisher kommt aber aus dem Hause Marvel: “Ultimate Spider-Man Infinite” ist perfekt auf die Comixology-Technologie zugeschnitten und bietet dadurch ein Leseerlebnis, das kein gedrucktes Comicheft dieser Welt jemals bieten kann.
Über 100 Millionen Downloads, die Comixology bisher verbuchen konnte, sind ein deutliches Zeichen, dass die Comicwelt wie andere Mediensegmente komplett im Umbruch ist. Comixology hat das Zeug dazu, diesen Wandel gemeinsam mit den Verlagen mitzugestalten – und zwar weltweit. Denn jeder kann die Apps von Comixology nutzen und seine Comics auf dem Handy oder Tablet seiner Wahl lesen. Das beste daran: Die großen Verlage, die auch die White-Label-Lösung von Comixology nutzen, bieten ihre Heftchen am normalen Erscheinungstag auch als Online-Version an. Woche für Woche stellen die Verlage zudem ältere Hefte in die Datenbank von Comixology. Als verkaufsfördernd dürften sich zudem die vielen wöchentlichen Rabattaktionen mit Comics zum Preis von 99 US-Cent erwiesen haben. Zu guter Letzt gibt es als Einstiegsdroge noch viele kostenlose Comics.
Auch einige wirtschaftliche Zahlen von Comixology, seit 2007 am Start, gibt es: Im Sommer des vergangenen Jahres schrieb pehub: “The comiXology platform produced $19 million in gross merchandise value in 2011, which is expected to jump to about $70 million in gross merchandise value this year”. Zum Vergleich einige Marktzahlen vom Comicbranchendienst The Comics Chronicles: “Comic shop orders for comic books and graphic novels reportedly increased by 14.72% over 2011. This would bring the year in at nearly $475 million — in line with previous estimates here at Comichron — and an increase of more than $60 million for the year. Note that this figure does not include comics and graphic novels sold through bookstore and newsstand channels, which adds another $200 million or so — nor does it include digital sales, which are reported to be in excess of $75 million this year”.
Auch wenn Comixology schon etliche Jahre im Markt ist, gelang der Durchbruch erst 2012. Vor allem, weil die amerikanischen Comicdickschiffe DC und Marvel bei ihrer digitalen Strategie komplett auf Comixology setzen. Irgendwie ist Comixology mit seinem riesigen Medienangebot und den vielen spannenden Kooperationen damit jetzt schon ein potenzieller Kandidat, der irgendwann von amazon geschluckt werden dürfte – zumal Comixology auch auf Kindle Fire als Vertriebskanal setzt. In Deutschland versucht Mad Dog Comics (www.maddogcomics.de) seit Mai des vergangenen Jahres im digitalen Comic-Segment zu reüssieren. Zuvor versuchte comicstars.de das Segment zu bearbeiten, scheiterte aber.
Ende November sammelte Mad Dog Comics von Sebastian Witzmann über Seedmatch 100.000 Euro ein. “Bei MadDog gibt es permanent Neuerscheinungen, große Serien wie Star Wars, Walking Dead, Abrafaxe und große Themen wie Science Fiction, Steampunk und Kids”, heißt es in der Selbstbeschreibung der Plattform. Mad Dog verfügt damit zumindest über einige sehr bekannte Serien. Mit Comixology kann der kleine deutsche Anbieter zwar nicht mithalten, muss er aber auch erst einmal nicht. Auf lange Sicht kann ein Digital-Comic-Anbieter aber sicherlich nur mit den ganz großen Serien bestehen. Ohne Dickschiff Panini, die in Deutschland der Lizenznehmer von Marvel und DC sind, dürfte hierzulande aber gar nichts gehen. Deswegen darf man gespannt sein, was der Lizenzriese langfristig aus seiner Plattform myComics.de (www.mycomics.de) – bisher ein Dienst für Leseprobe, Zeichenwettbewerbe sowie Comics und Cartoons von begabten Nutzern – macht. Das Problem in Deutschland: Die Comicleser im Lande sind noch nicht bereit für digitale Welten! “Von digitalen Veröffentlichungsformen bleibt der Comic-Markt bisher unberührt. Selbst Verlage wie Carlsen und Panini, die als Vorreiter bereits umfangreiche Anteile ihres Comic-Programms über Aggregatoren oder sogar eigene Plattformen digital verbreiten, können hier bisher keine nennenswerte Nachfrage verzeichnen: Der Umsatzanteil läge etwa bei 1%”, schreibt der buchreport. Der Wandel wird trotzdem stattfinden, in Deutschland nur wieder einmal langsamer als in den USA.
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